Abnehmen von Gliedmaßen
Amputation bedeutet, einen Körperteil künstlich vom Körper abzutrennen, meist chirurgisch, um das Leben eines Menschen zu retten, oder wenn der abgetrennte Teil nicht ausheilen kann, oder als Strafe.
Inhaltsverzeichnis
Ursprünge in der Steinzeit
Amputationen gehören zu den frühesten medizinischen Maßnahmen, die wir kennen, und bereits die Menschen der Steinzeit trennten Körperteile ab – vor 10.000 Jahren.
In den Hochkulturen des Nahen Ostens und im Alten Testament war das Abschlagen der Hand die Strafe für Diebstahl, das belegt, dass Amputationen auch hier verbreitet waren.
Cornelius Celsus (50 v. Chr. Bis 50 n. Chr.) erörterte Wegschneiden als medizinische Methode: „Wir führen daher mit einem Messer einen Schnitt bis auf den Knochen zwischen dem gesunden und dem kranken Gewebe (…) wobei zu achten ist, dass eher ein Stück gesundes Gewebe mit weggeschnitten wird, als dass ein Stück krankes Gewebe stehen bleibt.“
Die griechisch-römischen Ärzte kannten verschiedene Behandlungen, um die Amputationswunde zu heilen. So hielt es der Wundarzt Archigenes für richtig, das Glied vor der Amputation abzuschnüren und danach mit einem Brenneisen auszuglühen.
Die Gelehrten stritten darum, ob nur der kranke oder auch der gesunde Teil des Gliedes abgetrennt werden sollte. In der Praxis amputierten die Römer aber fast ausschließlich den kranken Abschnitt, und das führte vermutlich dazu, dass sich die Wunde infizierte.
Außerdem setzten die Völker der Antike bereits Prothesen ein. So zeigt die Scherbe einer Vase aus dem Italien des 4. Jh v. Chr einen Menschen mit amputierten Unterschenkel, der eine Prothese aus Holz trägt, und Herodot schrieb bereits ein Jahrhundert zuvor von einem Holzfuß. Plinius berichtet dann im 3. Jh v. Chr von einem Soldaten, der eine Hand aus Eisen trug.
Feuerwaffen und tödliche Entzündungen
Im Mittelalter gab es reichlich Gründe, Körperteile zu amputieren. Leprakranken verfaulten Körperteile bei lebendigem Leib, Hundebisse entzündeten sich, Wundbrand war in den Kriegen allgegenwärtig.
Die Ärzte im Deutschland kannten bis in die frühe Neuzeit die Diskussion der Antike nicht und schnitten nur das brandige Gewebe weg. Als Instrumente dienten lediglich Messer, Amputationssäge, Zangen und Stemmeisen. Keiner wusste um die Gefahr durch Viren oder Bakterien, und die mit Keimen verseuchten Werkzeuge trieben die Patienten erst recht in Richtung Exitus. Die Wunde verschlossen die Ärzte mit einem Brandeisen. Die Hitze schloss zwar die Gefäße, konnte aber neue Verletzungen und Entzündungen herbei führen.
Fachleute für Amputationen und ihre Behandlung wurden die Scharfrichter. Henker hatten nicht nur die Aufgabe, Strafen wie das Abschlagen der Hand durchzuführen. Solche heute barbarisch anmutenden Verstümmelungen verliefen nicht willkürlich, sondern ein Verbrechen galt als Störung der von Gott gewollten Ordnung: Die Strafe galt nicht dem Individuum, sondern sollte die göttliche Ordnung wieder herstellen.
Deshalb musste der Scharfrichter die Strafe nach einem genau festgelegten Ritual ausführen. Amputierte er also eine Gliedmaße, die Wunde entzündete sich und der Delinquent starb, hatte der Scharfrichter einen Frevel begangen, den er kaum wieder gutmachen konnten.
Henker waren auch mit die einzigen, die über die menschliche Anatomie Bescheid wussten. Den gelehrten Ärzten war das Sezieren von Leichen verboten und galt als Blasphemie. Die Scharfrichter jedoch zerschnitten Leichen und verkauften die daraus gewonnene „magische Medizin“, und sie mussten, wenn sie Daumenschrauben anlegten, Knochen ausrenkten oder Gewichte auf den Brustkörper legten, ganz genau wissen, wie sich diese Folter auf den Körper auswirkte.
