Hohe Gesundheitsrisiken durch antibiotika-resistente Keime
04.11.2011
Nach dem Tod von drei Frühchen in einer Bremer Klinik ist die Diskussion, um mögliche Krankenhausinfektionen wieder in vollem Gange. So infizieren sich jährlich tausende Menschen bei einem Klinikaufenthalt in Deutschland mit besonders gefährlichen multiresistenten Krankenhauskeimen. Für Frühgeborene ein besonderes Risiko, da ihr Körper weitaus anfälliger auf die Infektionen reagiert.
Auf der Neonatalen Intensivstation der Frauenklinik Bremen-Mitte wüten die multiresistenten ESBL-Bakterien offenbar bereits seit August. Zwar sind die gegen zahlreiche Antibiotika resistenten Keime für gesunde Erwachsene keine besondere gesundheitliche Bedrohung, doch für Kleinkinder – insbesondere für Frühchen – sind die Erreger ein massives Gesundheitsrisiko mit potenziell tödlichen Auswirkungen. Das offenbar bereits seit Monaten ein Problem mit den Keimen in der Bremer Klinik vorlag und trotzdem weiter Frühgeborene aufgenommen wurden, scheint daher äußerst fragwürdig. Insgesamt 15 Neugeborene haben sich so mit den ESBL-Keimen infiziert, sieben von ihnen sind schwer erkrankt, drei verstarben in Folge der Infektion.
ESBL-Keime relativ weit verbreitet
Nach den Todesfällen der Frühchen in der Bremer Klinik ermittelt nun auch die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachtes der fahrlässigen Tötung. Allerdings bleibe bisher völlig unklar, wie die multiresistenten Bakterien auf die Intensivstation gelangen und die Frühchen in ihren eigentlich sterilen Brutkästen infizieren konnten. Nach Einschätzung von Hygiene-Experten wie Brar Piening, von der Berliner Charité ist nicht zwangsweise von einem Fehlverhalten des Personals auszugehen, sondern ebenso gut könne ein „schicksalhaftes Geschehen“ zu der Infektion der Frühchen geführt haben. Piening erklärte gegenüber dem „Tagesspiegel“, dass auch die Einschleppung der ESBL-Erreger durch Besucher ein denkbare Variante sei. Allerdings werden antibiotika-resistente Keime oftmals in den Kliniken förmlich gezüchtet. Durch den unsachgemäßen beziehungsweise leichtfertigen Einsatz von Antibiotika und die mangelnde Einhaltung der Hygienevorschriften kommen die Erreger immer wieder in Kontakt mit Antibiotika und können gegen diese Resistenzen entwickeln. So finde auch eine Selektion zu Gunsten der ESBL-Keime statt, erläuterte der Experte. Dabei steht ESBL für „Extended Spectrum β-Lactamasen“, was im Grunde genommen nichts über die Bakterien an sich aussagt, sondern lediglich ein spezielles Enzym beschreibt, das verschiedenen Keimen hilft, sich vor den Angriffen des Antibiotika zu schützen. Mit Hilfe des Enzyms können ESBL-Keime zahlreichen Antibiotika widerstehen. Die Erreger sind für Erwachsene jedoch meist keine gesundheitliche Bedrohung und viele Menschen haben ESBL-Keime in ihrem Darm, erläuterten die Experten.
Besonderes Gesundheitsrisiko für Frühgeborene
Da das Immunsystem von Frühgeborenen jedoch lange nicht so widerstandsfähig ist wie bei Erwachsenen und die Kleinen während ihres Lebens im sterilen Brutkasten so gut wie keinen Kontakt zu Mikroorganismen haben, sind die ESBL-Keime für sie eine massive gesundheitliche Bedrohung. Infizieren die resistenten Keime den geschwächten Organismus der Frühchen, reichen deren Abwehrkräfte oftmals nicht aus, um mit den ESBL-Bakterien fertig zu werden. Eine bei bakteriellen Infektionen übliche Antibiotika-Behandlung zeigt ebenfalls nicht die gewünschte Wirkung, so dass sich die Erreger relativ leicht im Organismus verbreiten können. Außerdem gehe bei dem Behandlungsversuch mit Antibiotika oftmals wertvolle Zeit verloren, während der sich die ESBL-Erreger im Körper ungestört vermehren können, erklärte Brar Piening. Umso kleiner die Frühchen sind, desto größer ist dabei für sie das Gesundheitsrisiko, so die Aussage des Hygienespezialisten.
Multiresistente Keime breiten sich aus
Obwohl die ESBL-Keime an sich meist nicht besonders aggressiv sind, werden sie nach Einschätzung der Experten in den Kliniken zu einer wachsenden Bedrohung. Denn „ESBL-Erreger sind die mit Abstand am stärksten ansteigenden Krankenhauserreger“, wobei sich die Zahl der ESBL-Infektionen auf Intensivstationen zwischen 2003 und 2009 fast verfünffacht habe, erläuterte Piening gegenüber dem „Tagesspiegel“. Die resistenten ESBL-Keime „machen bei Gesunden nichts, bei Kranken alles“, so die Einschätzung des Experten zu den Gesundheitsrisiken der ESBL-Keime. Der Übertragungsweg laufe dabei meist über direkten Kontakt, weshalb auch die Handdesinfektion auf Neugeborenen-Intensivstationen extrem wichtig sei, erläuterte Piening. Der Fachmann gestand jedoch ein, dass die Einhaltung der Handdesinfektion nicht immer möglich sei, da bei akuten Notfällen wie dem Aussetzen des Herzschlages oder der Atmung jede Sekunde zählt und keine Zeit für die Handdesinfektion bleibe. Ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht laut Aussage des Hygienespezialisten auch bei zu geringer Personaldecke und bei überfüllten Stationen. Für das vermehrt Auftreten der antibiotika-resistenten Keime macht der Experte jedoch nicht nur die Bedingungen in den Kliniken verantwortlich, sondern verweist auch auf den unsachgemäßen Einsatz der Antibiotika in der Nutztierhaltung. Dieser fördere ebenfalls die Entstehung multiresistenter Erreger, die anschließend auch auf den Menschen überspringen können, so die Aussage des Experten. (fp)
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Bild: Michael Bührke / pixelio.de
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