Je gesünder das Mikrobiom im Darm (die Darmflora) ist, desto geringer ist das Risiko für zahlreiche akute oder chronische Krankheiten. Neueste Studien zeigen immer wieder, dass die Mikroorganismen im Darm einen weitreichenden Einfluss auf unsere komplette Gesundheit haben.
Inhaltsverzeichnis
Darmflora
Kommt ein Kind zur Welt, so ist der Darm des Neugeborenen noch steril. Doch im Laufe der ersten beiden Lebensjahre lassen sich dort, bedingt durch die Nahrungsaufnahme, 100 bis 400 verschiedene Bakterienarten nieder.
Bereits bei der vaginalen Geburt nimmt der Säugling Bakterien der Mutter über den Mund auf. Diese ersten Bakterien siedeln sich im Darm an.
Eine wissenschaftlicher Publikation zeigte Ende der neunziger Jahre, dass Escherichia coli zuerst den Magen-Darm-Trakt des Neugeborenen besiedelt. Danach folgen in den ersten Tagen nach der Geburt Bifidobakterien, Bacteroides und Clostridium.
Diese sogenannte Darmflora wird auch als Mikrobiom bezeichnet, da verschiedenste Bakterien zusammenleben. Die Darmflora ist die Ganzheit der im Dickdarm lebenden Bakterien, sie sich im Laufe des Lebens stark verändern kann.
Die im Darm ansässigen, physiologischen (nützlichen) Darmbakterien leben in einer Symbiose mit dem Wirt, also mit dem Menschen. Das bedeutet, beide Seiten profitieren voneinander und brauchen sich gegenseitig.
Die Darmbakterien leben vom Darminhalt des Menschen und übernehmen dabei lebenswichtige Aufgaben für ihn. Sie bilden eine Barriere, um das Niederlassen pathogener (krankmachender) Keime zu verhindern.
Die Zellwandstrukturen der „guten“ Darmbakterien können eine Entzündungsreaktion verursachen. Das wiederum führt dazu, dass das darmspezifische Immunsystem aktiviert und dadurch der Körper zur Abwehr angeregt wird.
Die „guten“ Darmkeime führen eine Art „körpereigenes Recycling“ durch, indem sie verwendete Gallensalze und Sexualhormone dem Organismus zurückgeben. Die physiologischen Darmbakterien besitzen ihren eigenen Stoffwechsel, bei dem sie Vitamine wie Vitamin K, B2 und B12, Folsäure und Biotin selbst herstellen.
Etwa drei Viertel aller Körperzellen, die mit der Abwehr beschäftigt sind und Abwehrstoffe bilden, sind im Darm beheimatet und in den Darmfalten angesiedelt. So befinden sich in den Darmwänden mehr weiße Blutkörperchen als in der Blutbahn.
Diese Zellen produzieren ständig Antikörper gegen Eindringlinge. Der Darm schickt Abwehrzellen in die Blutbahn und warnt andere Organe vor den fremden Stoffen.
Eine gesunde Darmflora verhindert, dass sich schädliche Keime einnisten, die zu Störungen des Immunsystems führen können. Normalerweise verfügt der Körper über ein hervorragendes Selbstregulationssystem, welches vor allem bei kurzfristigen Belastungen schnell reagiert.
Dauern negative Einflüsse allerdings über längere Zeit an, kann das zu einer Verdrängung der gesunden Darmbakterien führen. Pathogene Keime können sich immer weiter ausbreiten und die nützlichen Darmbakterien verdrängen.
Folgen einer Einnahme von Antibiotika für den Darm äußern sind häufig in Durchfall und in einem unruhigen Verdauungssystem. Antibiotika töten zwar die unerwünschten Bakterien in unserem Körper ab, ebenso aber werden die gutartigen und notwendigen Darmbakterien beseitigt.
Auch können andere Medikamente das Mikrobiom im Darm nachhaltig beeinträchtigen. Mitunter muss das Mikrobiom daher neu aufgebaut werden, denn eine gesunde Darmflora ist wichtig für unseren Körper.
Die Darmflora ist generell nicht bei jedem Menschen gleich. Die Zusammensetzung der im Darm angesiedelten Bakterien ist sehr unterschiedlich.
