Heilgärten dienen der Gesundung. Sie mindern den Stress, sie fördern die Entspannung. Sie helfen kranken Menschen, sich zu regenerieren und ihre Psyche ebenso wie ihre Gefühlswelt zu heilen. Solche Gesundheitsgärten umgeben häufig Krankenhäuser, Seniorenheime und Einrichtigungen für Menschen mit Behinderungen wie psychischen Beschwerden.
Inhaltsverzeichnis
Die Gärten dienen dabei nicht als direkte Medizin, sondern unterstützen Therapien und mildern zudem Stress für die Betroffenen in einer Situation, die sie belastet. Wer wegen einer psychischen Störung in eine Psychiatrie eingewiesen wird, wer an einer schweren Krankheit leidet und deswegen in eine Klinik muss oder wer im Alter nicht mehr allein zurecht kommt und deshalb in ein Seniorenheim zieht, leidet meist unter Stress.
Dieser Stress bremst die Heilung gerade der Beschwerden, wegen denen die Betroffenen in der Einrichtung sind. Statt diesen Stress mit Medikamenten zu dämpfen, setzen viele Kliniken heute auf Heilgärten.
Die Heilgärten sind dabei für verschiedene Gruppen von Betroffenen angelegt: Demenzkranken zum Beispiel helfen nur leicht gewundere Pfade, weil sie die Orientierung verlieren. Die Gehwege sollten dunkel gehalten sein, um die alten Patient_innen nicht zu blenden. Blumen sollten die Erinnerung der Erkrankten an schöne Erlebnisse wecken. Für Demente dürfen sich zudem keine giftigen Pflanzen im Garten befinden, da sie oft Dinge in den Mund nehmen.
Heilgärten dienen nicht dazu, dass die Betroffenen eine „unerschlossene Wildnis“ erforschen. Sie sollen im Gegenteil Menschen ohne volle Lesitungsfähigkeit die Möglichkeit geben, sich zu bewegen, ohne sich übermäßig anzustrengen. Deshalb helfen ihnen einfache Wegenetze, Broschüren und Hinweisschilder, sich zurechtzufinden – mit genauen Angaben zu Entfernungen und Plätzen, am besten ergänzt mit dem körperlichen Schwierigkeitsgrad des jeweiligen Spaziergangs.
Besonderheiten
Damit ein solcher Garten die Gesundheit fördert, sollte er folgende Bedingungen erfüllen:
1) Über ein klares Design verfügen, dass verschiedene Sinne anspricht. Mehrdeutigkeiten, optische Täuschungen, verschlungene Wege oder abstrakte Gartenkunst sind hier fehl am Platz.
2) Der Zugang soll offen sichtlich und leicht erreichbar sein.
3) Die Wege sind einfach und nicht zu verfehlen.
4) Der Raum ist offen, um Begegnungen zu fördern und hilft so, sich mit anderen zu verständigen und gemeinsam etwas zu erleben.
5) Der Garten enthält gleichzeitig intime Orte, in denen Betroffe trauern können, sich entspannen, nachdenken oder private Gespräche führen. Das können Pavillons sein, von Hecken abgeschirmte Flächen mit Sitzbänken oder auch Baumgruppen an einem Ententeich.
6) Der Garten soll die Betroffenen inspirieren und trübe Gedanken aufbrechen, ihnen helfen, Idenn zu entwickeln und sich Ziele zu setzen. Dazu helfen Holz- und Steinskulpturen, Malereien aber auch Musik.
Gartentherapie
Therapiegärten helfen Menschen mit Einschränkungen. Solche Beschwerden können am Alter liegen wie bei Senioren, an Krankheiten, sowohl vorübergehenden wie chronischen, betroffen sich aber auch Menschen in akuten Lebenskrisen und mit psychischen Problemen.
Ein therapeutischer Garten ist nicht an eine spezifische Therapie gebunden, sollte aber an die Zielgruppe angepasst sein: Depressive haben andere Bedürfnisse als Menschen nach einer Herzoperation, Teenager mit Ess-Störungen erwarten Anderes als Senioren mit einer kaputten Hüfte.
Ein solcher Garten ist zuerst und vor allem ein Freiraum. Hier können sich die Betroffenen, denen ihre Beschwerden die selbstständige Bewegung in der Gesellschaft unmöglich machen, „sie selbst“ sein.
