Neues Sportprogramm: Mediziner sagen Depression mit Sport den Kampf an
05.05.2012
An der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) haben Psychiater und Sportwissenschaftler gemeinsam ein neues Sportprogramm für Patienten mit Depressionen vorgestellt. Am Freitag fiel an der MHH der Startschuss für die Erprobung des Trainingsprogramms „Aktiv aus dem Stimmungstief“. Das Sportprogramm wurde zur Umsetzung in Sportvereinen konzipiert und soll den rund vier Millionen Depressionspatienten in Deutschland helfen, im Alltag gegen ihre Erkrankung anzugehen.
Trainingsprogramm „Aktiv aus dem Stimmungstief“ soll Depressiven helfen
Zeigt das neu entwickelte Sportprogramm den gewünschten Erfolg, könnten die Sportvereine deutschlandweit in Zukunft einen wesentlichen Beitrag bei der Behandlung von Depressionen leisten. Das speziell für Menschen mit Depressionen entwickelt Trainingsprogramm basiert im wesentlichen auf moderatem Ausdauertraining, wobei zum Beispiel „Walking, leichtes Lauftraining und spielerische Übungen“ Bestandteil des Programms „Aktiv aus dem Stimmungstief“ sind, erklärte der Sportwissenschaftler Dr. Olaf Hoos von der Philipps-Universität Marburg. Der aktuellen Mitteilung der MHH zufolge leiden „schätzungsweise vier Millionen Menschen in Deutschland“ an einer behandlungswürdigen Form der Volkskrankheit Depressionen „Es ist bekannt, dass vielen Betroffenen Bewegung hilft. Doch leider steht der weiten Verbreitung der Krankheit nur ein geringes Angebot an spezifischen Sport- und Bewegungstherapien gegenüber“, erklärte Professor Dr. Marc Ziegenbein, stellvertretender Direktor der MHH-Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie. Das neu entwickelte Sportprogramm für Depressive bietet hier Abhilfe und „die Teilnehmer erhalten außerdem Informationen, wie sie langfristig ihr Training sinnvoll selbst gestalten können“, so Dr. Olaf Hoos weiter.
Reduzierung der depressiven Symptome durch neues Sportprogramm
Die Wissenschaftler betonten bei Vorstellung des neuen Sportprogramms für Depressive, es sei wünschenswert, dass möglichst niedrigschwellige Angebote ihren Platz im Alltag der Sportvereine finden, da nicht nur die Bewegung an sich eine positive Wirkung auf die Krankheit habe, sondern der Vereinsport auch zu einer besseren sozialen Integration und zu einer Entstigmatisierung der Patienten beitrage. Die Wirkung des Programms wird nun in dem Sportverein „SV Eintracht Hannover“ an 50 Patienten erprobt, wobei sich die Teilnehmer drei Mal wöchentlich zu Trainingseinheiten von 45 bis 60 Minuten treffen. Durch die sportlichen Aktivitäten soll nach Hoffnung der Forscher in erster Linie eine Reduzierung der depressiven Symptome und ein verbessertes Körpergefühl erreicht werden. „Darüber hinaus soll durch die zunehmende körperliche Fitness auch das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen reduziert werden“, so die Aussage in der Pressemitteilung der MHH. Des weiteren werde die Selbsteinschätzung der Depressiven in Bezug auf die gesundheitsfördernden Aspekte des Sports gefördert und die Patienten lernen, das Bewegungsprogramm eigenständig fortzusetzen. Die Kontrollgruppe wird von der Bereitschaftspolizei Würzburg gestellt, wo eine entsprechende Anzahl von Teilnehmern ebenfalls das Programm absolviert.
Trainingsmodul für Kliniken, Sportvereine und Gesundheitseinrichtungen
Von der Erprobung des Trainingsprogramms „Aktiv aus dem Stimmungstief“ erhoffen sich die Forscher auch Hinweise darauf, „welche Belastungsart und welche Trainingsintensität für eine begleitende Therapie von Depressionen besonders geeignet sind“, erläuterte die Professorin Dr. Petra Garlipp, geschäftsführende Oberärztin der MHH-Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie. Das Ziel ist „ein bewährtes Trainingsmodul, das auch andere Kliniken, Sportvereine und Gesundheitseinrichtungen nutzen können“, so die Pressemitteilung der MHH. Auf diese Weise könnte Depressionspatienten ein breiterer Zugang zu speziell auf sie zugeschnittenen Bewegungs- und Sportprogramme ermöglicht werden. Die Forscher hoffen, dass in Zukunft das Programm „Aktiv aus dem Stimmungstief“ genauso zum Alltag in den Vereinen gehört wie beispielsweise Rückengymnastik oder Kurse für Herzpatienten.
Einbindung der Sportvereine eine gute Idee
Der Leiter des Referats Sportpsychiatrie der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde und Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik am Universitätsklinikum Aachen, Prof. Frank Schneider, erklärte in Bezug auf das Projekt gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa“, es sei „eine richtig gute Idee, die Sportvereine ins Boot zu holen.“ Denn in psychiatrischen Kliniken seien sportliche Aktivitäten im Rahmen der Physiotherapie ein selbstverständlicher Bestandteil jeder Behandlung, doch im ambulanten Bereich fehlen entsprechende Bewegungsangebote für psychisch Kranke, so Prof. Schneider.
Entwickelt wurde das Programm von Psychiatern der MHH-Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie sowie Sportwissenschaftlern der Universitäten Würzburg und Marburg. Die Trainingsmethode wird nun in Kooperation mit einem Sportverein aus Hannover getestet und von der Robert-Enke-Stiftung finanziell unterstützt. (fp)
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Bild: Professorin Petra Garlipp, Dr. Olaf Hoos, Teresa Enke, Professor Marc Ziegenbein, Rolf Jägersberg und Rita Girschikofsky
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