Sie ändert sich mit der Nahrung und auch im Laufe des Lebens, vor allem im Alter. Bei Menschen, die sich vegetarisch oder vegan ernähren, und solchen, die viel tierisches Eiweiß essen, macht sich dieses an der Darmflora bemerkbar.
Aufgaben des Mikrobioms
Der Darm besitzt eine riesige Oberfläche. Diese beträgt circa 200 bis 300 Quadratmeter und stellt damit die größte Kontaktfläche des Körpers dar. Diese Oberfläche entsteht durch die vielen Darmfalten der Darmwand. Im Vergleich dazu beträgt die Hautoberfläche nur etwa zwei Quadratmeter.
Im Darm befindet sich das sogenannte darmassoziierte Immunsystem, dessen Entwicklung gleich nach der Geburt beginnt. Bestimmte Zellen im Darm sind in der Lage, Eindringlinge zu binden und diese dem lymphatischen Gewebe im Darm zu präsentieren.
Daraufhin werden dort sogenannte B- und T-Zellen zur Abwehr erstellt. Der Darm lernt immer mehr dazu, das heißt, er merkt sich eindringende Fremdstoffe, erkennt diese wieder und kann deshalb schnell zur Abwehr aufrufen.
Diese Mechanismen arbeiten mit dem gesamten Körper zusammen. Die gesunde Darmflora ist ungeheuer wichtig für die Entwicklung eines intakten Immunsystems. Funktioniert die Abwehr im Darm nicht mehr richtig, kann die Funktion des Immunsystems nicht aufrechterhalten werden.
Eine weitere Aufgabe der Darmbakterien ist der Abbau der Ballaststoffe. Durch die nützlichen Bakterien im Dickdarm werden diese aufgeschlüsselt. Daraus entstehen kurzkettige Fettsäuren, die sehr energiereich sind.
Menschen, die unter einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung leiden, haben einen Mangel an diesen Fettsäuren. Dadurch wird die Nährstoffaufnahme behindert und die Neigung zu Verstopfung nimmt zu.
Um rundum gesund zu sein und dies auch zu bleiben, ist eine positive Vielfalt der Darmbakterien äußerst wichtig. Hierbei spielt eine ausgewogene, basische Ernährung eine große Rolle.
Physiologische Darmbakterien
Im Mund und in der Speiseröhre befinden sich vor allem Nahrungskeime. Magen und Dünndarm sind dabei relativ keimarm.
Als physiologische Bakterien sind vor allem Laktobazillen, Streptokokken, Enterokokken und verschiedene Bacteroides-Arten zu finden. In den unteren Darmabschnitten leben die gleichen Bakterienarten, jedoch in anderer Zusammensetzung und Menge.
Die ersten Bakterien, die sich im Darm niederlassen, sind Escherichia coli. Von den Bifidobakterien und Bacteroides sind am meisten vorhanden.
Die nächst größere Anzahl stellen die Enterobakterien, Enterokokken und Laktobazillen dar. Hinzu kommen noch Clostridien, Fusobakterien und Veillonellen.
Pathogene Darmbakterien
Zu den pathogenen Darmbakterien, das heißt potenziell krankmachenden Bakterien, gehören zum Beispiel Salmonellen, Shigellen, Enterohämorrhagische Escherichia coli (EHEC) und Yersinia enterocolitica. Diese Erreger können beispielsweise eine Magen-Darm-Grippe hervorrufen.
Halten Beschwerden wie Durchfall und Bauchschmerzen nur wenige Tage an, kann der Körper den Infekt auch selbst bekämpfen. Dauern Beschwerden im Magen-Darm-Trakt allerdings über einen längeren Zeitraum an, sollte ärztliche Hilfe gesucht werden.
In der ärztlichen Praxis beziehungsweise im Labor wird dann gegebenenfalls eine Stuhlprobe näher untersucht. So kann die genaue Art der Keime bestimmt werden.
Störungen der Darmflora
Bereits Hippokrates war der Meinung: Alle Krankheiten beginnen im Darm. Viele chronische Erkrankungen sind mit Störungen der Darmflora verbunden und entstehen bereits im Kindesalter.
