Diskussionen, Streit und Konflikte sind in Beziehungen normal und bis zu einem gewissen Grad gut und wichtig. Wenn es aber zu viel wird, wenn die Partner nicht mehr gleichberechtigt miteinander kommunizieren können, wenn es nur noch um Vorwürfe und Schuldzuweisungen geht, dann kann das auf eine toxische Beziehung hindeuten. Woran man eine toxische Beziehung erkennt, wie sie entsteht, ob sie gerettet werden kann und wie man sich aus ihr befreit, erfahren Sie im folgenden Artikel.
Inhaltsverzeichnis
Definition
Für toxische Beziehungen gibt es keine eindeutige Definition. Früher sprach man schlicht von einer „unglücklichen Beziehung“. In der Tat hat es schon immer giftige Beziehungen gegeben.
Eine toxische Beziehung ist vergiftet, ungesund und kräftezehrend. Einer der Partner wird unterdrückt, klein gehalten, kontrolliert und abhängig gemacht.
Solche dysfunktionalen Beziehungen gibt es nicht nur zwischen Paaren, sondern auch innerhalb der Familie, zum Beispiel zwischen Vater und Tochter, im Freundeskreis oder am Arbeitsplatz.
Vor allem Liebesbeziehungen können toxisch werden. Es sind vor allem die Liebesbeziehungen, die toxisch werden können, und gerade hier ist der Ausstieg am schwierigsten.
Beschreibung
Toxische Beziehungen sind geprägt von Abhängigkeit, Manipulation und Kontrolle. Die Opfer stehen unter Dauerstress, trauen sich nicht, sich gegen den Partner aufzulehnen, sondern halten sich selbst klein und versuchen, jeder Konfrontation aus dem Wege zu gehen.
Sätze, wie „So ein Quatsch, was du wieder redest“, „Das schaffst du doch niemals“, „Das bildest du dir wie immer nur ein“ und „Typisch – du schon wieder“ begleiten den Alltag. Der Partner wird vor anderen gedemütigt und verletzt, was vom dominanten Teil immer wieder geleugnet wird.
Die schwächere Partei überlegt sich jedes Wort. Die Angst vor dem Streit, vor der Aggression des anderen wird immer größer. Die Partner tun einander nicht gut. Gute Zeiten und Phasen in der Beziehung werden immer seltener.
Auch versucht das Opfer immer wieder, die Beziehung zu retten, den Partner zu ändern. Doch das gelingt natürlich nicht.
Der dominante Partner in einer toxischen Beziehung hat oft narzisstische Züge. Solche Menschen sind manipulativ, wenig selbstkritisch und arrogant. Männer leiden häufiger an einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung als Frauen.
Deshalb sind die Opfer meist Frauen. Natürlich kommt es auch umgekehrt vor. Ein Partner muss aber nicht unbedingt ein Narzisst sein. Auch ohne dies kann sich eine destruktive Dynamik in einer Beziehung entwickeln.
In toxischen Beziehungen ist es meist nicht möglich über Kleinigkeiten zu sprechen. Der dominante Partner wird sofort laut und aggressiv. Die Opfer fühlen sich unter Druck gesetzt. Und es wird immer schwieriger, sich aus einer toxischen Beziehung zu lösen.
Was auf eine toxische Beziehung hindeutet
Für eine toxische Beziehung gelten bestimmte Muster. Ein Partner stellt immer seine Bedürfnisse in den Vordergrund. Der andere Partner ist für das Wohlergehen des dominanten Partners da, und dies ist auch die Forderung des dominanten Partners. Folgende Beschreibungen weisen auf toxische Beziehungen hin:
- Der eine Partner investiert viel Liebe und Kraft in die Beziehung, bekommt jedoch vom anderen kaum etwas zurück.
- Der eine Partner kann es dem anderen nie recht machen – alles macht dieser „falsch“.
- Das „Opfer“ gerät in eine Co-Abhängigkeit und nimmt den dominanten Partner vor anderen in Schutz.
- Der dominante Teil urteilt sehr schnell. Er lässt kein gutes Haar an den Freunden und distanziert sich immer mehr.
- Außen hui – innen pfui: Nach außen gibt sich der Partner oder die Partnerin charmant und umgänglich – zuhause zeigt er oder sie sein wahres Gesicht und wird zu einem Ekelpaket.
- Das „Opfer“ wird vom dominanten Teil ständig grundlos niedergemacht. Das Opfer sei immer an allem schuld und glaubt dies dann auch noch mit der Zeit.
