Krankenkassen-Verbandsvorsitzende rechnet künftig mit Zusatzbeiträgen in Höhe von 70 Euro
16.05.2011
Sozialverbände und Gewerkschaften warnen schon länger: Die Zusatzbeiträge der gesetzlichen Krankenkassen könnten schon bald um ein vielfaches ansteigen. Nach Meinung der Kassenverbandsvorsitzenden Dr. Doris Pfeiffer steigt der zusätzliche Beitrag bald auf 50 bis 70 Euro pro Monat. Gesundheitsökonomen sprechen gar von über 100 Euro.
Noch sind Zusatzbeiträge der gesetzlichen Krankenkassen ein Einzelphänomen. Die die einen erheben müssen, verlangen zumeist einen Pauschalbetrag von acht Euro pro Monat. Gerade einemal 16 von knapp 158 Krankenkassen sind dabei. Noch reagieren viele gesetzlich Versicherte mit einem Wechselwillen und wandern bei Erhebung eines Zusatzbeitrages ab. Doch schon bald dürfte es nicht mehr um die Frage gehen, ob ein Zusatzbeitrag, sondern in welcher Höhe dieser erhoben wird. Die etwa 71 Millionen gesetzlich Krankenversicherte müssen sich in den kommenden zwei bis drei Jahren auf einen Zusatzbeitrag von 50 bis 70 Euro einstellen. Ein solcher hoher Zusatzbeitrag wird sehr wahrscheinlich kommen, befindet die Vorsitzende des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherung GKV Dr. Doris Pfeiffer gegenüber dem „Deutschlandradio Kultur“ in Berlin. Schuld daran sei die Politik und die steigenden Kosten im Gesundheitswesen.
Deckelung der Zusatzbeiträge wurde aufgehoben
Die schwarz-gelbe Koalition hatte im Zuge der Gesundheitsreform die Deckelung der Zusatzbeiträge aufgehoben. Seit Jahresbeginn 2011 können die Kassen selbstständig über die Höhe entscheiden. Die Bundesregierung will mit der indirekten Steuerung eine Abkopplung der Arbeitgeberanteile erreichen. Kostensteigerungen im Gesundheitssystem sollen über die sogeannten Kopfpauschalen geregelt werden. Die paritätische Finanzierung wird damit quasi außer Kraft gesetzt.
Die Kosten für niedergelassene Ärzte, Kliniken und Arzneimittel müssten die Versicherten über die Zusatzbeiträge bezahlen. "Von daher ist eine solche Größenordnung denkbar und auch von der Politik gewollt", erklärte die Verbandschefin gegenüber dem Radiosender. Den Aufschlag müssen Kassenpatienten von nun an allein zahlen. Der kommt nämlich zu den regulären Beiträgen des Beitragssatzes von 15,5 Prozent noch einmal oben drauf. Und das jeden Monat.
Die Annahme der Kassenchefin wurde unlängst auch von der Universität Köln bestätigt. Deren Institut für Gesundheitsökonomie hatte einen künftigen Zusatzbeitrag von flächendeckend 100 Euro pro Monat für die nächsten sieben Jahre berechnet. Bei Bekanntgabe der Ergebnisse wurden die Zahlen vom Bundesgesundheitsministerium dementiert. Zwar würden die Zusatzbeiträge steigen, allerdings gehe man nicht von derartigen Populationen aus.
Versicherte dürfen nicht abgewiesen werden
Die meisten Kassen erheben derzeit keine Zusatzbeiträge, weil sie wie im Falle der City BKK Angst davor haben, dass viele vor allem gesunde und junge Mitglieder der Kasse den Rücken kehren. Wechseln viele junge Menschen in eine andere Krankenkasse, so stabilisiert sich die Mitgliederstruktur der einen Kasse auf Kosten der anderen. Durch die Schließung der City BKK müssen sich jedoch viele kranke und ältere Pflichtversicherte eine neue Kasse suchen. Viele Kassen begegnen den Anfragen mit einer deutlich abwehrenden Haltung und versuchen Mitgliedsanträge vielmals abzuwimmeln. Pfeiffer machte die City BKK Versicherten darauf aufmerksam, dass eine Abweisung gesetzeswidrig ist. „Die Menschen sollen sich nicht verunsichern lassen“. Versicherte haben die Möglichkeit sich bis Juli diesen Jahres eine neue Krankenkasse zu suchen. Nach der Schließung besteht das Anrecht noch zwei weitere Wochen. Erfolgte danach kein Wechsel, so wird der Arbeitgeber die Krankenkasse auswählen, bei der der Versicherte zuvor krankenversichert war. Rund 168.000 Menschen sind derzeit auf der Suche nach einer neuen Krankenkasse.
Die meisten Mitglieder der City BKK wohnen in Berlin oder Hamburg. In beiden Ballungszentren sind Behandlungen und Diagnostik sehr kostenintensiv. Zuletzt waren die Mitgliederstruktur der City BKK stark überaltert. Auch anderen Kassen könnte ein ähnliches Schicksal ereilen. Und auch das ist vor Politik so gewollt. Ob die tatsächlichen Auswirkungen immer bedacht wurden, wird sich spätestens in ein paar Jahren zeigen. Noch ist das System einigermaßen stabil. (sb)
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Bild: Gerd Altmann, Pixelio.de
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