Strahlenbelastung angeblich nicht Ursache der Krebserkrankung bei Asse-Mitarbeitern
08.09.2012
Seit Jahren zieht sich der Streit um ein möglicherweise erhöhtes Krebsrisiko im Umfeld des maroden Atommülllagers Asse. Mitarbeiter der Asse, die an Krebs erkrankt waren, führten ihre Leiden auf die Strahlenbelastung zurück und versuchten, wie beispielsweise der Schlosser Eckbert Duranowitsch, ihre Krebserkrankungen bei der Berufsgenossenschaft als Berufskrankheit geltend zu machen.
Nachdem Duranowitsch im Anschluss an eine dreijährige Tätigkeit als Schlosser in der Asse an Leukämie erkrankt war, zeigte er den früheren Asse-Betreiber, das Helmholtz Zentrum München, an und versuchte seine Krebserkrankung als Berufskrankheit geltend zu machen. Der Schlosser bemängelte, dass es für die meisten Beschäftigten der Asse zu seiner Zeit weder Schutzkleidung noch Dosimeter gegeben habe. Da Duranowitsch nicht der einzige Asse-Mitarbeiter war, der mit seiner Krebserkrankung an die Öffentlichkeit ging, sah sich das seit Anfang 2009 für die Asse zuständige Bundesamt für Strahlenschutz zu einer Reaktion gezwungen und startete das Gesundheitsmonitoring Asse zur Ermittlung der Strahlenbelastung der Beschäftigten in dem Bergwerk.
Keine aufgrund der Strahlenbelastung auftretenden Krebserkrankungen nachweisbar
Am Dienstag gab das Bundesamt für Strahlenschutz (BFS) nun die Ergebnisse der abschließenden zweiten Phase des Monitorings bekannt. Für die Betroffenen Asse-Mitarbeiter dürften sich dies jedoch eher wie ein schlechter Witz darstellen, denn die Behörde kommt zu dem Fazit, dass bei den Beschäftigten des Atommülllagers keine Krebserkrankungen infolge von radioaktiver Strahlung bei der Arbeit nachgewiesen werden konnten. „Ihre individuelle Strahlenbelastung durch ihre Tätigkeit in der Asse war zu gering, als dass nach dem Stand der Wissenschaft dadurch nachweisbar Krebserkrankungen ausgelöst werden konnten“, so die Mitteilung des BFS. Die zweite Phase des Monitorings habe die Ergebnisse der ersten Untersuchungsphase bestätigt, bei der das BFS bereits festgestellt hatte, dass der Krebs bei den Asse-Mitarbeitern nicht durch die Strahlenbelastung ausgelöste werden konnte. Grundlage der ersten Auswertung bis Anfang 2011waren die Mess- und Beschäftigungsdaten des Helmholtz Zentrums München für die knapp 700 Mitarbeiter die zwischen 1967 bis 2008 in der Asse tätig waren. Das BFS berechnete auf Basis der vorliegenden Daten die sogenannte effektive Dosis der Strahlung in Millisievert, um eine Aussage zur Belastung der Asse-Mitarbeiter treffen zu können. Dabei wurde im Rahmen der Berechnung auch die äußere Strahlung aus der Umgebung und durch Radionuklide auf der Haut sowie die innere Belastung durch Einatmen und Verschlucken berücksichtigt.
Strahlenbelastung der Asse-Mitarbeiter unter dem vorgesehenen Grenzwert
Das Ergebnis der ersten Untersuchungsphase war eine anonymisiert ermittelte Belastung der Asse-Mitarbeiter zwischen zwölf und 115 Millisievert, wobei sieben Personen, die bereits in der Anfangszeit in der Asse arbeiteten oder über einen längeren Zeitraum in dem maroden Atommülllager tätig waren, eine Belastung von mehr als 100 Millisievert aufwiesen. Sämtliche Werte lagen deutlich unter der „Berufslebensdosis“ von 400 Millisievert, die der Strahlenschutzverordnung zufolge zulässig sind. Ob mit dieser Belastung tatsächlich kein erhöhtes Gesundheitsrisiko einhergeht, wie vom Bundesamt für Strahlenschutz angenommen, ist jedoch dahingestellt. Hier hilft auch die Aussage, „dass nach dem Stand der Wissenschaft“ durch derartige Belastungen keine Krebserkrankungen ausgelöst werden nur wenig. Denn der Stand der Wissenschaft hat sich in den vergangenen Jahrzehnten teilweise erheblich gewandelt. So galten früher noch wesentlich höhere Strahlendosen als ungefährlich und die Grenzwerte wurden aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse immer wieder herabgesetzt. Auch lässt sich laut Aussage des BFS nicht ausschließen, dass bei Beschäftigten, die das Angebot einer individuellen Auswertung ihrer Strahlenbelastung nicht genutzt hätten, doch höhere Strahlenbelastungen aufgetreten seien, was zumindest Zweifel an der Aussagekraft des Monitorings zulässt.
Kritik an den Aussagen des Monitorings
Zwar hatten die Experten des BFS versucht, die bereits vor einem Jahr bemängelten, bestehenden Datenlücken der ersten Untersuchungsphase durch persönliche Befragungen und Festlegung von „Ersatzwerten“ zu schließen. Doch von den knapp 700 im Gesundheitsmonitoring erfassten Mitarbeiter nutzen lediglich 33 das Angebot zur Datenergänzung und nur 22 von ihnen füllten den vorgesehenen Fragebogen aus. So bestehen hier weiterhin Unsicherheiten in Bezug auf die Aussagekraft des Monitorings. Die in der Vergangenheit des öfteren wiederholte Erklärung der zuständigen Behörden, ein erhöhtes Krebsrisiko durch die Strahlenbelastung der Asse könne ausgeschlossen werden, ist auch aus diesem Grund für die meisten Kritiker nicht nachvollziehbar. Zumal das BFS auch auf eine Ende 2010 in der Umgebung des maroden Atommülllagers festgestellte erhöhte Krebsrate in der Bevölkerung, quasi die wortgleiche Antwort gab und einen Zusammenhang mit der Strahlenbelastung der Asse prinzipiell ausschloss. Wie jedoch schon Leonardo da Vinci seinerzeit betonte, sollte die wahre Lehrmeisterin der Dinge die Erfahrung sein. Sich hier auf berechnete Werte zu stützen und damit die Asse von einer möglichen Erhöhung des Krebsrisikos freizusprechen, obwohl die Krebserkrankungen der ehemaligen Asse-Mitarbeiter und der Einwohner der Samtgemeinde Asse nicht von der Hand zu weisen sind, erscheint äußerst fragwürdig. Insbesondere da die Kritiker schon im Vorfeld des Monitorings davon die Behauptung aufstellten, dass die Behörden mit dem Monitoring lediglich ihren bisherigen Standpunkt stützen werden. (fp)
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