- Der dominante Partner unterliegt massiven Stimmungsschwankungen und wird unberechenbar.
- Der dominante Teil weiß um die Schwächen des Partners und nutzt sie schamlos aus.
- Der schwächere Partner ist in den Augen des dominanten Partners an allem schuld, ist nie gut genug – der schwächerer Teil kämpft ständig um Anerkennung und ordnet sich immer mehr unter – Schamgefühl entsteht und der Selbstwert wird immer weniger – es entsteht eine emotionale Abhängigkeit.
- In einer toxischen Beziehung geht es einem immer schlechter, alles kostet viel Kraft und glückliche Momente werden immer seltener oder liegen nur noch in der Vergangenheit.
- Bei Diskussionen weicht der dominante Part nie von seinem Standpunkt ab und macht sich nicht die Mühe, den anderen zu verstehen.
- Liebesentzug wird ein Mittel zur Manipulation.
- Es gibt kein „Wir“ nur ein „Ich“.
- Eine persönliche Entwicklung des schwachen Partners ist nicht möglich. Im Gegenteil – Spott und Hohn treten an die Stelle von Unterstützung. Erfolgsgefühle werden ins Negative gekehrt.
- Das „Opfer“ verfällt in eine Vermeidungshaltung, geht jeder Konfrontation aus dem Weg und kann die Demütigung nicht mehr ertragen. Das „Opfer“ verstellt sich und wird sogar von Freunden oder der Familie darauf angesprochen.
- Aus Fröhlichkeit, Geselligkeit und Selbstsicherheit wird Introvertiertheit, Traurigkeit und Unsicherheit. Der schwache Partner verändert sich immer mehr.
- Möglicherweise werden Drohungen ausgesprochen: „Wenn du dich von mir trennst, dann…“.
- Es herrscht ein ständiger Wechsel zwischen Hoch und Tief – von einer Sekunde auf die andere, aus einer kurzen guten Stimmung heraus, kippt der dominante Partner um und macht den schwächeren nieder.
Körperliche Symptome
Eine toxische Beziehung geht nicht spurlos am schwächeren Partner vorüber. Je länger eine vergiftete Partnerschaft besteht, desto schwerwiegender können die Folgen sein, wie zum Beispiel:
- Erschöpfung,
- Schlafprobleme,
- Angstzustände,
- Nervosität,
- Bluthochdruck,
- Gereiztheit,
- Infektanfälligkeit,
- Verspannungen,
- Reizdarm,
- Reizmagen oder
- chronische Schmerzen.
Entstehungsmechanismus
Zu Beginn einer toxischen Beziehung erscheint der später dominante Partner charmant und charismatisch. Der später schwächere Partner hat oft von Anfang an ein geringes Selbstwertgefühl, neigt zu Depressionen oder hat einfach Angst, verlassen zu werden.
Mit der Zeit fühlen sich die Betroffenen immer schwächer, ordnen sich unter und zweifeln an ihrer Wahrnehmung. Sie decken ihren Partner und sprechen erst sehr spät mit ihrem Umfeld darüber.
Narzisstische Persönlichkeitsstörung
Die dominanten Partner in toxischen Beziehungen sind häufig Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Dabei handelt es sich meist um Männer.
In der griechischen Mythologie wird Narziss, der Namensgeber dieser Störung, als jemand beschrieben, der in sein Spiegelbild verliebt ist.
In Wirklichkeit sind Narzissten jedoch unsichere Menschen, die sich selber eigentlich gar nicht lieben, sondern eher hassen. Diese Persönlichkeitsstörung geht auf eine Kindheit zurück, die mit einer erworbenen Bindungsangst verwoben ist.
Narzissmus geht einher mit der Sucht nach Größe, Erfolg und Einzigartigkeit sowie mit Empathielosigkeit und hoher Manipulationsfähigkeit. Die Betroffenen sind nahezu empathielos, übertrieben anspruchsvoll, ausbeuterisch, bewunderungsbedürftig und meist arrogant.
Ihre Gewohnheit, Grenzen zu überschreiten und ständig über die Stränge zu schlagen, ist für sie ganz normal, oder sie leugnen es. Sie wehren sich mit den Worten: „Stell dich nicht so an“, „Sei nicht so überempfindlich“ oder „Ich hab doch gar nichts gemacht“.