Die Erfindung der Feuerwaffen vermehrte die Notwendigkeit von Amputationen in hohem Ausmaß. Hans von Gersdorff schrieb 1517, wie die Amputationen der frühen Neuzeit abliefen. Die Betroffenen setzten sich hin, sie bekamen lediglich Opium und Bilsenkraut zur Betäubung. War das Glied abgetrennt, zog der Arzt die Blase eines Rindes oder Schweines über den Stumpf.
Außer bei Kriegsverletzten amputierten die Mediziner meist erst, wenn der Wundbrand bereits ausgebrochen war oder die Wunde sich infiziert hatte. Die meisten Menschen, die sich einer Amputation unterzogen, starben während oder nach der Operation, am Blutverlust oder der brändigen Wunde.
Erst der Wundarzt Ambroise Paré verhinderte das Verbluten, indem er die Blutgefäße mit dreieckigen Nadeln blockierte. Der Schweizer Arzt Fabricius Hildanus forderte zudem richtig, im gesunden Gewebe zu amputieren und den Stumpf mit Leinen zu versiegeln. Der Engländer Lowdham setzte statt Stoff einen Fleischlappen ein.
Götz von Berlichingen (1480 – 1562) überlebte 1504 nicht nur den Verlust seiner Hand, sondern er ließ sich auch eine raffinierte Prothese aus Eisen erstellen. Deren Finger fixierten Zahnrädchen. Der Raubritter konnte die Eisenhand sogar so einstellen, dass sie sein Schwert fasste.
Moderne Kriegschirurgie
Die Guillotine ersetzte in der Französischen Revolution die mittelalterlichen Verstümmelungs- und Todesstrafen wie Rädern, Vierteilen oder Hände abzuschlagen. Während Amputationen als Strafe in Europa also keine Rolle mehr spielten, wurde sie im modernen Materialkrieg eine der wesentlichen Praktiken der Medizin.
Kanonen und Schrapnellgeschosse zerfetzten die Körper, ganz oder halb abgetrennte Arme und Beine, Hände, Füße und Gesichter waren das grausige Antlitz der modernen Zeit, in der Massen gegen Massen marschierten.
So war es kein Zufall, dass die Ärzte auf den Schlachtfeldern die Amputation weiter entwickelten. Maßgeblich war der oberste Feldarzt Napoleons, Dominique Jean Larrey (1766-1842). Er operierte nämlich direkt vor Ort, bevor die Infektion einsetzte.
Robert Liston (1794-1847) entwickelte Messer, die mit einem Schnitt Haut, Sehnen und Muskeln bis zum Knochen durchtrennten, der Chirug schnitt mit einem Mal um das ganze Glied herum. Liston setzte auch Narkose ein – statt Schnelligkeit.
In den beiden Weltkriegen machte die Entwicklung von Prothesen große Fortschritte. Ferdinand Sauerbruch (1875-1951) legte einen Hauttunnel durch den Oberarm und schob einen Elfenebinstift hindurch. Dieser hob sich, wenn der Muskel anspannte, und die Hand griff zu.
Seit den 1960er Jahren messen Elektroden elektrische Impulse des Armmuskels und geben diese an Motoren weiter, die die Finger bewegen. Heute lässt sich mit Handprothesen sogar fühlen.
Bei Beinprothesen ist es zum Teil möglich, die künstlichen Teile an die Nerven anzukoppeln.
Welche Amputationen gibt es?
Heute sind die Hauptursachen für Amputationen Störungen der Durchblutung, Verletzungen und Infektionen – vor allem Arteriosklerose. Der untere Teil der Beine ist am stärksten gefährdet.
Wir bezeichnen eine Amputation oberhalb der Knöchel als Majoramputation. Rechtlich gilt als solche aber bereits eine Vorfußamputation.
Minoramputationen sind Amputationen unterhalb des Knöchels, vor allem an den Zehen.
Planmäßige Amputationen erfolgen meist wegen der arteriellen Verschlusskrankheit, wenn Gewebsnekrosen eine Sepsis ankündigen und alle anderen Methoden versagen. Wo amputiert wird, ist abhängig von der Qualität der Durchblutung in den jeweiligen Körperteilen. Der Oberschenkel wird in der Regel eine Handbreit über dem Knie, der Unterschenkel eine handbreit darunter amputiert.
