Wenn Sie ihre Ohrläppchen nicht mehr spüren oder ihre Haut nicht auf Berührungen reagiert, dann sprechen wir von Taubheitsgefühlen. Jeder von uns kennt sie: Wenn wir lange am Schreibtisch sitzen und uns ein Fuß „einschläft“ oder wenn wir bei Frost ohne Handschuhe draußen sind und die Fingerspitzen kalt werden.
Inhaltsverzeichnis
Taubheitsgefühle – Die wichtigsten Fakten
- Taubheitsgefühle und Kribbeln sind Störungen der Sensibilität und Empfindung.
- Sie entstehen besonders an den Armen, Beinen, Fingern, Zehen, Händen und Füßen, Lippen, Nase, Mund oder Ohren, also an Körperteilen, die schwer vom Blut erreicht werden.
- Mangelnde Durchblutung ist zwar eine häufige Ursache, aber nicht die einzige. Es können auch Nervenstörungen vorliegen, ein Ungleichgewicht von Hormonen oder Beschwerden des Stoffwechsels.
- Weitere Ursachen sind Hauterkrankungen, Allergien und Alkohol, Diabetes, Herpesinfektionen oder Bandscheibenvorfälle.
- Obwohl Taubheitsgefühle oft harmlose Ursachen haben, sollten Sie achtsam sein. Die Empfindungen sind auch ein Begleitsymptom von sehr ernsten Erkrankungen. Dazu gehören Schlaganfall und Krebs.
Taubheit und Kribbeln
Bei Kälte ziehen sich die Gefäße zu und nur wenig Blut erreicht die „abstehenden“ Teile des Blutkreislaufs wie Finger, Zehen, Nase und Ohren. Dort nimmt die Sensibilität ab. Kommen wir jetzt ins Warme, öffnen sich die Gefäße, das Empfinden nimmt wieder zu, und das bemerken wir als ein unangenehmes Kribbeln – als hätten wir Nadeln unter der Haut.
Diese stechenden Schmerzen entstehen durch Nervenenden in der Haut, die Nervenbahnen leiten sie weiter, und dann stößt das Gehirn das Signal Schmerz aus. Während Taubheit also mit verminderter Aktivität der Nerven zu tun hat, setzt diese beim Kribbeln verstärkt ein.
Oft folgt das Kribbeln auf Taubheitsgefühle, bisweilen geht es ihnen aber auch voraus. Dann sind die Nervenbahnen überaktiv. Der Schmerz wechselt von vielfach stechend zu brennend. Auch wenn Taubheitsgefühle und Kribbeln sich erst einmal gegenüberstehen (einmal Überaktivität der Nerven, einmal Unteraktivität) hängt beides doch oft zusammen: Die Nervenleitungen funktionieren nicht normal.
Hypästhesie
Die Unteraktivität der Nerven, die sich durch Taubheitsgefühle zeigt, bezeichnen Ärzte als Hypästhesie. Nerven können an den jeweiligen Stellen geschädigt sein, durch einen gestörten Blutfluss wird ein Körperteil zu wenig versorgt oder durch einen Schlaganfall ist das neuronale System einer ganzen Körperhälfte lahm gelegt.
Wo liegt das Problem?
Das Zentrum der Taubheit kann direkt am Ort liegen, so wie bei den unterkühlten Händen, die wieder sensibel werden, wenn wir sie in warmes Wasser halten. Aber der Ausgangspunkt kann auch weit entfernt vom Ort des Geschehens sein, an Schaltpunkten der Nerven. Kribbelnde Finger können zum Beispiel von einer beschädigten Halswirbelsäule ausgehen.
Ursachen – Die peripheren Nerven
Die unmittelbaren Gründe sind meist Nervenschäden oder Probleme bei der Durchblutung. Taubheitsempfindungen gehen oft vom peripheren Nervensystem aus, zu dem auch die Empfindungsnerven gehören, welche Empfindungen an den Körperteilen zum Gehirn weiterleiten. Dieses Nervensystem kann wiederum aus unterschiedlichsten Gründen gestört sein.
