Das Verschlucken von Luft beim Essen, Trinken und Sprechen ist völlig normal. Ist jedoch von Aerophagie die Rede, gelangt viel zu viel davon in den Körper, was zu Blähungen, Bauchschmerzen und ständigem Aufstoßen führen kann. Bei Babys ist diese Ansammlung übermäßiger Luft in den ersten Lebensmonaten physiologisch.
Inhaltsverzeichnis
Beschreibung
Gelangen zu große Mengen an Luft in den Magen, versucht der Körper diese durch Aufstoßen wieder loszuwerden. Dies kann mitunter so unangenehm sein, dass die Betroffenen den Kontakt zu anderen Menschen meiden. Wandert die Luft weiter in den Dünndarm, entwickeln sich Druck im Unterleib – dabei entstehen Blähungen und Krämpfe. Von dort aus gelangt die Luft weiter in den Dickdarm und den Mastdarm.
Zusätzlich können Symptome wie Völlegefühl, allgemeines Unwohlsein, Reflux (Rückfluss von Mageninhalt in Richtung Speiseröhre) und kollernde Darmgeräusche auftreten. Bei Kindern kann auch Erbrechen mit dabei sein. Im schlimmsten Fall entsteht bei Kindern aus einer ausgeprägten Aerophagie ein Darmverschluss.
Leiden die Patienten unter der Aerophagie, ist ein Arzt aufzusuchen. Gerade, wenn das Luft schlucken größere Probleme bereitet, sollte dies unbedingt abgeklärt werden.
Ursachen
Mögliche Ursachen für eine Aerophagie sind zu schnelles Sprechen, zu hastiges Essen und Trinken, ständiges Kaugummi kauen, kohlensäurehaltige Getränke, übermäßige Mundatmung (zum Beispiel in Verbindung mit einer verstopften Nase), schlecht sitzende Zahnprothesen, Ängste, Stress, Nervosität, Laktoseintoleranz und Rauchen. Die Aerophagie kann auch ein begleitendes Symptom bei Magenerkrankungen sein.
Ursachen für zu viel Gasbildung im Magen-Darm-Trakt sind nicht nur das Luft schlucken, sondern auch bestimmte Lebensmittel. Dazu gehören Zwiebeln, Hülsenfrüchte, Paprika, Lauch, unreifes Obst, Kaffee, Bier, Hefeprodukte, Zucker, Sahne und Vollkornbrot. Aber auch ein Ungleichgewicht in der Darmflora kann zu Luftansammlungen führen.
Durch die Aerophagie kann sich ein sogenannter „Teufelskreis“ entwickeln. Das übermäßige Schlucken von Luft geht häufig mit Unruhe, Nervosität und Überlastung einher. Das heißt, die Patienten stehen unter Druck. Die Betroffenen versuchen das ständige Aufstoßen oder die starken Blähungen zu vermeiden beziehungsweise zu ignorieren, was zusätzlichen Leidensdruck erzeugt.
Patienten, die über längere Zeit hinweg bettlägrig sind, neigen häufiger zur Aerophagie, da durch das Liegen die geschluckte Luft nicht so leicht entweichen kann. Daraufhin entwickelt sich eventuell ein unangenehmes Sodbrennen. Spätestens jetzt sollte ein Arzt hinzugezogen werden, da sich ernste Verdauungsstörungen entwickeln können.
Erscheinungsform – Roemheld Syndrom
Das sogenannte Roemheld Syndrom entsteht durch eine übermäßige Gasansammlung im Magen-Darm-Bereich, eventuell auch ausgelöst durch eine Aerophagie. Eine anderer Begriff ist Gastrokardiales Syndrom oder auch Magen-Herz-Syndrom. Hier wird gleich die Verbindung zwischen Herz und Magen klar. Bei dieser Erkrankung nämlich treten Beschwerden im Bereich des Herzens auf, wobei der Auslöser im Magen-Darm-Trakt sitzt. Dabei werden Engegefühl, Druck in der Herzgegend und brennende Schmerzen hinter dem Brustbein sowie Schmerzen, die in den linken Arm, die Schulter und den Unterkiefer ausstrahlen können, verspürt. All dies erinnert auch an die Symptome einer Angina Pectoris. Eventuell kommen noch Beschwerden wie Hitzewallungen, Schwindelattacken und Angstzustände hinzu.
Durch die vermehrte Luft in Magen und Darm wird das Zwerchfell in Richtung Brusthöhle gedrängt. Dadurch verkleinert sich der Raum von Herz und Lunge für deren Entfaltung. Dies ist der Grund für die beschriebenen Herzbeschwerden. Hinzu kommen eventuell noch Kurzatmigkeit und Atembeschwerden.