Sehr selten amputieren Ärzte heute bei Unfällen. Ziel ist es immer, die Gliedmaßen zu erhalten, und der heutige Stand der Technik ermöglicht es, selbst abgetrennte Teile von Gliedmaßen wieder zu reimplantieren. Ist der entsprechende Körperteil jedoch zerstört, können die Ärzte nur noch den Stumpf behandeln.
Unkontrollierte Infektionen von Wunden und offene Frakturen des Grades IV machen eine Amputation unumgänglich.
Auch bösartige Tumore erfordern noch heute bisweilen die Amputation einer Gliedmaße, in der Regel bei Knochen- oder Weichteilkrebs.
Wie verläuft eine Amputation?
Eine planmäßige Amputation ist vor allem so angelegt, dass der Stumpf sich gut versorgen lässt. Der Knochen muss dafür mit Weichteilen bedeckt sein, und der Hautschnitt liegt unterhalb der Amputation am Knochen – Ärzte sprechen vom Froschmaulschnitt. Ist der Knochen durchtrennt, glättet der Chirug die Knochenkanten. Die Muskeln umgeben dann den Knochenstumpf, und der Mediziner verbindet die Muskeln.
Danach geht es darum, Infektionen zu vermeiden. Verschlusskrankheit und Diabetes, die beiden wichtigsten Gründe für Amputationen, führen häufig zu Problemen beim Heilen der Wunde.
Den Stumpf fixiert der Arzt mit einer besonderen Bandage. Heilt die Wunde, legt der Mediziner eine elastische Hülle an, und über dieser bringt er später den Prothesenschaft an.
Die Krukenberg-Greifzange setzt Speiche und Elle zum Greifen ein. Bei Amputationen am Unterarm „ersetzen“ diese Knochen notdürftig die Hand.
Spezielle Amputationen
Bei der Pirogoff-Amputation wird der Fuß amputiert, das Fersenbein und Teile der Fußsogle bleiben aber erhalten.
Die Gritti-Stokes-Amputation ist eine Amputation am Oberschenkel in unmittelbarer Nähe des Kniegelenkes. Die Kniescheibe bleibt dabei erhalten, der Chirug drückt sie unter den Stumpf fxiert sie dort und vernäht die Kniescheibensehne mit den Kniebeugesehnen. Der Stumpf wird dadurch lang und elastisch.
Notamputationen
Notärzte müssen bisweilen direkt am Unfallort amputieren, vor allem bei Verschüttungen, wenn keine technische Rettung in Sicht ist, die Betroffenen Gliedmaßen eingeklemmt haben und in Lebensgefahr schweben.
Der Notarzt sorgt dafür, dass die Lebensfunktionen erhalten bleiben, legt den Betroffenen also zum Beispiel in die Seitenlage, beatmet oder wiederbelebt ihn, wenn die Situation es erfordert.
Den abgetrennten Körperteil bewahrt er sorgfältig in keimfreiem Material auf. Wenn möglich, wird das Amputat kühl transportiert, um es in der Form zu halten, die es beim Unfall hatte. Dazu kommt es in einen Plastikbeutel, und dieser kommt in einen weiteren Beutel, in dem sich Eis befindet. Das Eis darf aber nicht mit dem Gewebe in Berührung kommen, um Erfrierungen zu vermeiden.
Amputation als Strafe
Heute gibt es Wegschneiden von Gliedmaßen als Strafe nur noch unter islamischer Herrschaft. Nach der Sure 5:38 des Koran soll Dieben die Hand, nach Sure 5:33 für Straßenraub und den Kampf gegen die Gesandten Gottes Hand und Fuß kreuzweise abgeschnitten werden. Im historischen Islam verhängten Richter beide Strafen nur selten, und an der Wende zum 20. Jh schafften fast alle Staaten diese Strafen ab.
Unuterbrochen hielten sich die Amputationen nur in Saudi-Arabien unter der Herrschaft der Wahhabiten. Der Siegeszug der Islamisten seit 1972 brachte in Libyen, Pakistan, Iran, Sudan und Teilen Nigerias das Abschlagen von Händen und Füßen in den Strafvollzug zurück; im Sudan kam es allein zwischen 1983 und 1985 zu 120 Amputationen. Die Praxis hält bis heute an. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.