Wenn die Muskeln verspannt sind
Muskeln im Nacken und in den Schultern verspannen sich häufig. Die schmerzhaften Verspannungen entstehen, wenn wir Muskeln zu sehr beanspruchen, zum Beispiel durch eine bestimmte Körperhaltung über einen längeren Zeitraum.
Inhaltsverzeichnis
Wie funktionieren Muskeln?
Mit unseren Muskeln bewegen wir uns und halten den Körper aufrecht. Einige von ihnen steuern wir bewusst – zum Beispiel an den Gliedmaßen, im Gesicht und Oberkörper. Die Muskeln der inneren Organe hingegen lassen sich nicht willkürlich steuern – aus gutem Grund. Würden wir vergessen, den Herzmuskel anzuspannen und zu entspannen, bekämen wir in wenigen Minuten Herzprobleme. Es wäre zudem schlicht nicht möglich, die Organmuskeln, die für den Blutkreislauf, Stoffwechsel, Sexualfunktionen und die Verdauung nötig sind, willentlich zu steuern.
Die Feinstruktur der Muskeln besteht aus Actin und Myosin, die gegeneinander wirken. Wenn sich ein Muskel zusammenzieht, schieben sich die gegenüberliegenden Strukturen ineinander, der Muskel verkürzt sich jetzt und wird dicker. Wenn sich der Muskel entspannt, rücken Actin und Myosin wieder auseinander.
Das zentrale Nervensystem
Unser zentrales Nervensystem im Gehirn und im Rückenmark sorgt dafür, dass sich die Muskeln entspannen oder anspannen. Nerven leiten die Signale aus dem zentralen Nervensystem an die Muskeln weiter. Diese Signale sind elektrische Impulse, die den jeweiligen Muskel in eine Grundspannung versetzen. Mit dem Rhythmus der Nervensignale ändert sich die Spannung der Muskeln.
Ursachen von verspannten Muskeln
Die Ursachen von Muskelverspannungen können, je nach Muskel, unterschiedlich sein. Bei einem verspannten Nacken liegt es häufig an einer unflexiblen Position über längere Zeit, zum Beispiel durch Arbeit am Laptop. Wenn wir im Schlaf falsch liegen, führt dies ebenso zu Muskelverspannungen.
Psychische Ursachen
Häufig verspannen sich die Muskeln durch psychische Belastung. Angst und Stress sind im Laufe der Evolution als Reaktion auf die Gefahr entstandene Zustände. Sie beeinflussen die Hirnsignale ebenso wie Schmerzen oder falsche Körperhaltung. Bei starker Angst und großem Stress verspannen sich die Muskeln. Wenn wir uns sicher fühlen, entspannen sie sich.
Wenn wir seelisch angespannt sind, entspricht das der Reaktion auf eine Bedrohung, zum Beispiel durch einen Beutegreifer, wie unsere Urahnen sie erlebt haben. Um dieser Bedrohung zu entkommen, bereitet das Gehirn den Körper auf einen Leistungsmodus vor und erhöht die Spannung in den Muskeln. Doch die Muskelspannung hält auch an, wenn wir nicht körperlich reagieren, so wie wir dies in unserer Jäger- und Sammler Vergangenheit getan hätten. Durch die Anspannung wird das Muskelgewebe mit weniger Blut versorgt, die Produkte des Stoffwechsels fließen nicht ab und das drückt auf die Schmerzrezeptoren: Es tut weh.
Verletzungen und Schmerz
Schmerz ist aber nicht nur eine Folge der Muskelverspannung, sondern kann auch deren Ursache sein. Wenn wir Schmerzen empfinden, spannen sich die Muskeln am entsprechenden Körperteil automatisch an und schützen so den Körper vor weiteren Schmerzen und Verletzungen. Optimal ist diese Reaktion nicht – wie vieles in der Evolution. So reagieren die Muskeln an der Wirbelsäule mit Blockaden auf Beschwerden im Rücken. Die Muskeln spannen sich an und wir nehmen reflexhaft eine Haltung an, um die schmerzende Körperstelle zu schonen. Doch diese Schonhaltung führt dazu, dass sich andere Muskeln anspannen, und so dehnen sich die Spannungsschmerzen aus.
Typische Ursachen für verspannte Muskeln
Die Ursache Nummer eins für Muskelverspannungen beim heutigen Menschen ist zu wenig Bewegung, sei es durch Arbeit am Computer, sei es durch lange Fahrten mit dem Auto, sei es durch Fernsehen. Auch bei Bewegungsmangel als Folge von Bettlägerigkeit bei alten und kranken Menschen sind Muskelverspannungen garantiert. Bewegungsmangel geht oft mit einer einseitigen Belastung einher, wenn wir gebückt im Schreibtischstuhl sitzen oder schwere Taschen in der Hand schleppen. Je weniger der gesamte Muskelapparat trainiert ist, desto schneller verspannen die Muskeln.
