DAK-Gesundheitsreport: Hohes Risiko für Herzinfarkt durch Bürostress
15.02.2012
In den westlichen Industrieländern sinkt zwar die Zahl derer, die an Herzinfarkten sterben, jedoch ist dieser Umstand in erster Linie durch verbesserte Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten begründet. Darüber hinaus hat der Nikotinkonsum besonders unter Männern deutlich nachgelassen. Seit langem sinken die Krankenhausaufenthalte aufgrund von Herzinfarkt nicht mehr. Laut des aktuellen DAK-Gesundheitsreport ist Bürostress einer der maßgeblichen Faktoren für ein hohes Herzinfarktrisiko.
Bei Depressionen und Burnout leidet auch das Herz
Durch den ständig wachsenden Druck am Arbeitsplatz leidet das Herz. Mediziner warnen deshalb vor zu viel Stress im Berufsleben. Dieser lasse die Herzinfarkt-Rate deutlich noch oben ansteigen. Jedes Jahr ereignen sich laut Gesundheitsreport mehr als 207.000 Herzinfarkte in Deutschland. Der DAK-Gesundheit-Chef Prof. Dr. Herbert Rebscher hält es für sehr wahrscheinlich, dass die wachsende psychosoziale Belastung im Berufsleben vieler Arbeitnehmer für Herzinfarkte verantwortlich ist. Auch die neue Technik, zu der das mobile Internet zählt, könnte zu den Ursachen gehören. „Hier gilt es erste Konsequenzen zu ziehen“, mahnt Rebscher. Er ist der Meinung, dass psychische Erkrankungen wie Depressionen oder das Burnout-Syndrom stärker beachtet werden müssen. „Wir müssen schauen, was vorbeugende, vorsorgende und präventiv gute Maßnahmen sind.“ Seit längerer Zeit ist durch Forschungsarbeiten bewiesen, dass Depressionen das Risiko für einen Herzinfarkt um 60 bis 100 Prozent erhöhen. Bislang haben Mediziner und Politik vor allem vor den Gefahren von Alkohol, Rauchen, Bluthochdruck, Übergewicht, Bewegungsmangel und Diabetes gewarnt. Psychische Belastungen und Störungen wurden bislang in den Debatten und in den Aufklärungsaktionen weitestgehend ignoriert.
Norbert Smetak, Bundesvorsitzender des Bundesverbands Niedergelassener Kardiologen in München ergänzt: „Bei Stress steigen unter anderem der Puls und der Blutdruck, und es werden die Stresshormone Adrenalin und Cortisol freigesetzt.“ Durch den hohen Hormonspiegel könnten Ablagerungen in den Herzkranzgefäßen zum Platzen gebracht werden und so einen akuten Herzinfarkt auslösen.
Bei einem Myokardinfarkt der umgangssprachlich Herzinfarkt genannt wird, bemerken die Betroffenen einen in der Regel einen mehr als 20 Minuten andauernden heftigen Schmerz im Thoraxbereich. Oftmals strahlen die Schmerzen in Schultern, Unterkiefer, Arme und Oberbauch aus. Dazu gesellt sich gelegentlich kalter Angstschweiß, Schwindel und Benommenheit. Die Symptome können aber auch sehr untypisch sein. Zu bemerken Frauen einen Herzinfarkt vielmals nicht, weil das Leitsymptom Bauchschmerzen ist. Die Überlebensrate hängt vom Alter, dem allgemeinen Gesundheitszustand und der schnellen medizinischen Notversorgung ab. Über 50 Prozent versterben vor Ankunft in eine Klinik an den Folgen eines Infarkts.
