Vitamin B12-Mangel ist in aller Munde, diverse Firmen preisen Nahrungsergänzungsmittel mit dem Vitamin an, aber was bedeutet ein Mangel überhaupt für unsere Gesundheit? Wozu braucht der Organismus diese chemische Substanz? Welche Bevölkerungsgruppen riskieren eine Unterversorgung?
Inhaltsverzeichnis
Eine Übersicht
- Vitamin B12 spielt eine erhebliche Rolle beim Teilen von Zellen, bei der Blutbildung und für das Funktionieren des Nervensystems.
- Im Gegensatz zu dem, was uns Werbung für Vitamin-B12-Präparate suggeriert, ist ein Mangel eher selten, da die meisten Menschen in Deutschland ausreichend mit dem Stoff versorgt sind.
- Gesunde Menschen brauchen für gewöhnlich keine Nahrungsergänzungsmittel mit dem Vitamin.
- Da Vitamin B12 verstärkt in tierischen Produkten enthalten ist, bilden Veganer hierbei eine Ausnahme, weil sie sich zusätzlich Vitamin B12 zuführen müssen, um gesund zu bleiben.
Wozu brauchen wir das Vitamin?
Vitamin B12 bezeichnet chemische Verbindungen mit Cobalaminen und ist meist an Proteine gebunden. Zwar benötigen wir diese chemischen Verbindungen nur in einer verschwindend geringen Menge, jedoch wirken sie in diversen Prozessen des Organismus mit. Dazu gehören:
- die DNA-Synthese,
- die Bildung von Blut und Zellen,
- die Bereitstellung von Folsäure,
- der Energiehaushalt der Zellen,
- der Fettstoffwechsel und
- die Funktionen der Nerven.
Darüber hinaus beeinflusst das Vitamin auch noch die Produktion von Hormonen und Neurotransmittern.
Wo findet sich Vitamin B12?
Das Vitamin findet man in tierischen Lebensmitteln wie Fleisch, Eiern, Fisch und in sämtlichen Milchprodukten. Geringe Mengen sind auch in wenigen pflanzlichen Produkten wie Sauerkraut enthalten, jedoch reichen diese nicht aus, um den Körper mit dem Stoff zu versorgen. Bei einer durchschnittlichen Mischernährung in Deutschland, auch bei einer ovo-lakto-vegetarischen Ernährung mit Milch, Eiern und Käse, nehmen wir mehr von dem Vitamin zu uns, als notwendig ist.
Wie kommt es zu einem Mangel?
Unser Körper stellt das Vitamin nicht selbst her, sodass wir es uns mit der Nahrung zuführen müssen. Im Magen wird es freigesetzt und an Proteine gebunden, welche es anschließend transportieren. Daraufhin nimmt der Körper es über die Darmschleimhaut auf, während die Leber den Stoff speichert.
Zu einem Mangel kommt es, weil die Betroffenen entweder nicht genug Vitamin B12 zu sich nehmen, oder der Körper es nicht verwerten kann, was oft bei Erkrankungen im Darm der Fall ist. Ist die Schleimhaut der Verdauungsorgane geschädigt, beispielsweise durch Morbus Crohn oder eine Magenschleimhautentzündung, kann sie das Vitamin oftmals nicht transportieren. Eine andere Störung des Vitaminhaushaltes kommt durch einen Mangel an Magensäure zustande, welcher meist durch Protonenpumpenhemmer ausgelöst wird. In diesem Fall kann das Vitamin nicht mehr aus der Nahrung freigesetzt und an Eiweiße gebunden werden.
Anders als in den Industrieländern, nahmen (und nehmen) die Menschen in vormodernen Gesellschaften und Entwicklungsländern viel weniger bzw. zu wenig des Vitamins durch Fleisch auf. Jedoch hat der Mangel selten ein Ausmaß angenommen, wie es bei anderen pathologischen Vitaminmängeln (Skorbut oder Rachitis) der Fall ist, da das Landvolk in der Regel stets einen Zugang zu Milch und Milchprodukten hatte (und hat).
