Chinarestaurant-Syndrom: Fakten oder Fiktion
10.11.2011
Die gesundheitlichen Auswirkungen von Glutamat sind bis heute umstritten. Während die Einen behaupten, von den sogenannten Geschmacksverstärkern gehe keinerlei gesundheitliches Risiko aus, klagen Personen mit einer Glutamat-Intoleranz über erhebliche Beeinträchtigungen nach dem Glutamat-Verzehr.
Asiatische Wissenschaftler haben in einer aktuellen Studie keine negativen Auswirkungen des Glutamats feststellen können und verweisen das erstmals 1968 thematisierte sogenannte „Chinarestaurant-Syndrom“ ins Reich der Legenden. Glutamat habe bei den Studienteilnehmern keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen mit sich gebracht, so die Aussage der aktuellen asiatischen Studie. Für Betroffene der Glutamat-Intoleranz eine kaum nachvollziehbare Aussage, sind sie doch davon überzeugt, dass die Geschmacksverstärker bei ihnen regelmäßig zu Symptomen wie Kopfschmerzen, Hautrötungen, Muskelbeschwerden, Herzklopfen, Übelkeit und Erbrechen führen.
Chinarestaurant-Syndrom erstmals 1968 beschrieben
Die erste wissenschaftliche Untersuchung zur möglicherweise gesundheitsschädigenden Wirkung des Glutamats wurde 1968 von Dr. Robert Ho Man Kwok im Fachmagazin „New England Journal of Medicine“ vorgestellt. Der Arzt berichtete über Besucher chinesischer Restaurants, die nach dem Essen ein hochrotes Gesicht hatten und unter Nackenschweiß, Kopfschmerzen und Übelkeit bis zum Erbrechen litten. Dr. Robert Ho Man Kwok zufolge schien klar, dass die negative gesundheitliche Wirkung durch das Glutamat im Essen ausgelöst wurde. Die nachfolgenden Studien konnten jedoch bis heute keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen dem sogenannten „Chinarestaurant-Syndrom“ und dem Glutamat-Gehalt des Essens feststellen. So haben auch die aktuellen Studien asiatischer Forscher keine Hinweise auf mögliche Gesundheitsbedrohungen durch Glutamat ergeben. Glutamate sind die Ester und Salze der Glutaminsäure, welche natürlicherweise in zahlreichen Lebensmitteln enthalten sind. So weisen zum Beispiel sämtliche eiweißhaltigen Nahrungsmittel Anteile von Glutamat auf. Besonders viel natürliches Glutamat ist in Käse und Fleisch enthalten, aber auch Fisch, Weizen- oder Mais-Vollkornmehl, Reis, Erbsen und Tomaten enthalten Glutamat. Selbst in Muttermilch ist laut Aussage der Wissenschaftler Glutamat enthalten. In der Lebensmittelindustrie wird Glutamat vor allem in Form von Mononatriumglutamat als Geschmacksverstärker eingesetzt, oftmals um ansonsten recht fad schmeckenden Fertiggerichten ein wenig Geschmack zu verleihen. Die verwendeten Glutamate werden dabei im menschlichen Körper auf die gleiche Weise verstoffwechselt wie die natürlicherweise vorkommenden Glutaminsäuren.
Glutamat von Natur aus in zahlreichen Lebensmitteln enthalten
Auch die Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) erklärte in einem aktuellen Beitrag gegenüber „Welt Online“, dass „Glutamat natürlicherweise in fast allen Lebensmitteln zu finden“ sei und wir „über die Nahrung bei normaler Mischkost täglich circa acht bis zwölf Gramm Glutamat“ aufnehmen. Glutamat verstärkt dabei nicht nur den Eigengeschmack der Lebensmittel und regt die Speichelbildung an, sondern ist auch für grundlegende Funktionen des menschlichen Organismus erforderlich. So bildet Glutamat den wichtigsten erregenden Neurotransmitter (Botenstoffe) im zentralen Nervensystem. Das vermeintlich krankmachende Glutamat ist entscheidend für die Informationsübermittlung und -verarbeitung im Gehirn, insbesondere beim Informationsfluss über die Riech- und Geschmacksnerven zur Amygdala. Auch übernimmt Glutamat laut Aussage der Experten wichtige Aufgaben bei der Zellteilung zum Beispiel im Bereich der Darmschleimhaut. Während nach Ansicht einiger Wissenschaftler die zentrale Bedeutung des Glutamats als Botenstoff den Schluss nahe legt, dass die Symptome des „Chinarestaurant-Syndroms“ durch die Geschmacksverstärker bedingt werden könnten, sehen andere das natürliche Vorkommen des Glutamats im menschlichen Organismus als Argument gegen negative gesundheitliche Auswirkungen der Geschmacksverstärker.
Lebensmittelunverträglichkeit statt Glutamat-Intoleranz Ursache der Beschwerden
Im Rahmen einer umfassenden Studie haben asiatische Wissenschaftler daher erneut überprüft, welche gesundheitlichen Folgen Glutamat mit sich bringen kann. Die Forscher konnten dabei keinen Zusammenhang der Glutamat-Aufnahme mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen feststellen. Zwar litten einige Studienteilnehmer nach dem Verzehr der asiatischen Gerichte tatsächlich unter körperlichen Beschwerden, diese seien jedoch nicht auf das Glutamat sondern auf die Unverträglichkeit anderer Inhaltsstoffe wie Garnelen, Erdnüsse, Fisch- und Sojasauce oder spezielle Kräuter zurückzuführen. Die gesundheitlichen Beschwerden seien zudem in erster Linie bei europäischen und amerikanischen Studienteilnehmern aufgetreten, was darauf hinweise, dass diese das typisch chinesische Essen nicht gewohnt sind und dessen Inhaltsstoffe daher weniger gut vertragen. Den asiatischen Forschern zufolge ist das „Chinarestaurant-Syndrom“ demnach eher auf allgemeine Nahrungsmittelunverträglichkeiten zurückzuführen, als auf den hohen Glutamat-Anteil. Bei der Anfälligkeit gegenüber Fisch- und Sojasauce ist jedoch zu erwähnen, dass diese häufig bei asiatischen Gerichten verwendeten Zutaten, einen deutlich erhöhten Glutamat-Anteil enthalten. Fischsauce wird traditionell aus Sardellen und anderen kleinen Fischen hergestellt, wobei sich während der rund 18-monatigen Fermentierung Aminosäuren, Peptide, Aromastoffe und natürliches Glutamat bilden, die der Sauce ihren Geschmack verleihen. Oftmals werden die Saucen in der asiatischen Küche statt Salz zum Würzen der Gerichte verwendet. Für den Geschmack des enthaltenen Glutamats besteht in Japan sogar ein eigenes Wort: „umami“ – wobei dies neben süß, sauer, salzig und bitter eine der Grundgeschmacksrichtungen angibt.
Ob Glutamat für den menschlichen Organismus generell ohne gesundheitliche Risiken ist oder ob möglicherweise einige Menschen doch eine sogenannte Glutamat-Intoleranz aufweisen, kann auch die aktuelle Studie nicht abschließend klären. Die asiatischen Forscher gehen jedoch davon aus, dass die gesundheitlichen Beschwerden in der Regel durch andere Inhaltsstoffe des Essens hervorgerufen und nicht durch die Geschmacksverstärker bedingt werden. (fp)
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Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
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