Infektionen, ausgelöst durch Erreger aus der Gattung der Streptokokken, Staphylokokken, Pilze und Amöben, können die Zusammensetzung der Darmbakterien ins Ungleichgewicht bringen. Auch eine ungesunde Ernährung kann dazu beitragen, dass die Darmflora gestört ist.
Zu viel Eiweiß und Fett in der Ernährung fördern das Entstehen von Fäulnisbakterien und behindern somit die nützlichen Milchsäurebakterien. Durch die Gärung entstehen Toxine, welche die Darmwand durchdringen können und dann in den Organismus gelangen.
Zuckerhaltige Lebensmittel machen pathogenen Darmpilzen die Bahn frei zur Besiedelung. Auch verschiedene Erkrankungen wie Autoimmunerkrankungen, Übergewicht und rheumatische Erkrankungen können ein Ungleichgewicht des Mikrobioms begünstigen.
Weiterhin können verschiedene Medikamente physiologische Mikroorganismen im Darm vernichten. Dazu gehören Antibiotika, Glucocorticoide und die Anti-Baby-Pille.
Durch sie wird den pathologischen Keimen die Tür geöffnet, sich im Darm festzusetzen. Umweltschadstoffe wie zum Beispiel Cadmium und Blei behindern das Wachstum der physiologischen Darmbakterien.
Fehlen dem Körper Gallensäure, Magensäue oder Pankreasenzyme (Enzyme der Bauchspeicheldrüse), so verändert sich das Nährstoffangebot für die nützlichen Mikroorganismen. Daraus kann ebenfalls ein Ungleichgewicht entstehen.
In der Naturheilkunde gilt eine solche Störung der Darmflora als Ursache einer Vielzahl von Erkrankungen. Halten die Beschwerden schon längere Zeit an, so ist eventuell eine komplette Darmsanierung notwendig.
Wie Sie Ihre Darmflora stärken und eine geschwächte Darmflora wieder aufbauen können, erfahren Sie in unserem Artikel Darmflora aufbauen: So gehts.
Symptome einer gestörten Darmflora
Bei einer aus dem Gleichgewicht geratenen Darmflora kann die Abwehr im Darm nicht mehr richtig aufrechterhalten werden. Es kann zu einer vermehrten Ansiedlung von Pilzen oder Krankheitserregern wie Viren kommen.
Daraus können verschiedene Beschwerden entstehen, zum Beispiel:
- Blähungen,
- Bauchschmerzen,
- Durchfall,
- Verstopfung,
- wiederkehrende Verdauungsstörungen,
- Nahrungsmittelunverträglichkeiten,
- chronische Müdigkeit,
- Kopfschmerzen,
- Pilzinfektionen des Darms.
Dysbiose
Die Dysbiose beschreibt ein Ungleichgewicht zwischen den verschiedenen Arten der Mikroorganismen, die den Darm besiedeln. Hierbei werden die nützlichen Darmbakterien geschädigt, wodurch sich die pathologischen Keime besser ausbreiten können.
Verschiedenste Symptome können einen Hinweis auf eine Dysbiose darstellen. Dazu gehören unter anderem Blähungen, Bauchschmerzen, Durchfall, Verstopfung, wiederkehrende Magen-Darm-Störungen, Nahrungsmittelunverträglichkeiten, ständige Müdigkeit oder Kopfschmerzen.
Die Fremdkeime sind in der Lage, Toxine (Giftstoffe) auszuscheiden. Die Toxine führen dann nicht nur vor Ort – also im Darm – zu Schäden, sondern können auch auf andere Bereiche negative Auswirkungen haben.
Dadurch leidet in erster Linie das Immunsystem, was zu häufigen und wiederkehrenden Infekten führen kann. Aber auch innere Organe, wie zum Beispiel die Nieren, werden mitunter in Mitleidenschaft gezogen.
Das Entstehen von Darmmykosen (Pilzinfektionen des Darms) wird durch eine gestörte Darmflora begünstigt, die Neigung zu Durchfällen und/oder Verstopfungen nimmt zu. Auch können sich krebsfördernde Stoffe entwickeln.
