Im Durchschnitt müssen Kassenpatienten 27 Minuten in Wartezimmern auf ihre Behandlung warten
07.09.2011
Wer einen Facharzttermin bei einem Augenarzt, HNO Spezialisten oder Kardiologen wahrnimmt, muss sich in aller Regel im Wartezimmer längere Zeit gedulden. Das ergab eine Umfrage der Betriebskrankenkassen in Deutschland. Privatpatienten werden bei den Wartezeiten kaum bevorteilt, hier betrug die Wartezeit nur gut sechs Minuten weniger. Einige Unternehmen haben sich mittlerweile auf das Geschäftsfeld Wartezeit in der Arztpraxis spezialisiert und bieten TV-Programme oder Zeitschriften an.
Die meisten Wartezimmer sind kaum bequem oder kuschelig eingerichtet. Die meisten Ärzte bieten Zeitschriften, manche Entspannungsmusik oder andere einen Fernseher zur Zeitüberbrückung im Wartezimmer an. Wer sich krank fühlt, für den kann das Warten subjektiv eine Ewigkeit andauern. Doch was kann das Warten verkürzen und wie groß ist die Gefahr, sich währenddessen im Arzt-Wartezimmer anzustecken?
Laut einer Studie der Deutschen Betriebskrankenkassen (BKK) warten gesetzlich Versicherte im Schnitt 27 Minuten (2008: 28 Minuten) auf die Behandlung beim Arzt. Privatpatienten werden gegenüber Kassenpatienten nicht nur bei der Vergabe der Arzttermine, sondern auch beim Warten bevorteilt, wie die Umfrage ergab. Privatversicherte warten im Schnitt sechs Minuten weniger, also durchschnittlich 21 Minuten.
Beim Hausarzt müssen Patienten fast eine halbe Stunde warten
Für die BKK Studie wurden insgesamt 6000 krankenversicherte Bundesbürger ab 14 Jahre befragt. Der Arbeitstitel der Umfrage lautete “Arztbesuch und Wartezeiten”. Viele Menschen verspüren vor allem Ängste beim Zahnarzt. Das erfreuliche, hier müssen Patienten der Krankenkassen nur gut 13 Minuten warten bis zum eigentlichen Behandlungsbeginn. Auch beim Frauenarzt sind die Wartezeiten im erträglichen Bereich, mit 23 Minuten müssen Frauen beim Gynäkologen relativ kurz warten. Etwas mehr Zeit müssen Mütter und Väter beim Kinderarzt mitbringen. Hier betrug die Zeit 29 Minuten bis zur Erstsichtung beim Arzt. Eine knappe halbe Stunde, die zumeist für Kinder mit Spielzeug im Wartezimmer überbrückt werden kann. Beim Hausarzt wird derzeit 27 Minuten gewartet (2008: 30 Minuten). Am längsten müssen Kassenpatienten beim Hals-Nasen-Ohren-Arzt oder beim Orthopäden warten. Hier müssen die Patienten laut Umfrage gut 37 Minuten warten.
Viele Ärzte lassen sich aber etwas einfallen, um den Patienten die Zeit im Wartebereich so angenehm wie möglich zu gestalten. Ein gängiger Service sind Zeitschriften aller Art und Interessenlagen. Wer Glück hat, kann einen aktuellen „Spiegel“ oder die neusten Klatschnachrichten in der „Bunten“ lesen. Bei Fachärzten für Kinderheilkunde liegen meist auch interessante Ratgeber für Eltern aus, wie bei der Kinderärztin Frau Dr. Schreiber in Hannover. „Während meine Kinder bereitgestelltes Spielzeug ausprobieren, kann ich einen Blick in die neusten Elternratgeber werfen“, berichtet Susanne Wegener, Mutter von zwei Kinder. „Die Zeit vergeht dann wie im Fluge“.