Wie zeigt sich ein Mangel
Vitaminmangel führt zu Blutarmut (megaloblastärer Anämie), welche wiederum zu Blässe und Erschöpfung führt. Weitere Symptome können ein Brennen auf der Zunge, Taubheitsgefühle, ein unsicherer Gang und Verwirrtheit (psychische Verwirrung) sein.
Die Blutarmut bedingt eine verminderte Anzahl von Blutplättchen, was eine Verringerung der weißen Blutkörperchen zur Folge hat. Das bedeutet eine höhere Anfälligkeit für Infekte, da das körpereigene Abwehrsystem schwächelt.
Der unsichere Gang hat seine Ursache in Dysfunktionen des Nervensystems, ebenso die psychische Verwirrung und das Kribbeln in den Gliedern. Hält der Vitaminmangel an, können sogar Lähmungen auftreten.
Ein Mangel wirkt sich auf die Botenstoffe und Nerven aus, deshalb können auch psychische Erkrankungen langfristige Auswirkungen eines Vitaminmangels sein: Depressionen, Demenz, Angststörungen, Psychosen und Halluzinationen sind möglich.
Das Problem dabei ist, dass keines dieser Symptome spezifisch ist. Sie alle können gänzlich andere Ursachen als einen Mangel haben. Blutarmut könnte zum Beispiel Folge von Eisenmangel sein, Nervenstörungen kann eine Nervenerkrankung zugrunde liegen etc. – deswegen sollten Sie nicht auf die Idee kommen, eine eigenständige Diagnose durchzuführen. Dies ist eine Angelegenheit für Ärztinnen und Ärzte.
Wann zeigen sich die Symptome?
Der Vitaminmangel entwickelt sich langfristig. Die Leber eines gesunden Menschen speichert den Stoff für gewöhnlich in einer Menge, die den Bedarf für drei Jahre deckt. Veganer sollten also aufpassen: Sie können sich jahrelang vegan ernähren, ohne das sich Mangelsymptome zeigen, obwohl sie nicht für eine ausreichende Zufuhr des Vitamins sorgen. Das bedeutet jedoch lediglich, dass die Leber von ihren Vorräten zehrt. Die „harmlosen“ Symptome wie Müdigkeit treten bereits auf, während sich der Speicher in der Leber leert.
Gibt es eine Überdosierung?
Bei vielen Vitaminen ist nicht nur ein Mangel problematisch, denn auch eine Überdosierung kann ebenso schädlich sein. Bei einem Vitamin-B12-Überschuss gibt es keinen Hinweis auf solche Schäden, da der Körper unverbrauchtes B12 ausscheidet. Sollten Sie also nicht an einer akuten B12 Unterversorgung leiden, können Sie das Vitamin dennoch ohne Bedenken zu sich nehmen – sie schaden damit lediglich Ihrem Geldbeutel, weil Sie für ein überflüssiges Produkt bezahlen.
Fragen Sie den Arzt oder die Ärztin
Beim Verdacht auf einen B12-Mangel befragen Sie einen Arzt oder eine Ärztin. Schwangere haben einen erhöhten Bedarf an Vitamin B12, welchen sie über den Konsum von Fleisch, Eiern und Milchprodukten decken können. Fragen Sie ihren Gynäkologen oder ihre Gynäkologin, ob Nahrungsergänzungsmittel eine Option sind.
Bei chronischen Darmerkrankungen sollten Sie ausdrücklich auf ihren B12-Haushalt achten und mit Ihrem zuständigen Facharzt über Möglichkeiten reden, diesen in Gang zu bringen. Wenn die Darmschleimhäute das Vitamin nicht transportieren, sind zusätzliche Vitaminpräparate nicht sinnvoll, da Sie ja ausreichende Mengen des Stoffes im Körper haben. Dies gilt auch für einen Mangel an Magensäure.