Dazu gehören beispielsweise Erkrankungen wie Diabetes, die ein Ungleichgewicht im Hormonstoffwechsel mit sich bringen. Die Betroffenen haben ein hohes Risiko, Nervenschäden und Durchblutungsstörungen zu entwickeln, die zu mangelnder Empfindung führen.
Eine andere Ursache sind Verletzungen. Durch Verletzungen verändert sich das Gewebe um die peripheren Nerven und Blutgefäße (Knochen, Sehnen, Bindegewebe etc.) oder die Nerven und Blutgefäße selbst sind verwundet – oder sogar zerrissen. Dann kommt es zu Taubheit.
Drittens können Geschwülste, Tumore oder Ödeme, Zysten oder Abszesse auf periphere Nerven drücken und Taubheitsgefühle auslösen.
Das Zentralnervensystem
Das zentrale Nervensystem sitzt im Hirn und Rückenmark. Wie bei den peripheren Nerven sorgen auch hier Entzündungen, Tumore, Abszesse und andere pathologische Veränderungen dafür, dass Nerven und Gefäße abgeschnitten werden oder einklemmen. Hier, in den Schaltzentralen der Nervenimpulse, führen Nervenschäden zu Taubheit an weit entfernten Körperstellen. Das gilt besonders für einen Schlaganfall, also einen Infarkt im Gehirn.
Weitere Ursachen
Zu den vielfältigen Ursachen für Taubheitsgefühle gehören auch Hauterkrankungen, Erfrierungen, Verbrennungen und äußere Verletzungen. Sogar psychische Zustände wie Angstattacken können (vorübergehend) Taubheit in der Haut auslösen. Der Satz „vor Angst wie gelähmt“ bringt dies auf den Punkt.
Vergiftungen
Vergiftungen gehen mit Taubheitsempfindungen einher. Giftschlangen injizieren Nerven- oder Blutgifte, und manche Arten sogar eine Kombination von beiden. Die Gifte sorgen für Taubheit zuerst rings um die Bissstelle, darauf folgen Lähmungen und schließlich stirbt das Gewebe ab.
Chronischer Alkoholmissbrauch schädigt ebenfalls die Nerven, und Alkoholiker kennen kribbelnde Fingerspitzen ebenso wie taube Nasenspitzen oder gefühllose Zehen. Hält der Missbrauch an, zeigen sich die Schäden an Nerven und Gefäßen durch bläuliche Farbe der Finger, geplatzte Äderchen und rotbläulich angelaufene Nasen.
Medikamente
Vorübergehende Taubheit der Haut tritt auch auf als Nebenwirkung von Medikamenten. Dabei handelt es sich zum Beispiel um Antiepileptika und Blutdrucksenker, sowie Mittel gegen Depressionen. Bei den Blutdrucksenkern ist die Ursache für die Taubheit klar: Sinkt der Blutdruck, werden periphere Körperteile weniger durchblutet und können sich deshalb taub anfühlen. Das ist zwar nicht angenehm, aber auch nicht gefährlich.
Ursachen zusammengefasst
Zusammengefasst sind wichtige Ursachen für Gefühle von Taubheit:
- Durchblutungsbeschwerden,
- abgeklemmte oder abgetrennte Nerven,
- verminderte Aktivität der Nerven,
- Bandscheibenvorfälle,
- Schlaganfälle,
- Infektionen,
- Mangel an Vitamin B 12,
- Tumore.
Die Diagnose
Der Arzt fragt zuerst, wann und in welchen Situationen die Taubheit auftritt. Geht sie vorüber oder ist sie chronisch? Tritt sie bei konkreten Auslösern auf oder ohne Kontext zu äußeren Einflüssen auf? Ist sie einseitig oder beidseitig? Verändert sie sich, umfasst also immer größere Bereiche, oder bleibt sie gleich? Der Arzt prüft jetzt die Reflexe und Sinne, dazu Augen und Ohren. Besteht Verdacht auf ernste Erkrankungen, werden spezifische Untersuchungen erforderlich.
