Bereits Neandertaler aßen bittere Heilpflanzen um gegen Erkrankungen vorzugehen
19.07.2012
Bereits vor über 50.000 Jahren kannten Frühmenschen die Naturheilkunde und aßen bittere Heilpflanzen für medizinische Zwecke. Das ergab eine Untersuchung von Nahrungsresten in den Zähnen der Neandertaler. Das internationale Wissenschaftlerteam um Karen Hardy von der Autonomen Universität Barcelona fand unter anderem Kamille und Schafgarbe im Zahnstein der Verwandten des Homo sapiens.
Neandertaler kannten die Heilkraft der Natur
Die Forscher untersuchten zehn Zahnsteinproben von fünf Neandertalern, die in der El-Sidrón-Höhle im Norden Spaniens gefunden wurden und etwa zwischen 47.000 bis 50.600 Jahre alt sind. Neben Stärkekörnern und anderen Pflanzenresten, wiesen die Wissenschaftler auch winzige Arzneistoffreste von Heilpflanzen wie Kamille und Schafgarbe nach. „Unsere Ergebnisse liefern den ersten molekularen Beweis für die Inhalation von Holz-Feuer Rauch und Bitumen oder Öl-haltiger Schiefer sowie dem Verzehr von einer Reihe gekochter pflanzlichen Lebensmittel“, berichtet das Forscherteam im Studienbericht. Da die Pflanzen bitter schmecken, liegt die Vermutung nahe, dass bereits unsere frühzeitlichen Vorfahren um die Heilkraft der Naturheilkunde wussten.
Karen Hardy und ihr Team sind sich sicher, dass die Arzneimittel gezielt zu medizinischen Zwecken eingesetzt wurden, wie sie im Fachmagazin „Naturwissenschaften" erläutern. Die Pflanzen seien weder besonders nahrhaft gewesen noch schmeckten sie gut. Der Verzehr der Pflanzen spreche eindeutig dafür, dass die Neandertaler die heilende Wirkung kannten. „Die Neandertaler ernährten sich offensichtlich weitaus vielseitiger und komplexer als bisher angenommen", berichtet Hardy. Fleisch spielte zwar eine entscheide Rolle in der Ernährung, jedoch deuteten die Untersuchungsergebnisse daraufhin, dass sich die Neandertaler gut mit den Pflanzen in ihrer Umgebung und ihren Eigenschaften auskannten. Pflanzen wurden demnach gezielt nach ihrem Nährwert oder zu medizinischen Zwecken ausgewählt, schreiben die Forscher. Neandertaler verfügten demnach über ein „ausgefeiltes Wissen über ihre natürliche Umgebung und besaßen die Fähigkeit bestimmte Pflanzen zu wählen und zu nutzen.“
Heilpflanzenreste wurden im Zahnstein der Neandertaler konserviert
Für ihre Studie nutzen die Wissenschaftler spezielle Analysemethoden, die es ermöglichten, mikroskopisch kleine Pflanzenreste und einzelne organische Moleküle zu identifizieren, die die Frühmenschen zu Lebzeiten zu sich genommen hatten und im Zahnstein eingelagert und konserviert wurden. Alle Proben beinhalteten verschiedenste, durch Hitze und Feuer geröstete und zerbrochene Stärkekörnchen. Zudem entdeckten die Forscher Reste von Gräsern, Gemüse und Nüssen. Auffällig sei jedoch, dass nur sehr wenig Proteine und mit Sicherheit von Fleisch stammende Substanzen gefunden wurden. Das spreche für einen geringen Fleischkonsum der Neandertaler, die zu dieser Zeit in der Region lebten. Dafür hätten sie eine relativ vielseitige Pflanzennahrung zu sich genommen. Zu diesem Ergebnis kamen auch frühere Studien.
Bei einem Neandertaler identifizierten die Wissenschaftler mehrere Azulene sowie die Cumarinverbindung 4-Methylherniarin. Diese stammen aus bitter schmeckenden Heilpflanzen wie Schafgarbe oder Kamille. „Dass dieses Individuum bitter schmeckende und wenig nahrhafte Pflanzen wie Schafgarbe und Kamille aß, ist ziemlich überraschend", berichtet Stephen Buckley von der britischen University of York, der an der Studie beteiligt war. Azulen wirke beispielsweise entzündungshemmend.
„Die Funde aus der El-Sidrón-Höhle haben dazu beigetragen, viele falsche Vorstellungen über die Neandertaler zu beseitigen", erklärt der Leiter der Studie Antonio Rosas vom Naturhistorischen Museum in Madrid. Inzwischen sei bekannt, dass die Neandertaler ihre Körper schmückten, ihre Toten begruben und Kranke versorgten. Die neuen Studienergebnisse zeigten, dass sie auch über Heilpflanzenwissen verfügten.
Heilpflanzen können Alternative zu herkömmlichen Medikamenten sein
Auch heute erfreuen sich Heilpflanzen großer Beliebtheit. In der Apotheke finden Verbraucher qualitativ hochwertige Phytopharmaka. Um gezielt die richtige Heilpflanze oder das entsprechende Präparat auszuwählen, empfehlen Apotheker eine ausführliche Beratung. Sie sind Experten und wissen, welche neuen Erkenntnisse und Entwicklungen in der Forscher gewonnen werden konnten, welche pflanzlichen Präparate besonders gut geprüft sind und welche Hersteller sich durch ein spezielles Können auszeichnen. Als Ergänzung zu der Beratung in der Apotheke hat das Komitee Forschung Naturmedizin e.V. (KFN) Ende 2011 einen „Phyto-Kompass“ entwickelt. Häufig sind Heilpflanzen oder pflanzliche Präparate eine gute Alternative zu herkömmlichen Medikamenten. Zudem haben sie häufig weniger Nebenwirkungen und sind besser verträglich. (ag)
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