Diagnose
Befragt Sie der Arzt oder die Ärztin zu Ihrer Ernährung und/oder chronischen Krankheiten und besteht der Verdacht auf einen Mangel, lässt sich dieser mit mehreren Tests nachweisen.
Der Serum-Test zeigt die Gesamtmenge von B12 im Blut. Jedoch gilt er als ungenau, da er auch Verbindungen misst, welche dem Vitamin lediglich ähneln. Sicherer ist der Holo-Transcobalamin-Test, denn dieser misst das verwertbare Vitamin B12, welches vom Transcobalamin transportiert wird. Auch ein Test der Methylmalonsäure in Blut oder Urin gilt als sicher, denn diese Säure ist ein Beiprodukt des Vitamin-B12-Haushalts. Je geringer der Wert, desto höher der Mangel.
Vorsorgeuntersuchung
Wenn Sie weder Veganer sind, noch an den „typischen Verdächtigen“ leiden, also an Erkrankungen des Darms, Magens oder der Bauchspeicheldrüse, besteht kein Risiko für einen Vitamin B12 Mangel. Essen Sie im Zweifelsfall einfach mehr Fleisch, Leber oder Eier. Ein Test lässt sich einfach bei ihrem Hausarzt bzw. ihrer Hausärztin machen.
Behandlung
Ein Mangel des Vitamins lässt sich mit einer Vielzahl von Präparaten behandeln. Ob sich die Steigerung der Zufuhr über Nahrungsergänzungsmittel oder Medikamente eignet, entscheidet der Arzt oder die Ärztin nach der Diagnose.
Vorsicht mit Werbeversprechen
Wenn Sie einen tatsächlichen Mangel haben, ist Vorsicht bei Nahrungsergänzungsmitteln auf „Chlorella-Basis“ geboten. Diese werden als Bio-Alternative zu Cyanocobalamin angepriesen, enthalten aber nur Vitamin B12-Analoga, die nicht wie Vitamine wirken. Die Basis für Vitamin-B12-Produkte ist meist von Mikroorganismen wie Propionibakterien gebildetes Cyanocobalamin.
Die Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln haben natürlich ein finanzielles Interesse und wollen ihre Mittel selbstverständlich verkaufen. Da es sich bei den besagten Ergänzungsmitteln nicht um Arzneimittel handelt, dürfen sie nicht als Heilstoffe für Krankheiten angepriesen werden. Bei Vitamin B12 werden zum Beispiel oft werbewirksame Sätze wie „trägt zum Energiestoffwechsel bei“ oder „spielt eine Rolle beim Funktionieren des Nervensystems“ etc. beigefügt. Das ist nicht falsch, aber wenn die Suggestionen auch unterschwellig in die Richtung gehen, dass ein gesunder Mensch diese Präparate braucht bzw. sie zusätzlich sein „Wohlbefinden“ fördern, ist es schlichtweg falsch. Schmeißen Sie Ihr Geld nicht zum Fenster hinaus. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Hans Konrad Biesalski, Stephan Bischoff, Matthias Pirlich et al., Ernährungsmedizin, Nach dem Curriculum Ernährungsmedizin der Bundesärztekammer und der DGE, Thieme Verlag, 4. Auflage, 2010
- Larry E. Johnson, Ernährungsbedingte Störungen - Vitaminmangel, Abhängigkeit und Intoxikation - Vitamin B12, MSD Manual, (Abruf 25.06.2019), MSD
- Uwe Gröber: Arzneimittel und Mikronährstoffe: Medikationsorientierte Supplementierung, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 4. Auflage, 2018
- Bruce H.R. Wolffenbuttel, M. Rebecca Heiner Fokkema, Hanneke J.C.M. Wouters, Melanie M. van der Klauw: The Many Faces of Cobalamin (Vitamin B12) Deficiency, Mayo Clinic Proceedings: Innovations, Quality & Outcomes, (Abruf 25.06.2019), MAYO
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.