Was ein Freiraum ist, unterscheidet sich nicht nur bei den Individuen, sondern auch in den Zielgruppen: In einem Seniorenraum dient ein Therapiegarten dazu, sich aufzuhalten; bei Menschen in der Reha-Klinik sollte er Betroffenen ermöglichen, sich körperlich zu betätigen. Menschen mit psychischen Beschwerden hilft es, Verantwortung zu übernehmen, die Umwelt poistiv wahrzunehmen und im Garten Schritte in ein normales Leben zu unternehmen.
Arbeit in dem Garten einer psychiatrischen Einrichtung, einem Seniorenheim oder einer Klinik für Menschen mit körperlichen Behinderungen verspricht Erfolg, um den Betroffenen eine aktive Teilhabe an einem strukturierten Alltag zu ermöglichen.
Studien zeigen, dass Demenzkranke, die in Gärten arbeiten, deutlich mehr Interesse an ihrer Umwelt zeigen, häufiger lachen, aktiver sind und sich friedlicher verhalten als Betroffene ohne diese Möglichkeit. Sie stürzen seltener, und sie schlafen bessser.
Die Geriatrie Langenhagen ergänzt zum Beispiel seit 1997 ihre therapeutsches Spektrum um eine Gartenanlage, die den Bedürfnissen von Patient_innen mit körperlichen, sensorischen und kognitiven Beschwerden dient.
Ergotherapeut_innen begleiten die Betroffenen dabei, sich zu prüfen, ob sie verlorene Fähigkeiten wiedererlangt haben, aber auch dabei, wie sie bleibende Einschränkungen kompensieren. Sie lernen hier neue Körperhaltungen kennen und informieren sich darüber, wie sie ihre eigenen Gärten behindertengerecht gestalten können. Sie proben Möglichkeiten, die ihnen die Arbeit erleichtern.
Sie lernen aber nicht nur praktisch, sondern erholen sich und schöpfen Freude, wenn sie sich in der Natur beschäftigen.
Als Garten für Menschen mit Einschränkungen können sich Rollstuhlfahrer und Gehbehinderte hier ungestört bewegen. Normale Beete, ein Hang und Hecken geben zugleich die Option, Körperbewegungen zu üben.
In einem Gewächshaus können sich die Betroffenen auch in den kalten Monaten an Pflanzen erfreuen und auf den dortigen Wegen das Gehen trainieren.
Unterschiedliche Zielgruppen
Senioren wollen im Heilgarten verweilen, beobachten, soziale Kontakte ausdehnen, einer sinnvollen Tätigkeit nachgehen, Erinnerungen wecken und sich zurückziehen- Kinder haben das Bedürfnis zu entdecken, zu spielen, zu beobachten, ihre Sinne wahrzunehmen und eine Aufgabe zu haben.
Betroffene in Rehabilitations-Zentren nutzen die Gärten, um sich zurückzuziehen, sich aufzuhalten und für Therapien.
Menschen mit körperlichen oder geistigen Behinderungen nehmen ihre Sinne wahr, lernen Arbeitsabläufe, übernehmen Verantwortung und sammeln Erfolgserlebnisse.
Betroffene mit „Wellness-Beschwerden“, die eine Auszeit nehmen, wollen Zeit für sich haben und sich entspannen.
Spezielle Therapiegärten finden sich an:
Förderschulen für Kinder und Jugendliche, in Kindergärten, ergotherapeutischen Einrichtungen, Behinderteneinrichtungen, Blindenheimen, psychotherapeutischen Zentren und Psychiatrien, Kliniken für Schwerstkranke und Rehas für Traumatisierte.
Firmen – und Community-Gärten
Aber auch Firmen erkennen die positive Wirkung von Gärten auf das Arbeitsklima. Immer mehr Betriebe begrünen Innenhöfe und Dächer, bepflanzen die Eingänge und Balkons. Die Arbeitgeber schlagen damit zwei Fliegen mit einer Klappe: Die Angestellten fühlen sich bei der Arbeit besser, und die positive Atmosphäre wirkt sich auch auf die Kunden aus.
