Rekordwert von radioaktivem Cäsium bei Fischen vor Fukushima
22.08.2012
Nachdem erst kürzlich bekannt wurde, dass etwa die Hälfte aller Schmetterlinge in der Region Fukushima gravierende Mutationen und Schädigungen nach der Atomkatastrophe im Jahr 2011 aufweist, verkündete der Kraftwerksbetreiber TepCo am Mittwoch laut japanischen Medienberichten die nächste Hiobsbotschaft: Bei Meeresfischen seien so hohe Werte von radioaktivem Cäsium gemessen worden, dass der staatlich festgelegte und für den Verzehr als unbedenklich eingestufte Grenzwert um das 258-Fache überschritten sei. Auch bei der bevorstehenden Reisernte ist eine hohe Strahlenbelastung des Getreides zu erwarten. Jeder Sack Reis soll laut Medien von den Behörden überprüft werden.
Verseuchte Fische 20 Kilometer vor Fukushima gefangen
Die gesamte Ausmaß des Atomunglücks im Atomkraftwerk Fukushima Daiichi nach dem Tsunami 2011 zeigt sich erst nach und nach. Wie jetzt bekannt wurde, sind Fische, die Anfang August 20 Kilometer vor der Küste von Fukushima in einer Tiefe von 15 Metern gefangen wurden, erheblich radioaktiv belastet. Laut Atomkraftwerksbetreiber TepCo wurde "bei zwei Grünlingen ein Wert von 25.800 Becquerel radioaktiven Cäsiums pro Kilogramm Fisch gemessen". Demnach weisen die Fische vor Fukushima Rekordwerte bei der Strahlenbelastung auf. Der Messwert "entspricht der 258-fachen Menge von Cäsium, die die japanische Regierung als unbedenklich zum Verzehr einstuft". Der Fischfang vor der Küste der Provinz Fukushima wurde mit einer freiwilligen Beschränkung belegt, um zu verhindern, dass strahlenbelasteter Fisch in den Handel gelangt.
Erst Mitte August veröffentlichten japanische Wissenschaftler der Ryukyu-Universität in Okinawa eine Untersuchung im Online-Fachmagazin „Scientific Reports“, nach der bei Schmetterlingen eine Häufung von Missbildungen und Schädigungen auftritt, die auf die radioaktive Strahlung der Atomkatastrophe in Fukushima zurückzuführen ist. Fast eineinhalb Jahre nach der Kernschmelze stellten die Wissenschaftler fest, dass heute mehr als die Hälfte der Schmetterlinge aus der Region Mutationen wie deformierte Flügel oder Augen aufweisen. Zwar seien die Ergebnisse nicht eins zu eins auf den Menschen übertragbar, aber dennoch zeigten sie, dass die Schädigungen nicht nur in der ersten Generation, die der Strahlung ausgesetzt war, sondern auch in zweiter und dritter Generation auftreten, wie die Forscher berichten. Bei 240 untersuchten Schmetterlingen, die ein halbes Jahr nach der Atomkatastrophe von Fukushima in der Region gefangen wurden, traten bei 52 Prozent der Nachkommen Missbildungen auf.
Nachdem am 11. März 2011 Japan und im Besonderen die Region Fukushima von einem schweren Erdbeben erschüttert wurde, verwüstete ein Jahrhundert Tsumami weite Teile der Region und löste im Atomkraftwerk Fukushima Daiichi eine Kernschmelze aus. Große Mengen radioaktiver Teichen gelangten in die Umwelt und verursachten nicht nur in der Provinz Fukushima schwere Schäden.
Wie das Reaktorunglück in Tschernobyl im Jahr 1986 zeigt, hat ein solche Katastrophe noch Jahrzehnte nach dem Ereignis gravierende Auswirkungen. Dennoch wird ein Zusammenhang zwischen der massiven Strahlenbelastung und der hohen Anzahl von Krebsfällen, verminderter Fruchtbarkeit und einem damit verbundenen Rückgang der Geburtenrate sowie vermehrt auftretender Fehlbildungen bei Neugeborenen bis heute zum Teil von offizieller Seite geleugnet. Die Langzeitfolgen von Tschernobyl sind noch immer nicht absehbar.
Reisernte wahrscheinlich ebenfalls stark radioaktiv belastet
Zwar wurde die Lage im Atomkraftwerk offiziell für stabil erklärt, jedoch führen die aktuellen Strahlenbefunde in der Bevölkerung zu großer Beunruhigung. Für die bevorstehenden Reisernte im Nordosten des Landes, einer der wichtigsten landwirtschaftlichen Regionen Japans, planen die Behörden laut Medienberichten, jeden einzelnen Reissack auf seine Strahlenbelastung zu überprüfen, bevor er in den Handel gelangt. 2011 wurden dabei bereits Proben mit deutlich erhöhten Cäsiumwerten entdeckt. Der staatlich festgelegte Grenzwert entspricht derzeit 500 Becquerel pro Kilogramm. Ab Oktober soll der Grenzwert landesweit auf 100 Becquerel gesenkt werden, wobei die lokalen Behörden der Provinz Fukushima diesen Wert bereits früher ansetzen und jeden Reissack, der diese Marke übersteigt, aussortieren wollen.
Die japanische Regierung arbeitet derzeit an einer neuen Energiepolitik. Die Rufe aus der Bevölkerung nach einer atomfreien Energieversorgung werden immer lauter. Bei einer offiziellen Befragung von 290 Bürgern, gab knapp die Hälfte an, einen Atomausstieg bis 2030 zu befürworten. Weitere Optionen seitens der Regierung für den zukünftigen Anteil an Atomstrom an der Energiegewinnung sind bis 2030 15 Prozent oder 20 bis 25 Prozent. (ag)
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Bild: Gerd Altmann, Pixelio.de
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