Überstunden begünstigen das Auftreten von depressiven Erkrankungen
26.01.2012
Die meisten Arbeitgeber verlangen von ihren Beschäftigten, in Zeiten guter Auftragslagen Überstunden abzuleisten. Müssen Arbeitnehmer aufgrund mangelnder Personalpolitik oder Einsparungen längerfristig Mehrstunden ableisten, können daraus psychische Störungen wie schwere Depressionen resultieren. Das fanden britische und finnische Wissenschaftler im Rahmen einer Studie der College University London und des Instituts für Arbeitsmedizin in Helsinki heraus. Demnach schaden Überstunden nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch Arbeitgeber, die aufgrund längerer Krankheitsausfälle betriebliche Maßnahmen vollziehen müssen.
Zu den häufigsten psychischen Störungen gehören depressive Erkrankungen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO prognostizierte unlängst, dass Depressionen bis 2030 zu den am häufigsten auftretenden Krankheiten in den westlichen Industrienationen gehören werden. Einhergehend werden Depressionen künftig am meisten Krankheitstage provozieren, was die Frage nach den Ursachen aufwirft. Ein internationales Forscherkonsortium vermutet, dass die steigende Arbeitslast hierfür mitverantwortlich ist.
Langzeitstudie mit Angestellten in britischen Behörden
Müssen Angestellte einen längeren Zeitraum täglich Überstunden ableisten, können als Folge schwerwiegende Depressionen resultieren. Das ergab eine Langzeitstudie mit rund 2000 britischen Behördenmitarbeitern. Mussten Arbeitnehmer jeden Tag drei bis vier Stunden mehr arbeiten als üblich, stieg die Wahrscheinlichkeit für eine schwere Depression signifikant gegenüber Angestellten ohne Mehrarbeit. Das berichtet das Forscherteam um Marianna Virtanen vom University College London und dem Finnischen Institut für Arbeitsmedizin in Helsinki in dem wissenschaftlichen Fachmagazin „Plos One“.
An der Studie nahmen insgesamt 1626 Männer und 497 Frauen teil. Das durchschnittliche Teilnehmeralter betrug 47 Lebensjahre. Die Probanden wurden zwischen 3,8 und 7,2 Jahre beobachtet. Elf Prozent der Beobachteten musste täglich elf Stunden und mehr arbeiten. Vor dem eigentlichen Studienbeginn wurde mittels einer Befragung und Untersuchung ausgeschlossen, dass die Beschäftigten an psychischen Erkrankungen leiden, um das Ergebnis nicht zu verfälschen.
Doppelte Wahrscheinlichkeit für Depressionen bei Überstunden
66 Angestellte (3,1 Prozent) entwickelten im Verlauf der Studie eine schwere Depression. Bei den 1105 Arbeitnehmern mit 7 bis 8 Arbeitsstunden täglich waren es 38 und bei den 227 Probanden mit 11 bis 12 täglicher Arbeitszeit waren es 10 Betroffene. Bei der Datenauswertung wurde im Anschluss der Einfluss weiterer Faktoren wie Bewegungsarmut oder mangelnde Ernährung herausgerechnet. Im Ergebnis konnte belegt werden, dass das Risiko an einer manifestierten Depression zu erkranken bei den Vielarbeitern doppelt so hoch war, als bei Normalarbeitern.
Zwar können „gelegentliche Überstunden Vorteile für den Einzelnen und die Gesellschaft haben“ erklären die Forscher in dem Studienbericht, doch sei es „wichtig zu betonen, dass übermäßige Arbeitsstunden auch mit einem erhöhten Risiko für schwere Depressionen einhergehen.“ Das müsse beachtet werden, wenn Arbeitnehmer ständig Überstunden ableisten müssen. Allerdings können die Wissenschaftler um Studienleiterin Marianna Virtanen nicht „plausibel erklären“, warum Depressionen vermehrt bei Mitarbeitern mit Überstunden auftreten, jedoch zeigen andere Forschungsarbeiten, dass „viel Zeit im Job das Familienleben stört und Konflikte schürt“. Die Menschen erleben weniger Entspannungen und Erholungsphasen zwischen den Arbeitstagen, was wiederum zu mehr „Stresshormone im Blut“ produzieren kann.
Die Datenerfassung stammt aus aus der sogenannten „Whitehall-II-Studie“, die 1985 in London begann und etwa 10.000 Mitarbeiter von britischen Behörden einbezieht. Grundsätzlich gelten diese Teilnehmer als gesünder im Vergleich der durchschnittlichen Gesamtbevölkerung. Die Quote verfestigter Depressionen liegt im Schnitt 3,1 Prozent niedriger als bei anderen Studien der Normalbevölkerung. Hier liegt die Rate von Depressionen bei rund fünf Prozent, erklären die Wissenschaftler.
Weitere Studien in anderen Arbeitsfeldern notwendig
Notwendig sind weitere Forschungen zum Beispiel bei Arbeitern in Fabriken oder im privaten Dienstleistungssektor. Zudem gebe es Studien, die bei der Erfassung der depressiven Erkrankungen auf andere Resultate kommen. Das Problem ist, dass im Wesen nicht eindeutig definiert ist, ab welchem Zeitpunkt von Überstunden gesprochen werden kann.
Höheres Herzerkrankungsrisiko bei Überstunden
Bereits im Jahre 2010 hatten gleiche Forscher eine Studienarbeit veröffentlicht, die darauf hinweist, dass Überstunden die Wahrscheinlichkeit von Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht. Es zeigte sich, dass Angestellte in britischen Behörden, die mehr als 11 bis 12 Stunden täglich arbeiten, über ein um 60 Prozent erhöhtes Risiko für einen Herzinfarkt haben. Die erhöhte Risikorate zeigte sich, obwohl andere Faktoren wie ungesunde Ernährung, Rauchen oder Bewegungsarmut zuvor herausgerechnet wurden. Unter den 6000 Teilnehmern waren auch leitende Angestellte Es zeigte sich, dass die Position oder das Arbeitsumfeld eine positive Wirkung haben, wenn die Entscheidungsfreiheit eine große Rolle spielt. Je positiver das Umfeld und je mehr Entfaltungsmöglichkeiten vorhanden sind um so geringer war auch das Risiko für Herzkranzgefäßkrankheiten. (sb)
Lesen Sie zum Thema:
Überstunden sind schlecht fürs Herz
Freizeit-Krankheit: Wie Freizeit krank machen kann
Depressionen provozieren Schlaganfälle
Stress am Arbeitsplatz erhöht Herzinfarkt-Risiko
Bild: Gerd Altmann / pixelio.de
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.