Community-Gärten sollen die Anonymität der Großstädte aufbrechen, soziale Kontakte im Viertel vertiefen, Erholung bieten, den Bürger_innen ermöglichen, sich körperlich zu betätigen, die Kriminalität reduzieren und neben dem sozialen auch das natürliche Klima in der Stadt verbessern.
Das Potenzial dafür ist riesig: Industriebrachen, leer stehende Grundstücke, Flächen an Bundesstraßen und Autobahnen bieten große Areale, um die Grünflächen in den Städten zu vergrößern. Dabei muss es nicht der „ganz große Wurf“ sein, denn begrünte Bürgersteige, ehemalige Haltestellen der Straßenbahn, aufgegebene Gartenkolonien und selbst Verkehrsinseln bieten „unsichtbare Nischen“, sich einzubringen.
In Hannover-Linden Nord liegt zum Beispiel in der Nähe des Freizeitheims Linden ein solcher Garten: Menschen aus dem Viertel pflanzen hier in selbst gefertigten Holzkisten diverse Kräuter, Obst und Gemüse an, das sie selbst verzehren.
Die „Stadtteil-Gärtner_innen“ treffen sich hier, tauschen sich aus, lernen sich kennen und ergänzen zudem ihren täglichen Speiseplan.
Zu den Community-Gärten gehören auch die interkulturellen Gärten, in denen Migrant_innen in Deutschland im Wortsinn Wurzeln schlagen können. Deutsche und Zuwanderer_innen kommen in Kontakt, während sie gemeinsam die Gärten gestalten, sie treffen sich auf neutralem Boden, denn soziale Hierarchien spielen erst einmal keine Rolle. Interkulturelle Gärten fördern so die Integration.
Eine Vorreiter-Rolle spielt das Behandlungszentrum für Folteropfer in Berlin. Es gründete einen Garten auf dem ehemaligen Gelände des Krankenhauses Moabit und einem angemieteten kleinen Park.
Viele der Betroffenen können oder dürfen in Deutschland nicht arbeiten, weil sie noch keinen Aufenthaltstitel haben, und / oder so traumatisiert sind, dass ihnen eine reguläre Beschäftigung schwer fällt. Allerdings kommen viele von ihnen aus ländlichen Gebieten, und sie wissen, wie sie einen Garten bestellen.
Dieser Therapiegarten knüpft also zum einen an Fähigkeiten, Erinnerungen und „Heimatgefühle“ der Betroffenen an, zugleich gibt er eine Tagesstruktur und eine sinnvolle Tätigkeit, die den Körper beansprucht. Im Garten ernten die Betroffenen zudem ihr eigenes Obst wie Gemüse, und das verhilft ihnen zu mehr Unabhängigkeit.
Die meisten Betroffenen sind psychisch wie körperlich erheblich gesünder, seit sie sich in die Gartenarbeit einbringen. Außerdem stärken sie ihr Selbstbewusstsein, weil sie das Wissen und die schöpferische Kraft ihrer Kultur in der neuen Gesellschaft umsetzen.
Die Ambulante Abteilung für Erwachsene, die Abteilung für Kinder und Jugendliche und auch der Wohnverbund für Frauen setzen therapeutische Arbeiten im Garten um. Für Trauernde gibt es zudem einen Gedenkplatz.
Wie hilft ein Heilgarten?
Menschen mit psychischen Einschränkungen empfinden sich durch die Arbeit mit natürlichen Materialen weniger stigmatisiert – es „fühlt sich nicht wie eine Therapie an“. Pflanzen, Erde und Wasser, Sonne, Wind und Regen sind „neutral“ und helfen allein dadurch der Heilung.
Die Gartenarbeit wirkt erstens ergotherapeutisch. Beim Gießen üben Betroffene, gezielt die Hand zu führen, die Pflanzen zu pflegen, stärkt die Muskeln und die Erde zu lockern trainiert die Finger.
Gartentherapie wirkt zweitens enorm auf die Psyche. Begriffe wie „verwurzelt“ und „bodenständig“ leiten sich nicht zufällig aus dem Mensch-Natur-Verhältnis ab. Die Gartenarbeit erdet im Wortsinn die Erinnerungen und Symbolwelt psychisch verwirrter Menschen und bringt sie auf den Boden der Realität.
Versierte Therapeut_innen helfen, Symbole und Metaphern in einen für die Betroffenen sinnvollen Zusammenhang zu bringen – ohne übersinnlichen Schabernack, wie er in der Esoterik-Szene herumgeistert.