Flachbildschirmfernseher in deutschen Praxen
Der neuste Trend sind Flachbildfernseher in den Wartebereichen. Immer mehr Ärzte greifen zu diesem adäquaten Mittel. Zurecht, denn die Konkurrenz in den Städten ist groß, auch Ärzte wollen ihre „Kundschaft“ durch „Langeweile im Wartezimmer“ nicht verlieren. Ein Unternehmen hat sich mittlerweile auf diesen Service spezialisiert und bereits 5100 dieser Fernseher in deutschen Arztpraxen installiert. Statt spröder Unterhaltung werden Kurzfilme zur Gesundheitsvorsorge, lokales Wetter, therapeutischen Behandlungsmethoden, Tierfilme oder Reisedokumentationen gezeigt. Für die Kinder werden auch Zeichentrickfilme gezeigt. Einmal pro Stunde werden dem wartendem Publikum Nachrichten präsentiert. Um den Service zu finanzieren, werden allerdings auch kurze Werbefilme gezeigt. Für das Werbeumfeld sind solche Angebote von großem Interesse, da die Zielgruppe genau definiert werden kann. Fraglich bleibt der Einfluss der Pharmaindustrie, die mit Sicherheit vieler solcher Clips bucht. Damit Patienten allerdings nicht zu sehr gestört werden, gibt es keinen Ton. Schließlich wollen nicht alle Patienten starr auf den Bildschirm schauen. Wer länger als eine Stunde wartet, der muss sich wohl oder übel das gleiche Programm noch einmal anschauen. Laut einer Studie der GfK beurteilen fast 80 Prozent der Patienten das TV-Angebot als „sehr gut“ oder „gut“. 70 Prozent gaben an, sie würden es begrüßen, wenn mehr ambulante Praxen einen solchen TV-Service anbieten.
Kein erhöhtes Ansteckungsrisiko in Arztpraxen
Viele Patienten fragen sich, ob sie sich im Wartezimmer bei anderen Patienten anstecken können. Wie Winfried Kern von der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie sagt, ist dies zwar theoretisch möglich, aber eher unwahrscheinlich. „Es sei denn, man wird direkt angehustet“, wie der Experte sagte. Eine solche Gefahr besteht aber auch in allen anderen öffentlichen Bereichen des alltäglichen Lebens. Überall dort, wo Menschen zusammenkommen, kommt man unter Umständen mit Infektionskrankheiten in Berührung. Der Tag hat aber 24 Stunden, in jeder Stunde besteht die Gefahr sich zu infizieren. Doch wie viel Zeit „verbringen Sie davon in einem Wartezimmer?”, fragt Dr. Kern gegenüber „Welt Online“.
Zwar müssen Privatpatienten in der Praxis weniger Wartezeiten einkalkulieren, aber laut der BKK-Studie sind über 85 Prozent der Deutschen gesetzlich krankenversichert. Nur acht Prozent sind bei einer PKV voll versichert. Demnach sind die Ungleichbehandlungen kaum spürbar. Erfreulich ist, dass Ärzte keine Unterschiede bei Akutfällen machen. Wer über hohes Fieber oder starke Krankheitssymptome leidet, bekommt in aller Regel noch am selben Tag einen Termin und muss auch nicht lange warten. Laut der Umfrage wurden zwei Drittel der Befragten noch am selben Tag versorgt.
Lange Terminwartezeiten bei Fachärzten
Bei der Terminvergabe müssen sich allerdings Kassenpatienten deutlich länger gedulden, als Privatversicherte. Im Schnitt warteten gesetzlich Versicherte 20 Tage auf einen Termin. Privatpatienten bekamen im Durchschnitt sechs Tag früher einen Arzttermin. Auf eine Behandlung beim Allgemeinmediziner mussten Krankenkassen Patienten im Schnitt acht Tage warten. Wer einen Termin beim Augenarzt wollte, der musste bereits über einen Monat, nämlich 37 Tage warten. Bei Frauenärzten müssen weibliche Patienten derzeit 27 Tage und Patienten beim Orthopäden sich gut 29 Tage gedulden. Wer kein akuter Fall ist, muss auf einen Zahnarzttermin gut 25 Tage warten. Überhaupt keinen Termin bekamen 15 Prozent der Umfrageteilnehmer und mussten demnach weiter nach einem anderen Arzt suchen. (sb)
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Bild: Rainer Sturm / pixelio.de
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