Die falsche Matratze
Oft ist eine falsche Matratze im Bett die Ursache für Muskelverspannungen. Wenn die Matratze zu weich ist, spannen sich die Muskeln am Körper permanent an, damit wir bequem liegen können. Auch eine zu harte Matratze kann zu Verspannungen führen, weil sie den Körper in eine bestimmte Haltung zwingt. Es handelt sich um das gleiche Problem wie bei der Arbeit vor dem Bildschirm mit gekrümmtem Rücken.
Das Schlafen auf einer falschen Matratze kann zu langfristigen Beschwerden führen. Wir schlafen immerhin ein Drittel unserer Zeit. Wenn wir jetzt in dieser gesamten Phase den Körper in eine fehlerhafte Position bringen, überlastet dies notgedrungen die Muskeln. Die Muskeln bekommen nicht mehr genug Sauerstoff und verhärten. Durch eine ergonomische Matratze, die dem Körper angepasst ist, können wir diese Probleme vermeiden.
Die richtige Matratze
Bei einer guten Matratze können Sie das Körpergewicht gleichmäßig auf der Unterlage verteilen. So darf das Gewicht in der Seitenlage nicht ausschließlich auf Schulter und Hüfte liegen. Integrierte Liegezonen stützen den Körper und entlasten ihn.
Die falsche Position
Wenn Sie auf dem Bauch schlafen, überlasten sie den Nacken; wenn Sie auf dem angewinkelten Unterarm schlafen, überlasten Sie ihre Schultern.
Zähneknirschen
Menschen, die ihre Zähne zusammen pressen, reiben nicht nur diese ab und beschädigen ihren Zahnersatz. Sie sorgen damit auch dafür, dass die Zahnreihen nicht mehr aufeinander passen und das Kiefergelenk in Schieflage arbeitet. Die Kiefermuskeln verspannen sich. Hier helfen spezielle, von den Fachärzten individuell angefertigte Aufbissschienen.
Ein Zivilisationsproblem
Verspannungen der Muskeln entstand in der Evolution aus dem Reflex „Hit or run“ im Angesicht einer Gefahr, bei der Jagd oder der Konfrontation mit Tieren. Auf die Muskelspannung folgte dann die schnelle Bewegung. Danach entspannten sie sich wieder. Fällt dieses Kämpfen oder Fliehen jetzt weg, bleibt die Spannung erhalten. Sitzen am Schreibtisch entspricht nicht den evolutionär entstandenen Funktionen unseres Körpers. Deshalb sollten wir Pausen bei der Arbeit einlegen, in denen wir uns bewegen zum Beispiel die Treppe auf und ab steigen, eine Bahnstation zu Fuß nehmen oder im Büro Gymnastik machen.
Symptome
Ein typisches Symptom für Muskelverspannungen sind Kopfschmerzen. Dafür gibt es sogar einen Begriff: Spannungskopfschmerzen. Hier kann die Verspannung entweder Ursache oder Begleitsymptom sein. Zum Beispiel löst Stress oft eine Verspannung der Nackenmuskeln und Kopfschmerzen zugleich aus.
Verspannte Muskeln haben Punkte, die besonders sensibel auf Reize reagieren. Von diesen strahlen die Schmerzen in die Umgebung aus. Die Schmerzen bei einer Verspannung sind dumpf oder ziehend. Zum Beispiel laufen die Schmerzen von verspannten Muskeln im Halsbereich über die Schultern bis zur mittleren Wirbelsäule, können aber auch bis in die Arme und Beine ausstrahlen. Der Bereich, in dem es weh tut, fühlt sich hart und taub an. Muskelverspannungen lassen sich als Knoten unter der Haut fühlen. Weitere Symptome, die aber nicht immer auftreten, sind Durchblutungsstörungen in Händen und Füßen sowie Anfälle von Schwindel.
Vorsicht Schmerzgedächtnis
Manche Muskelverspannungen ziehen sich über längere Perioden hin, sei es durch Erkrankungen, sei es, weil ihre Ursache bestehen bleibt. Das gilt besonders für falsche Schlafpositionen oder ständiges Sitzen. Schmerz ist erst einmal ein wichtiges Signal des Körpers. Er zeigt nicht nur die Problemstelle an, sondern weist auf die Heilung hin: Mit einem schmerzenden Fuß treten wir vorsichtiger auf und schonen ihn so.
Der Körper hat auch ein Schmerzgedächtnis. Wenn Schmerzreize an einer Stelle lange bestehen, gewöhnt sich das Gehirn an den Impuls und stößt ihn auch aus, ohne dass der konkrete Auslöser besteht. Bei einer Verspannung kann das unangenehm werden: Sie wird chronisch. Je länger der Schmerz anhält, umso schlimmer wird er, obwohl sich an seiner Ursache nichts geändert hat. Das Nervensystem reagiert immer sensibler.