Das Roemheld Syndrom hat noch weitere Ursachen, die mit einer vermehrten Gasansammlung zu tun haben. Das sind Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Entzündungen im Magen, eine Hiatushernie (Zwerchfellbruch) und das Reizdarm-Syndrom. Aber auch fette, üppige Mahlzeiten können dazu führen. Das Roemheld Syndrom gehört zu den Ausschlussdiagnosen. Das bedeutet, dass der Arzt zuerst alle zum Herz gehörenden Erkrankungen ausschließt, bevor die Diagnose Roemheld gestellt werden kann.
Die Behandlung richtet sich nach der Ursache. Bei vorliegenden Entzündungen ist eventuell ein Antibiotikum nötig. Um die Gasansammlungen zu reduzieren, werden sogenannte Entschäumer verordnet.
Behandlung
Die Behandlung der Aerophagie richtet sich nach der Ursache. Erkrankungen müssen zuerst ausgeschlossen werden. Dazu gehören eine ausführliche Anamnese, Laboruntersuchungen und eventuell noch bildgebende Verfahren.
Die Patienten werden dazu angehalten, einige „schlechte“ Angewohnheiten abzulegen. Sie sollten sich bemühen, in Ruhe und auch langsam zu essen. Jeder Bissen wird am besten mindestens dreißig Mal gekaut. Dies ist nicht so einfach, wenn vorher sehr hastig gegessen wurde.
Kohlensäurehaltige Getränke sollten komplett verbannt – oder zumindest nur ab und zu konsumiert werden. Auch gilt es ein Augenmerk auf den Kaffeekonsum zu halten. Denn Kaffee gehört zu den möglichen Auslösern der Aerophagie. Des weiteren ist auf eine ruhige, nicht zu schnelle Sprechweise zu achten. Logopädische Übungen helfen dabei, übermäßiges Atmen beim Sprechen zu reduzieren beziehungsweise abzulegen. Die Aerophagie kann auch völlig unbewusst stattfinden. Dies ist häufig bei gestressten Patienten der Fall. Hier helfen Entspannungsübungen, Yoga und bewusste Atemtechnik. Um die Gründe für die allgemeine Stressintoleranz und die Nervosität der Betroffenen herauszufinden, ist eventuell eine Psychoanalyse nötig.
Aerophagie in der Naturheilpraxis
Auch in der Naturheilpraxis wird dem Betroffenen, der unter der Aerophagie leidet, empfohlen mit Hilfe von geeigneten Entspannungstechniken zu versuchen, ruhiger zu werden. Pflanzen wie Lavendel, Melisse, Johanniskraut und Passionsblume helfen dabei. Diese werden einzeln, in Form von Tee, als Tinktur oder auch als Mischpräparat verordnet. Mit Hilfe einer ausführlichen Anamnese wird versucht, die Ursachen für die Nervosität und die Unruhe zu finden, um die geeigneten Therapieverfahren ableiten zu können.
Die Ohrakupunktur oder die Körperakupunktur sind hier ebenfalls hilfreiche Therapieverfahren. Auch wird die Fußreflexzonentherapie bei der Behandlung von Aerophagie mit Erfolg eingesetzt.
Um die Nerven zu stärken und zu beruhigen, werden homöopathische Einzelmittel wie Nux vomica, Staphisagria, Chamomilla, Bryonia und Colocynthis verordnet.
Durch die Aerophagie entstandene Blähungen reagieren recht positiv auf Anis, Fenchel, Kümmel und Koriander. Diese vier Saaten werden leicht angestoßen und hieraus wird ein leckerer Tee zubereitet.
Bei wiederkehrenden Blähungen wird meist eine Stuhluntersuchung angeordnet, um sich ein Bild über die Darmflora zu machen. Eventuell ist nicht nur das Luft schlucken an den unangenehmen Symptomen „schuld“. Hier kann eine Darmsanierung helfen.
Die Schüßler Salz Therapie wendet bei der Behandlung der Aerophagie folgende Mittel an: Nr. 7 Magnesium phosphoricum, Nr. 5 Kalium phosphoricum, Nr. 14 Kalium bromatum und Nr. 20 Kalium Aluminium sulfuricum.
Wer sich in der Praxis des Wissens der Hildegard von Bingen bedient, empfiehlt gegen die Beschwerden die Enzianwurzel, in Form eines Pulvers oder auch als Tinktur. Diese Pflanze ist recht vielseitig in ihrer Wirkung. So entspannt sie nicht nur den Verdauungstrakt, sondern wirkt sich auch beruhigend auf das Nervensystem aus. Hilfreich ist die Kombination mit Löwenzahn, Tausendgüldenkraut und Wermut. (sw)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Douglas A. Drossman: Functional Gastrointestinal Disorders: History, Pathophysiology, Clinical Features, and Rome IV, Gastroenterology, May 2016, Volume 150, Issue 6, Pages 1262–1279.e2, (Abruf 09.09.2019), doi
- Jürgen Stein, Till Wehrmann: Funktionsdiagnostik in der Gastroenterologie, Springer Verlag, 2. Auflage 2006
- Kristle Lee Lynch: Gastroösophageale Refluxkrankheit, MSD Manual, (Abruf 09.09.2019), MSD
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.