Positives Sozialverhalten von gestressten Männern
23.05.2012
Männer reagieren auf Stress mit positivem sozialem Verhalten, so das überraschende Ergebnisse einer aktuellen Studie des Forscherteams um Dr. Bernadette von Dawans und Professor Dr. Markus Heinrichs von der Universität Freiburg.
Wie die Wissenschaftler in dem Fachjournal „Psychological Science“ berichten, galt bislang bei Männern „die Kampf-oder-Flucht-Reaktion allgemein als die prototypische Stress-Reaktion, sowohl physiologisch als auch im Verhalten.“ Doch ihre aktuelle Studie habe diese Annahme widerlegt, schreiben Dawans und Kollegen. Ähnlich wie Frauen zeigten „auch Männer soziales Annäherungsverhalten als unmittelbare Konsequenz von Stress“, erläuterte Dr. Bernadette von Dawans. Erklärt wird dieses Verhalten mit dem „Tend-and-befriend-Konzept“, dass in Stresssituationen von einem beschützenden („tend“) und Freundschaft anbietenden („befriend“) Verhalten ausgeht, so die Mitteilung der Universität Freiburg.
Sozialverhalten gestresster Männer erstmals experimentell untersucht
Im Rahmen der aktuellen Studie hat das Forschungsteam laut Pressemitteilung der Universität Freiburg „erstmals das Sozialverhalten bei Männern unter Stress experimentell untersucht.“ Neben den Freiburger Psychologen und Neurowissenschaftlern waren auch die Ökonomen Professor Dr. Ernst Fehr von der Universität Zürich und Professor Dr. Urs Fischbacher von der Universität Konstanz sowie der Psychologe Professor Dr. Clemens Kirschbaum von der Technischen Universität Dresden an der aktuellen Studie beteiligt. Um das Sozialverhalten der Männer in Stresssituationen zu ermitteln, entwickelten die Wissenschaftler ein spezielles standardisiertes Verfahren und konzipierten soziale Interaktionsspiele, mit denen positives Sozialverhalten wie Vertrauen oder Teilen, aber auch negatives Sozialverhalten wie Bestrafen, gemessen werden kann. 34 freiwillige Männer wurden zunächst einer Stresssituation ausgesetzt, bei der sie anspruchsvolle Rechenaufgaben unter Zeitdruck lösen und einen Text vor Publikum vortragen sollten. Wie gestresst die Probanden durch diese Prozedur waren, kontrollierten die Forscher anhand des Puls und des Gehalts von Stresshormonen im Speichel.
Gestresste Männer zeigen positives Sozialverhalten
Unmittelbar nach dem Durchlaufen der Stresssituation absolvierten die Männer – ebenso wie eine gleichgroße Kontrollgruppe von nicht gestressten Probanden – mehrere Interaktionsspiele, anhand derer ihr Sozialverhalten überprüft wurde. Die Probanden spielten mit einem Computerprogramm, wobei sie gefragt wurden, ob sie dem Spielpartner trauen, wie sie die erspielte Belohnungssumme zwischen sich und dem Partner aufteilen würden und ob sie bei unfairem Verhalten des Computerpartners eine Bestrafung umsetzen, selbst wenn dies für sie selber den Verlust der Belohnung bedeutet. Die Ergebnisse der Versuche belegen, „dass Stress ein sozial-annäherndes Verhalten auslöst, welches als potente Stressverarbeitungsstrategie fungiert und außerdem die Tend-and-befriend-Hypothese bestätigt“, schreiben die Forscher in dem Artikel „Die soziale Dimension der Stressreaktivität“. Die gestressten Probanden zeigten Dawans und Kollegen zufolge deutlich mehr positives Sozialverhalten als die Teilnehmer der Kontrollgruppe, das negative Sozialverhalten blieb indes von dem Stress der Probanden unberührt, was durchaus verwunderlich ist, zumal seit fast hundert Jahren die Lehrmeinung galt, dass Männer unter Stress zu aggressivem Verhalten tendieren. Tatsächlich hatte im Rahmen der Versuche „Stress keinen Einfluss auf die Bereitschaft, antisoziales Verhalten zu zeigen oder unsoziale Risiken einzugehen“, so die Aussage von Dr. Dawans, Professor Dr. Heinrichs und Kollegen.
Annäherungsverhalten als Reaktion auf Stress
Die Forschungsergebnisse widerlegen die bisherigen Theorien zum Verhalten der Männer unter Stress und legen den Schluss nahe, dass Männer in bedrohlichen Situationen ähnlich wie Frauen einen verstärkten Wert auf soziale Bindungen und gegenseitige Unterstützung legen „Offenbar zeigen auch Männer soziales Annäherungsverhalten als unmittelbare Konsequenz von Stress“, betonte die Dr. Bernadette von Dawans. Im Rahmen der Versuche sei das Vertrauen und die Bereitschaft zum Teilen durch die Stresssituation gestiegen, während die Bestrafung des Spielpartners, welche mit aggressivem Verhalten gleichzusetzen ist, unbeeinflusst blieb. (fp)
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