Wenn zu viele Schadstoffe in den Organismus gelangen, „verschlackt“ das Gewebe. Das bedeutet, dass sich „Schlacken“, also verschiedene Rückstände, dort ablagern.
Hinweis: Die „Verschlackung“ des Körpers ist eine Annahme aus der Naturheilkunde, die bislang wissenschaftlich nicht nachgewiesen wurde. Die Schulmedizin teilt die Sicht einer möglichen „Verschlackung“ des Körpers nicht.
Besteht solch ein Ungleichgewicht schon länger oder ist dieses sehr ausgeprägt, werden aus naturheilkundlicher Sicht über kurz oder lang die Entgiftungsorgane Leber und Nieren überfordert. Dadurch wird der Stoffwechsel geschwächt und auch die Abwehrkräfte werden in Mitleidenschaft gezogen.
Der Körper kann anfälliger für Allergien, Rheuma und Hautprobleme werden. Fällt der Verdacht auf eine Störung des Mikrobioms, so kann dies sehr gut und absolut schmerzfrei mit Hilfe einer Stuhluntersuchung überprüft werden.
Je nach Labor und Auswertungsmethode können hier die verschiedensten Mikroorganismen und Verdauungsrückstände in Menge und Ausprägung ermittelt werden. Das Ergebnis stellt die Basis für eine passende Therapie dar.
Was Sie tun können, um eine aus dem Gleichgewicht geratene Darmflora wieder aufzubauen, können Sie im Artikel Darmflora aufbauen: So gehts nachlesen.
Folgen einer Dysbiose
Eine Dysbiose kann zu verschiedenen psychischen Erkrankungen beitragen. Dies fasst eine wissenschaftliche Studie zusammen.
Insbesondere der Gastrointestinaltrakt kommuniziert mit dem zentralen Nervensystem über die sogenannte Darm-Hirn-Achse, um die neuronale Entwicklung und Aufrechterhaltung zu unterstützen. Wohingegen sich eine Darmdysbiose in einer neurologischen Erkrankung manifestieren kann.
Eine andere wissenschaftliche Studie stellte den Zusammenhang zwischen Adipositas und Dysbiose fest. Vergleiche der Darmmikrobiota genetisch fettleibiger Mäuse und ihrer schlanken Wurfgeschwister sowie fettleibiger und schlanker menschlicher Freiwilliger zeigten, dass Fettleibigkeit mit Veränderungen in der relativen Häufigkeit der beiden dominanten Bakterienabteilungen verbunden ist.
Forschende sehen auch bei den Krankheiten Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa einen deutlichen Zusammenhang zu einem Darmmikrobiom im Ungleichgewicht. Unklar bleibt laut einer wissenschaftlichen Publikation jedoch, ob die Veränderungen im Darmmikrobiom Ursache oder Folge der Erkrankung sind.
Autoimmunerkrankungen und Darmflora
Eine aktuelle internationale Studie mit 1152 Probandinnen und Probanden untersuchte Veränderungen des Darmmikrobioms. Daran nahmen 576 Betroffene mit Multipler Sklerose (MS) sowie gesunde Menschen teil.
Die Forschenden der sogenannten International Multiple Sclerosis Microbiome Study (iMSMS) konnten bei den an MS Erkrankten unter anderem einen signifikant erhöhten Anteil verschiedener Bakterien nachweisen. Dazu zählen Akkermansia muciniphila, Ruthenibacterium lactatiformans, Hungatella hathewayi und Eisenbergiella tayi.
Der Anteil anderer Arten wie Faecalibacterium prausnitzii und Blautia war hingegen bei MS reduziert. Die Ergebnisse der Studie deuten klar darauf hin, dass das Darmmikrobiom und das MS-Risiko, der Verlauf der Krankheit und ihr Fortschreiten zusammenhängen.
Einen klaren Zusammenhang stellte eine Studie zu Neurodermitis her. Säuglinge, die später daran erkrankten, wiesen im Alter von drei Wochen mehr Clostridien und weniger Bifidobakterien in ihrem Kot auf, als jene, die nicht erkrankten. Offenbar ist das Überwiegen von Bifidobakterien mit der Reifung der Immunfunktion verbunden. (vb,ls)