Nach einem Fall von offener Tuberkulose in einer Kinderarztpraxis werden 930 Kinder zur Untersuchung geladen
30.08.2012
Rund 1000 Kinder aus Hilden und der Region werden in den nächsten Tagen und Wochen auf die schwere Infektionskrankheit Tuberkulose getestet. Nach Angaben der Gesundheitsbehörden könnten sich die betroffenen Kinder in einer Kinder- und Jugendarztpraxis angesteckt haben. Eine Sprechstundenhilfe der Praxis habe sich bereits im letzten Jahr infiziert. Der Tuberkulose-Infektion wurde allerdings erst jetzt bekannt, weil die Betroffene bislang unter keinen Krankheitsanzeichen litt.
Gesundheitsamt lädt Eltern und Kinder zur Untersuchung ein
Das Gesundheitsamt wird in den nächsten Tagen zahlreiche Familien anschreiben, um deren Kinder auf Tuberkulose zu testen. Es könne sein, dass sich einzelne Kinder infiziert haben, ließ eine Sprecherin verlautbaren. In der Kinderarztpraxis Hilden in Nordrhein-Westfalen sei ein weiterer Patientenfall von offener Tuberkulose (TBC) aufgetreten. Eine offene TBC ist hoch ansteckend und wird durch Tröpfchen übertragen. Eine Praxismitarbeiterin hatte sich bereits im letzten Quartal 2011 mit der gefährlichen Krankheit infiziert. Die Infektion wurde allerdings erst Ende Juli diesen Jahres diagnostiziert und behördlich gemeldet. Demnach ist es nicht auszuschließen, dass die Mitarbeiterin Patienten angesteckt hat. Daher sollen rund 1000 Kinder aus Hilden und den umliegenden Ortschaften in den nächsten zwei Wochen dahingehend untersucht auf TBC getestet werden.
„Das Gesundheitsamt hat bereits etwa 700 Familien mit ihren rund 980 Kindern angeschrieben und informiert“, wie die Behörden mitteilen. Die Betroffenen sind dazu aufgefordert, sich unentgeltlich im Gesundheitsamt testen zu lassen. Zusätzlich soll eine Informationsveranstaltung am Wochenende stattfinden, damit Fragen zur gefährlichen Lungenkrankheit von besorgten Eltern beantwortet werden können.
Möglicher Infektionszeitraum lässt sich eingrenzen
Die Behörden können den Zeitraum der möglichen Infizierungen gut eingrenzen, weil die Arztpraxis zum Jahresende 2011 von einem neuen Kinderarzt übernommen wurde. Mediziner haben hierfür ein Gutachten erstellt und stellten dabei fest, dass Kinder nur in den Monaten Oktober bis Dezember 2011 betroffenen sein könnten. Das sei ein großer Vorteil, wie die Sprecherin des Kreises Mettmann, Daniela Hitzemann, erklärte. Eine akute Ansteckungsgefahr bestehe heute definitiv nicht mehr.
Mittlerweile wird die infizierte Mitarbeiterin stationär behandelt. Noch immer ist völlig unklar, wie und wo sich die Patientin angesteckt hat. In ihrer Familie oder in ihrem sozialen Umfeld gebe es nach Behördenangabe bisher keine weiteren TBC-Fälle.
Derzeit keine TBC-Fälle bei Kindern gemeldet
Bislang liegen den Verantwortlichen keine konkreten Hinweise vor, dass sich tatsächlich ein Kind mit der Lungenkrankheit infiziert hat. „Wir haben die Eltern angeschrieben, um sie zu beruhigen“, betont das Gesundheitsamt. Die „Möglichkeit einer Infektion ist sehr gering“, so die Sprecherin. Eine Entwarnung kann aber erst Ende September gegeben werden, wenn alle Untersuchungen abgeschlossen sind.
Bei der Tuberkulose handelt es sich um eine bakterielle Infektionskrankheit. Am häufigsten befallen die Bakterien die Lungen. Eine Übertragung erfolgt in den meisten Fällen über eine Tröpfcheninfektion durch bereits Erkrankte. Das passiert zum Beispiel, wenn der Infizierte hustet und sich dadurch Keime in der Umgebung verteilen. Laut Hitzemann müssen sich die Personen aber mehrere Stunden in einem Raum mit dem Infizierten aufhalten, um ebenfalls befallen zu sein.
Krankheitsverlauf sehr langsam
Sind Keime im Auswurf des Patienten labortechnisch nachweisbar, so sprechen Mediziner von einer „offenen TBC“. Im Grundsatz ist der Verlauf der Erkrankung in verschiedene Stadien aufgeteilt. Bei einer intakten Immunabwehr können die Keime ohne Krankheitszeichen Jahrelang „schlummern“. Eine Tuberkulose entwickelt sich „sehr langsam wie bei einer Zeitlupe“. Müdigkeit, Krankheitsgefühl, Erschöpfung und Husten können, aber müssen nicht auf eine TBC hinweisen. Aus diesem Grund wurde die Krankheit bei der Praxisangestellten erst jetzt festgestellt. Im März diesen Jahres warnte das Robert-Koch-Institut vor einer erhöhten Tuberkulose-Rate bei Kindern.
Seit 2005 kann ein neuartiges Testverfahren angewendet werden. Dabei werden die Abwehrzellen aus dem Blut des Betroffenen mit einer Mixtur aus Antigenen stimuliert. Daneben stehen weitere Diagnosemöglichkeiten wie dem Hauttest zur Verfügung. Erkrankte werden meist mit einer Mischung aus mehreren antibiotischen Medikamenten eine längere Zeit behandelt. (sb)
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