Durchblutungsstörungen
Bei einer Durchblutungsstörung durch Kälte kennen Sie die Ursache in der Regel selbst. Wenn Sie bei nasskaltem Wetter in eisiges Wasser treten und mit unterkühltem Fuß herumwandern, ziehen sich die Gefäße zusammen, der Fuß fühlt sich taub an. Das ist erst einmal nicht dramatisch. Wenn Sie ins Warme kommen, bevor der Fuß erfroren ist, halten Sie den Fuß (oder die Hand, Wangen, Ohren etc.) in lauwarmes Wasser, und das Blut kehrt zurück, meist mit einem Kribbeln, als hätten Sie Ameisen unter der Haut. Das ist kein Grund, zum Arzt zu gehen.
Hat die Taubheit an Fingern oder Zehen – beziehungsweise die gestörte Durchblutung – keine erkennbare Ursache, dann sollten Sie sofort zum Arzt. Hier können ernste Erkrankungen vorliegen wie die Raynaud-Krankheit oder Arteriosklerose.
Durchblutungsstörungen an den Adern in den Beinen und im Gehirn zeigen sich oft durch ein taubes Gefühl. Aber Vorsicht: Kein taubes Gefühl zu haben, bedeutet nicht zwangsläufig Entwarnung. Bei den gefährlichsten Durchblutungsstörungen außerhalb des Gehirns, denen am Herzen, empfinden Sie keine Taubheit, sondern das Gefühl von Enge in der Brust.
Wann also zum Arzt?
Sie sollten auf jeden Fall zum Arzt gehen, wenn die Gefühle von Taubheit ohne Vorlauf und erkennbare Ursache beginnen, wenn sie stark sind, wenn sie lange anhalten und wenn sie mit anderen Symptomen einher gehen. Solche Symptome können sein: Schwindel, Fieber, Schwächeanfälle, Abgeschlagenheit, Halluzinationen, Benommenheit, Brechreiz, Irritationen, Konzentrationsschwäche, Dauermüdigkeit, Sehstörungen, Hautausschlag oder Kopfschmerzen.
Schlaganfall
Zeichen für einen Schlaganfall sind plötzlich einsetzende Taubheit und Lähmung auf einer Körperseite, zum Beispiel im Bein, Arm, Mund oder Gesicht. Hinzu kommen Sprach- wie Sehstörungen und Kopfschmerzen. Sie müssen sofort zum Arzt.
Die Radfahrerlähmung
Nicht immer, aber oft, zeigt der Ort der Taubheitsempfindung die Ursache an. Bei der „Radfahrerlähmung“ muss zwar nicht Radfahren die Ursache sein, bei einer typischen Radfahrerbewegung fällt sie uns aber auf.
Knickt der Radfahrer am Lenker die Handgelenke ab, kann eine Engstelle entstehen, an der der Ulnarisnerv einklemmt. Fast jeder Radfahrer kennt die drauf folgende Taubheit in den Fingern der entsprechenden Hand.
Therapie
Taubheitsempfindungen sind keine Krankheit, sondern ein Symptom, das diverse Ursachen haben kann. Vorübergehende Taubheiten durch falsche Körperhaltungen wie das „Einschlafen“ von Beinen in der U-Bahn oder die „Radfahrerlähmung“ verschwinden von selbst, wenn Sie diese Körperteile wieder bewegen. Bei tauben Füßen oder Händen hilft es, sie kräftig zu schütteln.
Ist Diabetes die Ursache für die Taubheit, stellt der Arzt den Blutzucker optimal ein. Bei einer Taubheitsempfindung durch Herpesviren behandelt die Ärztin mit einem Virostatikum, das die Vermehrung der Viren bremst.