Welche Muskeln sind am meisten betroffen?
Auf ständigen Stress und Fehlbelastung reagieren besonders drei Muskeln: Der Schulterblattheber, der Trapezmuskel sowie der Obergrätenmuskel. Der Schulterblattheber ist mit den Nerven im Hinterkopf verbunden. Deshalb führen Verspannungen am Schulterblatt zu Kopfschmerzen – eines der häufigsten Verspannungssymptome. Fast jeder Zweite ist davon mindestens einmal im Leben betroffen. Die Schmerzen können aber auch von den Nackenmuskeln ausgehen, was sich mittels einer Elektromyografie feststellen lässt.
Was tun gegen Verspannungen?
Bei starken Schmerzen brauchen Sie eine Physiotherapie. Gegen verspannte Muskeln können Sie gut selbst einschreiten, wenn die Schmerzen noch nicht zu groß sind. Bei minder schweren Problemen können Sie Bewegung in den Alltag einplanen, am besten Sie treiben regelmäßig, aber moderat Sport, verteilt über die ganze Woche und keinesfalls nur gelegentlich aber intensiv. Durch unregelmäßigen Hochleistungssport sorgen Sie vielmehr für neue Muskelverspannungen oder dafür, dass sich die bestehenden Beschwerden verschlimmern.
Entspannung im Büro
Sie können Entspannungstraining auch in die Büroarbeit einbauen, um bestehende Verspannungen zu lösen, oder um sie überhaupt nicht erst entstehen zu lassen.
- Halten Sie den Kopf gerade. Das ist zwar erst einmal ungewohnt, entspannt aber den Nacken.
- Machen Sie Pausen. Wenn Sie lange am Computer arbeiten, nehmen Sie sich pro Stunde wenigstens fünf bis zehn Minuten, in denen Sie sich bewegen, den Hals drehen, die Arme und Beine schütteln, wenn möglich Treppen steigen oder zum Bäcker gehen.
- Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen, weder von der Aufgabe selbst, noch von den Vorgesetzten.
- Gehen Sie zu den Kollegen statt ihnen Mails zu schicken.
- Stellen Sie Schreibtisch, Arbeitsplatte und Laptop auf Augenhöhe. Dann bleibt der Rücken gerade.
- Ziehen Sie zwischendurch die Schultern hoch und lassen sie wieder fallen.
- Legen Sie sich regelmäßig ein Heizkissen oder eine Wärmflasche in den Nacken, das fördert die Durchblutung und entspannt die Muskeln.
- Machen Sie Krafttraining – wenn Sie bereits an Verspannungen leiden, gezielt für diese Muskeln.
Joggen, Schwimmen, Kanufahren und Tanzen
Joggen fördert die Durchblutung und Entspannung der Nackenmuskeln sie. Laufen Sie locker, ohne sich stark anzustrengen. Schwimmen beugt Muskelverspannungen im Nacken, Rücken und an den Schultern besonders gut vor. Die Muskeln werden gefordert, zugleich aber auch geschont, weil schnelle Bewegungen unter Wasser kaum möglich sind. Kanufahren ist der beste Ausgleich für Computerarbeit. Die gleichmäßigen Bewegungen mit den Paddeln beanspruchen die Muskeln in Armen, Schultern, Brust und Rücken gleichermaßen. Für Tanzen ist eine gerade Körperhaltung elementar – bestens geeignet, um Verspannungen vorzubeugen. Sie erheben ihren Kopf, strecken den Hals und den ganzen Körper.
Massagen
Massagen können bestehende Verspannungen lösen. Auch die Anwendung von Wärme unterstützt die Lockerung der verspannten Körperstellen.
Weitere Methoden zur Behandlung und Prävention
- Kneipp-Kuren mit warmen oder kalten Güssen sorgen für eine gute Durchblutung.
- Meditationstechniken wie die Progressive Muskelrelaxation lösen Stress.
- Ergonomische Stühle mit federnder Rückenlehne entlasten den Rücken.
- Yoga sorgt ebenfalls für eine gute Durchblutung der Muskeln.
(Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- M. Burnus, V. Steinhardt, V. Benner: Zusammenhang von Stressbefinden und Muskelverspannung am Bildschirmarbeitsplatz, Zeitschrift Prävention und Gesundheitsförderung, Ausgabe 3/2012
- Stephen D. Silberstein: Spannungskopfschmerz, MSD Manual, (Abruf 08.08.2019), MSD
- Lyall A. J. Higginson: Gliederschmerzen, MSD Manual, (Abruf 08.08.2019), MSD
- A. Bayas, R. Gold: Diagnostische Prinzipien bei Muskelerkrankungen, Fortschritte der Neurologie · Psychiatrie, (Abruf 08.08.2019), Researchgate
- D. Heuß et al.: Diagnostik und Differenzialdiagnose bei Myalgien, Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN), (Abruf 08.08.2019), DGN
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.