Beziehung zwischen einem Narzissten und einem Co-Narzissten
Der Co-Narzisst ist, wie bei der Drogenabhängigkeit, der oder die Co-Abhängige. Bei toxischen Beziehungen handelt es sich häufig, insbesondere wenn es sich um eine Frau handelt, um eine sehr einfühlsame Person, die alles tut, um geliebt zu werden.
Die häufigste Ursache ist eine Mangelerfahrung in der Kindheit. Die betreffende Person ist süchtig nach einer Beziehung und lernt einen Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeit kennen, der anfangs in den ersten Wochen und Monaten charmant, eloquent und unterhaltsam wirkt.
Ist die Zeit der rosaroten Brille vorbei, wird die Beziehung normal. Doch mit der Zeit langweilt sich der Narzisst und beginnt, den Partner zu manipulieren. Lügen, Verdrehungen, Beschimpfungen, Eifersucht – all das kommt jetzt immer mehr ins Spiel.
Narzissten wollen sich nicht ändern und entschuldigen sich nie für ihre Aggressionen, ihr fehlendes „Miteinander“ und ihre Respektlosigkeit. Sie können mit ihrem unmoralischen Verhalten recht gut leben. Im Gegensatz dazu sind ihre schwachen Partnerpersonen eher ängstlich und depressiv.
Die Co-abhängigen Partner benötigen in der Regel professionelle Hilfe, um sich aus einer vergifteten Beziehung zu lösen.
Gründe aus der Kindheit
Wenn kein Narzissmus vorliegt, kann die Ursache auch in der Kindheit liegen. Eine ständige Suche nach Liebe und Selbstbestätigung, ein unstillbares Bedürfnis nach Liebe mit unrealistischen Erwartungen, die ein Partner nie erfüllen kann, können die Ursache für eine toxische Beziehung sein.
Die Beziehung retten
Um eine toxische Beziehung zu retten, müssen, wie bei anderen unglücklichen Beziehungen auch, beide Partner dazu bereit sein und beide daran arbeiten. Das ist aber auch schon der schwierigste Teil der Arbeit.
Wenn der dominante Partner eine narzisstische Persönlichkeit ist, wird er weder Fehler eingestehen noch eine Paartherapie machen. Um eine Beziehung zu retten, müssen beide Partner an einem Strang ziehen.
Überdenken der Beziehung
Der schwache Partner ist unglücklich – und das zunehmend. Die „schönen“ Momente werden immer weniger. Die Beziehung wird zum absoluten Dauerstress. Spätestens jetzt sollte die Beziehung überdacht werden.
Ein Tagebuch hilft dabei, dass die guten Momente nicht die viel häufigeren schlechten Momente überdecken. Schreiben hilft, nicht zu verdrängen und klar zu sehen.
Auch Freunde oder Verwandte können dabei helfen, die Scheuklappen abzulegen. Wenn es sich bei der toxischen Beziehung um eine Beziehung mit einer narzisstischen Person handelt, ist es wichtig, klare Aussagen von Personen zu erhalten, denen man vertraut.
Klare Stopps und Grenzen müssen kommuniziert werden. Werden diese nicht eingehalten, müssen Konsequenzen folgen. Wenn dies ebenfalls nicht der Fall ist, sollte die Beendigung der Beziehung in Betracht gezogen werden, wobei hier klare Ansagen wichtig sind.
Beenden der Beziehung
Der Ausstieg aus einer toxischen Beziehung ist vor allem für den schwächeren Partner nicht einfach. Ständige Grenzüberschreitungen werden als normal empfunden, ebenso wie ständige Verletzungen.
Hinzu kommt, dass es in toxischen Beziehungen immer wieder Ereignisse gibt, die das „Opfer“ glauben lassen, dass Besserung in Sicht ist. Solche Ereignisse, wie zum Beispiel ein plötzliches teures Geschenk oder eine heimlich gebuchte Reise, werden im Laufe der Zeit immer seltener. Der geschwächte Partner hofft aber immer noch auf eine positive Veränderung.
Phasen extremer Abwertung wechseln sich mit Phasen extremer Aufwertung ab. Durch diese Manipulation und das Gefühl der Unterlegenheit und Abhängigkeit vergehen manchmal viele Jahre, bis die Betroffenen nicht mehr weiter können und endlich den Mut finden, die vergiftete Beziehung zu verlassen.