Bei einem Bandscheibenvorfall gilt es, die Wirbelsäule zu entlasten. Zusätzlich bekommen Sie Schmerzstiller und Mittel, die die Muskeln entspannen.
Hausmittel
Sind die Taubheitsgefühle durch eine Krankheit entstanden, muss immer diese Grunderkrankung behandelt werden. Die Symptome lassen sich indessen auch durch Hausmittel gut lindern, durch Kompressen, Massagen, Spaziergänge und Gymnastik.
Kompressen
Wärme stärkt erstens die Durchblutung und entspannt zweitens die Muskeln im betroffenen Bereich. Werden die jeweiligen Nerven besser durchblutet, steigt ihre Aktivität und die Empfindung der Taubheit lässt nach.
Sind Nerven in der Wirbelsäule betroffen, hilft ein warmer Waschlappen im Nacken oder (bei einem geklemmten Nerv weiter unten) an den Lendenwirbeln. Es sollte ein Waschlappen mit warmem Wasser sein, denn die nasse Wärme dringt besser in das Gewebe ein als trockene Hitze. Sie müssen nur einen Lappen in warmes Wasser tunken, auswringen und circa fünf Minuten auf die entsprechende Stelle legen. Wiederholen Sie dies mehrmals am Tag, bis die tauben Gefühle verschwunden sind. Die Betonung liegt auf warm. Das Wasser sollte nicht so heiß sein, dass Sie sich die Haut verbrennen.
Mit Kirschkernen gefüllte und erhitzte Kissen, Wärmedecken oder warme Duschen helfen ebenfalls.
Massagen
Massagen wirken ähnlich wie Wärme, sie regen die Durchblutung und Nerven an. Oft merken Sie selbst, welcher Nerv betroffen ist. Wenn nicht: Bei einem „tauben Fuß“ sollten Sie auch Unterschenkel, Po und Lendenwirbelsäule massieren, bei „tauben Händen“ Nacken, Unterarm und Hand.
Dazu reiben Sie ein wenig warmes Öl (Olive oder Senf) in die Handinnenfläche, üben leichten Druck damit auf die Hautpartie aus, kneten die Haut mit den Fingerspitzen und lassen die Hände auf der Haut kreisen.
Spazieren
Bei Durchblutungsstörungen ein Muss. Wenn wir uns bewegen, gelangt der Sauerstoff wieder in alle Regionen des Körpers, die Durchblutung verbessert sich, Muskeln, Nerven und Bindegewebe verkleben weniger. Der betroffene Nerv „lernt“ wieder, normal zu funktionieren.
Zusätzlich zu längeren Spaziergängen können Sie auch einige Minuten am Tag Hände und Füße ausschütteln, ihre Schultern zurückziehen, die Handgelenke dehnen, und die Beine lockern. Hören Sie sofort auf, wenn es an der betroffenen Stelle weh tut. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Michael C. Levin: Taubheitsgefühl, MSD Manual, (Abruf 13.08.2019), MSD
- David R. Steinberg: Karpaltunnelsyndrom, MSD Manual, (Abruf 13.08.2019), MSD
- Hermann Müller-Vahl et al.: Läsionen peripherer Nerven und radikuläre Syndrome, Thieme Verlag, 10. Auflage, 2014
- Larry E. Johnson, Ernährungsbedingte Störungen - Vitaminmangel, Abhängigkeit und Intoxikation - Vitamin B12, MSD Manual, (Abruf 13.08.2019), MSD
- Bruce H.R. Wolffenbuttel, M. Rebecca Heiner Fokkema, Hanneke J.C.M. Wouters, Melanie M. van der Klauw: The Many Faces of Cobalamin (Vitamin B12) Deficiency, Mayo Clinic Proceedings: Innovations, Quality & Outcomes, (Abruf 13.08.2019), MAYO
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.