Auch „Normalneurotikern“ hilft die Arbeit im eigenen Garten, ihre Gedanken zu strukturieren, aus der Stagnation des Herumgrübelns heraus zu kommen und kreativ Probleme zu lösen. Für entwurzelte Menschen mit psychischen Störungen, deren Ideen als Fragmente herumwirbeln, ist eine solche Verwurzelung noch viel wichtiger.
Metaphern lassen sich so direkt an eine Praxis binden. Betroffene, die in überkommenen Lebensstrukturen stecken und Angst haben, diese hinter sich zu lassen, können dies mental trainieren – durch Unkraut jäten.
Welches „Unkraut“ habe ich im Kopf, was soll raus. Wie soll mein „innerer Garten“ aussehen, so dass ich mich wohl fühle.
Bäume und Blumen zu pflanzen dient als Arbeit an der Metapher „Wurzeln schlagen“. Für Menschen mit psychischen Problemen, die den „Boden unter den Füßen verloren „ haben, eine sinnvolle Methode, wieder festen Boden zu betreten.
Der Garten ist ein neutraler Ort. Betroffene in Psychiatrie, Krankenhaus und Altersheim sind doppelt belastet: Sie leiden unter ihren Erkrankungen, und sie leiden ebenso unter dem Verlust ihres sozialen Umfeldes und kommen in ein neues Umfeld, das erst einmal durch die Krankheit definiert ist. Im Garten können sie andere Menschen kennen lernen, ohne dabei als ausschließliche Gemeinsamkeit das „Krank sein“ zu teilen. Feiern im Park, Spaziergänge mit Betreuer/innen etc. stärken diese Verständigung.
Die Betroffenen finden eine sinnvolle Aufgabe. Zu den größten Problemen von Menschen in Heimen und Krankenhäusern gehört die Abhängigkeit. Sie werden gepflegt und empfinden ihren passiven Alltag als sinnlos. Wer die Verantwortung für Pflanzen übernimmt, hat eine Aufgabe – mehr noch, er wird nicht nur gepflegt, sondern ist jetzt auch Pfleger.
Die Betroffenen sehen zudem das Ergebnis ihrer Bemühungen: Bäume wachsen, Blumen blühen und Sträucher tragen Früchte.
Was ist zu beachten?
Für Rollstuhfahrer/innen sollte der Boden gut befahrbar sein, und bei Nässe nicht rutschen. Sitzbänke sollten in geringeren Abständen als üblich angelegt werden, so dass gehschwache Menschen länger spazieren gehen könne.
Wenn die Sitzbänke die Kommunikation fördern sollen, brauche sie einen Abstand, der es Rollstuhlinsass(innen ermöglicht, dabei zu sein. Die Wege müssen so breit sein, dass Rollstuhlinsass/innen sie nutzen können, also von 1,80 m aufwärts.
Wasserquellen
Für kranke Menschen ist Wasser wesentlich. Zugleich vergessen viele der Betroffenen Wasser mitzunehmen. Trinkwasserspeicher im Garten selbst helfen ihnen; außerdem sollten Schlauchanschlüsse und Wasserleitungen zum Hände waschen, vorhanden sein.
Die Wasserstellen sollten auch für Rollstuhlfahrer_innen nutzbar sein, so dass sie zum Beispiel Gießkannen abstellen und auffüllen können.
In der Gartengestaltung spielt Wasser eine große Rolle: Wasser inspiriert, es „kühlt die Gedanken“, es bietet unzählige Metaphern der Heilung: Vom Lebensfluss bis zum offenen Meer. Brunnen, Kanäle, Bäche, Teiche und selbst Vogeltränken gehören zu einem Heilgarten dazu.
Schattenstellen
Schatten ist für alte Menschen, erkrankte Menschen und Menschen mit Behinderungen nich wichtiger als für Menschen ohne Beschwerden – vor allem in den Sommermonaten. Künstlicher Schatten durch Sonnenschirme (bei den Sitzbänken) geht am besten einher mit natürlichem Schatten durch Bäume.
Hygiene
Der Garten sollte nahe seinem Eingang eine behindertengerechte Toilette aufweisen, für die Betroffenen wie die BetreuerInnen. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.