Umfragestudie über den Zusammenhang von Arbeitsstress und Herzinfarkt
Um zu ergründen, ob ein Kontext zwischen Herzinfarkt und Arbeitswelt besteht, hat die Kasse eine repräsentative Umfrage unter 3000 Arbeitnehmer gestartet. Dabei sind die Experten zu einem überraschenden Ergebnis gelangt. Aufgrund der anhaltenden Medienberichterstattung und den Debatten der Politik gehen viele davon aus, dass es um die Gesundheit der Angestellten schlecht steht. Allerdings sagte nur jeder Zehnte (9,3 Prozent) dass er unter einer sogenannten Gratifikationskrise leide. Mit dieser Krise wird ein beruflicher Stress beschrieben, der durch mangelhafter Anerkennung und schlechter Bezahlung entsteht. Eine Gratifikationskrise zeigt sich demnach, wenn „Beschäftigte die Belohnung nicht mehr im Verhältnis zu ihrer Anstrengung steht“. Forschungen hatten ergeben, dass für Betroffene dieser Krisenart ein hohes Herzinfarktrisiko besteht. „Je größer Selbstbestimmung und Gestaltungsmöglichkeiten am Arbeitsplatz sind, um so weniger tritt dieses Problem auf“, erklärt Rebscher bei Vorstellung des DAK Reports. Vor allem Facharbeiter und Arbeiter leiden mit einem Anteil von gut 11,2 Prozent bzw. 10,8 Prozent an dem Phänomen. Es bestehe „Handlungsbedarf in den Betrieben“, mahnt daher der Gesundheitsexperte.
Zeitdruck und Stress belasten die Menschen
Jeder Fünfte gab bei der Umfrage an, aufgrund des starken Zeitdrucks und des hohen Arbeitsaufkommen sich belastet zu fühlen. Zehn Prozent sagten, dass die geforderten Überstunden als belastend empfunden werden. Die DAK vermutet, dass die wachsenden psychosozialen Beanspruchungen mit den zunehmenden Krankschreibungen aufgrund psychischer Leiden in einem Zusammenhang stehen. „Angesichts älter werdender Belegschaften liegt hier ein besonderes Risikopotenzial für Herz-Kreislauf-Erkrankungen“, so Rebscher. 22,2 Prozent beklagen ein mangelndes ausgewogenes Verhältnis zwischen Entlohnung und erbrachter Arbeitsleistung. Auch das führt zu Stresssymptomen. 17 Prozent sagen, dass ihnen die Chefs zu wenig Anerkennung geben und 15 Prozent erleben ihre Arbeitssituation aufgrund von tatsächlichen und befürchteten Verschlechterungen als stark belastend.
Arbeit mit nach Hause nehmen lässt Herzinfarktrisiko ansteigen
Ein Drittel der Teilnehmer gab an, die Arbeit mit nach Hause zu nehmen. Gerade das Nichtabschalten und mitnehmen von Tätigkeiten stellt sich als signifikanter Risikofaktor für Herzinfarkte heraus. Ein wesentlicher Faktor besteht darin, dass viele Arbeitnehmer ihre Arbeit mit nach Hause nehmen, weil sie die Erledigungen am Arbeitsplatz nicht mehr schaffen. Wer aus diesem Grund die Arbeitstätigkeiten auf das heimische „Homeoffice“ verlegt, hat auch ein doppelt so hohes Risiko für ein Missverhältnis von Anstrengung und Belohnung. Daher sind die Betroffenen insgesamt einem höheren Myokardinfarkt-Risiko ausgesetzt. Wer allerdings Arbeit mit nach Hause nimmt, um beispielsweise Familien und Beruf besser in ein Einklang zu bringen, der besitzt ein geringes Risiko, da das Arbeiten angenehmer gestaltet wird.
Wer sich in einer Gratifikationskrise befindet, schätzt sein eigene gesundheitliche Verfassung deutlich schlechter ein, als andere. 50 Prozent mehr als im Vergleich zu anderen sagten, es ginge ihnen gesundheitlich schlechter. Neben der Selbsteinschätzung ist der Gesundheitszustand in der Realität tatsächlich auch schlechter. Viele der Betroffenen leiden unter Stimmungsschwankungen, Ängsten oder Hilflosigkeit. Kopfschmerzen und Schlafstörungen treten im Vergleich zu anderen etwa doppelt so häufig auf. Statt sich seiner eigenen Situation bewusst zu werden, „kümmern sie sich nicht stärker um ihre Gesundheit als andere Beschäftigte“, erklärt Rebscher. Die Unternehmen sollten mit einem „betrieblichen Gesundheitsmanagement“ gegensteuern, fordert der Gesundheitsexperte. Die Krankenkasse helfe gern dabei. (sb)
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Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
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