Vor allem dann, wenn sich die Tiefs häufen und die „Hochphasen“ kaum noch vorkommen. Für den schwachen Partner ist es auf jeden Fall wichtig, ein gutes soziales Umfeld zu haben, Freunde oder Verwandte, die bei der Trennung helfen. Eventuell ist psychotherapeutische Unterstützung notwendig.
Trennung von einem Narzissten – auf der Hut sein
Sich aus einer toxischen Beziehung zu lösen, bedeutet oft auch, sich von einem Narzissten zu trennen, und dabei ist es wichtig, auf der Hut zu sein. Der Narzisst wird alles tun, um sich zu rächen. Die Trennung ist für ihn vor allem eine massive Niederlage, die es mit allen Mitteln zu beseitigen gilt.
Den gemeinsamen Freunden werden Lügengeschichten erzählt, die die schwache Ex-Partnerin schlecht dastehen lassen. Ist diese nicht stark genug, kann dies auch bedeuten, dass sie den Ex-Partner wieder in ihr Leben lässt, da dieser sich ja auch von seiner besten Seite zeigen kann, als charismatischer, liebevoller Partner. Und schon geht es wieder von vorne los.
Wer sich aus einer destruktiven Beziehung befreien will, sollte daher so schnell wie möglich professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.
Wer macht Beziehungen toxisch?
Toxische Beziehungen sind, wie bereits erwähnt, am häufigsten in Partnerschaften anzutreffen. Aber auch im Bekanntenkreis, am Arbeitsplatz, in der Familie und im Freundeskreis gibt es Menschen, die durch ihr Verhalten eine „toxische Ausstrahlung“ haben können und mit denen der Umgang zu einer toxischen Beziehung führen kann.
Hier ein paar Beschreibungen zu Personen, die eine toxische Ausstrahlung haben können:
- Personen, die gerne tratschen, andere schlecht machen, schlecht über sie reden und dann eventuell petzen (zum Beispiel beim Chef).
- Personen, die sich als Opfer darstellen. Am Anfang hat man Mitleid mit ihnen. Aber mit der Zeit merkt man, dass die Person sich nur ständig beschwert und nichts dagegen tun will. Alle anderen sind an der eigenen Misere schuld.
- Personen, die in sich selbst verliebt sind. Sie wollen stets im Mittelpunkt stehen und tun alles dafür, dies auch zu erreichen. Anfangs jedoch strahlen sie Charisma und Faszination aus.
- Personen, die als Trittbrettfahrer unterwegs sind. Man begegnet ihnen am ehesten am Arbeitsplatz. Sie sind perfekt darin, mit minimalem Aufwand hochgesteckte Ziele zu erreichen und Lorbeeren für Erfolge zu ernten, die sie selbst nicht verzeichnen können.
- Personen, die ständig und in allem einen Wettbewerb sehen. Sie sind besessen davon, alles besser zu machen, immer schöner und beliebter zu sein.
- Personen, die typische Eigenbrödler sind. Diese leben in ihrer eigenen Welt, halten sich an keine Fristen, setzen sich ihre eigenen Grenzen und ecken damit überall an. Vor allem unter Kollegen ist das ziemlich schwierig.
- Personen, die gerne andere erpressen. Sie sorgen dafür, dass die Umwelt immer ein schlechtes Gewissen hat. Sie sind in der Lage, andere zu manipulieren, um schließlich nach ihrem Willen zu handeln.
- Personen, die arrogant sind, halten sich für unfehlbar. Sie setzen sich über andere hinweg und sind bereit, viele Opfer zu bringen, um Erfolg zu haben. Mobbing und Intrigen gehören dazu.
- Personen, die cholerisch sind, können anderen gegenüber ganz schön unangenehm werden. Sie sind emotional aufbrausend, haben ihre Reaktionen nicht unter Kontrolle und wenn sie ausrasten, bleibt das in der Regel nicht ohne Folgen.
- Personen, die zu den Lügnern gehören, reimen sich alles so zusammen, wie es ihnen gefällt. Sie verstricken sich in ihre Unwahrheiten, basteln sich ein eigenes Leben zusammen. Und zwar so lange, bis sie selbst nicht mehr wissen, was wirklich wahr ist und was nicht.
(sw)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Demming, K.: Raus aus der narzisstischen Beziehung, Humboldt Verlag, 2021
- Psychologie Heute, Ausgabe 11/2020: Toxische Beziehung
- Wittwer, T.-L.: Du bist Gift für mich, mvg Verlag, 2020
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.