Multiresistente Erreger ein wachsendes Problem
11.07.2012
Multiresistente Erreger werden zu einem immer größeren Problem. Die gegen Antibiotika resistenten Keime finden sich nicht nur vermehrt in Kliniken, sondern auch in Mastbetrieben und nicht selten sogar auf dem Angebot in der Fleischtheke.
Bei der diesjährigen Regionalkonferenz Gesundheitswirtschaft Nordwest am heutigen Mittwoch in Oldenburg, haben sich die Gesundheitsexperten ausdrücklich den Risiken und Ausbreitungswegen multiresistenter Keime, wie dem Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA) oder ESBL produzierenden Endobakterien gewidmet. Die antibiotikaresistenten Erreger „sind eine große Herausforderung für die Gesundheitsversorgung“, so die Mitteilung des gemeinnützigen Vereins „Gesundheitswirtschaft Nordwest“. Den Experten zufolge müssen sich jedoch nicht allein die Krankenhäuser der Herausforderung stellen, sondern das gesamte Gesundheitssystem und auch nahestehende Bereiche wie die Nahrungsmittelversorgung sind betroffen.
Bakterien entwickeln Resistenzen durch Antibiotika-Einsatz in der Tierhaltung
Neben dem vermehrten Auftreten im Kliniksektor hat sich die Ausbreitung der multiresistenten Keime in den vergangenen Jahren vor allem im Bereich der Nahrungsmittelversorgung besorgniserregend entwickelt. Gerade in der Nordwestregion Deutschlands, wo besonders viele Tiermastbetrieb ansässig sind, stellen die multiresistenten Erreger ein erhebliches Problem dar. Laut Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) sind in den Mastbetrieben 82 Prozent der Schweine und 86 Prozent der Personen, die in der Schweinehaltung beschäftigt sind, mit multiresistenten Keimen besiedelt. Der massive Einsatz von Antibiotika in den Tiermastbetrieben hat zur Folge, dass die Erreger vermehrt Resistenzen entwickeln. Daher fordern Experten seit Jahren die Verwendung von Antibiotika in der Tierhaltung stärker zu reglementieren beziehungsweise zu kontrollieren. Denn eigentlich ist der Antibiotika-Einsatz nur im Krankheitsfalls der Tiere erlaubt, doch noch immer nutzen viele Züchter die Arzneien zur verbotenen Wachstumsförderung.
Resistente Erreger springen von Tieren auf den Menschen über
Wie der Direktor des Instituts für Krankenhaushygiene am Klinikum Oldenburg, Jörg Herrmann, gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa“ erklärte, sind die tierassoziierten MRSA-Stämme für den Menschen zwar deutlich weniger gefährlich, als die herkömmlichen Varianten dieser Bakterien, doch das Risiko sollte nicht unterschätzt werden. Denn unlängst hätten Forscher am Translational Genomics Research Institute in Flagstaff im Fachmagazin „mBio“ berichtet, dass bei mindestens einen Stamm der MRSA-Keime, dieser erst ohne Resistenzen vom Menschen auf die Tiere übergegangen sei, hier anschließend durch den Kontakt mit Antibiotika resistent wurde und anschließend wieder zurück auf den Menschen übersprang. Es sei belegt, dass dieser humanpathogene Erreger durch den leichtsinnige Umgang mit Antibiotika in der Tierhaltung entstanden ist. So fällt am Ende der unverantwortliche Umgang mit den Arzneimittel wieder auf uns zurück.
Multiresistente Keime gelangen von der Tierhaltung in Gesundheitseinrichtungen
Wie das RKI in seinen Untersuchungen bestätigte, sind viele Tierhalter mittlerweile mit den multiresistenten Keimen besiedelt, was nicht nur für die betroffenen Personen zu einem Problem werden kann, sondern auch die Gesundheitseinrichtungen vor wachsende Herausforderungen stellt. Denn bei Einlieferung ins Krankenhaus tragen die betroffenen die multiresistente Keime auch in die Kliniken, wo diese zu einem erheblichen Gesundheitsrisiko werden können. Krankenhausinfektionen sind ohnehin ein schwerwiegendes Problem, dass sich durch die zunehmenden Resistenzen der Erreger weiter zuspitzt. Laut einer Sprecherin der „Gesundheitswirtschaft Nordwest“ wird „die Zahl der krankenhausbedingten Infektionen für Deutschland pro Jahr auf 400.000 bis 600.000 geschätzt; die der dadurch bedingten Todesfälle auf 10.000 bis 15.000.“
Multiresistente Erreger beim Einkaufen inklusive
Die in den Mastbetrieben gebildeten multiresistenten Keime gelangen laut Herrmann mit dem verarbeiteten Fleisch auch in die Fleischtheke und können sich von hieraus weiter verbreiten. Dem Direktor des Instituts für Krankenhaushygiene am Klinikum Oldenburg zufolge lassen sich auf bis zu 40 Prozent des Putenfleischs sowie auf jeweils 20 Prozent des Hähnchen- und Schweinefleischs multiresistente Erreger nachweisen. „Jeden Tag, wenn wir einkaufen gehen, nehmen wir solche multiresistenten Erreger mit nach Hause“, betonte der Experte. Abhilfe könne hier zum Beispiel „die gute, alte Küchenhygiene aus Omas Zeiten“ liefern, so Herrmann weiter. Hände waschen nach jedem Arbeitsgang, unterschiedliche Küchenutensilien für die verschiedenen Zutaten nutzen und sämtliche potenziell belasteten Nahrungsmittel kochen, braten oder dünsten.
Überlegene Bakterien
Wie gravierend das Problem mit den multiresistenten Erregern heute bereits ist, verdeutlichte Jörg Herrmann anhand des Beispiel der MRSA-Keime. „Jeder fünfte Eitererreger, Staphylococcus aureus genannt, der bei einem Patienten nachgewiesen wird, ist so ein multiresistenter", erklärte der Experte. Noch Anfang der 1990er Jahre waren lediglich „ein bis zwei Prozent dieser Erreger resistent, heute sind es 20 Prozent", so Herrmann. Circa ein bis drei von 100 stationär behandelten Krankenhauspatienten sind heute mit MRSA besiedelt, womit „das Risiko der Übertragung – im Krankenhaus, in der Arztpraxis und in der Reha“ deutlich steigt, erläutere der Fachmann für Krankenhaushygiene. Ursprünglich hätten die Mediziner gedacht, sie könnten „mit der Entwicklung immer neuer Antibiotika den Resistenzen der Erreger begegnen“, doch mittlerweile sei klar, dass die Bakterien sind uns überlegen sind. Denn sie entwickeln deutlich „schneller neue Resistenzen als wir neue Antibiotika“ entwickeln können, erklärte er Experte. (fp)
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Bild: Manfred Blanck / pixelio.de
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