Verhandlung zwischen Krankenkassen und Ärzten geplatzt: Ärzteschaft plant Streik
03.09.2012
Heute sollte die nächste Verhandlungsrunde zwischen Ärzten und Krankenkassen endlich eine Einigung in dem Konflikt um eine angemessene Vergütung der Mediziner bringen. Doch die Kassenärztliche Bundesvereinigung ist von den bisherigen Ergebnissen derart enttäuscht, dass sie überraschend den Verhandlungstisch verlassen hat. Die Verhandlungen seien nicht nur wegen der konkreten Ergebnissen, sondern vor allem auch wegen der Atmosphäre, in der diese Verhandlungen stattgefunden haben, geplatzt, erläuterte die Kassenärztliche Bundesvereinigung.
Laut Mitteilung der Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat das Vertrauensverhältnis zwischen Krankenkassen und der Ärzteschaft in den zurückliegenden Verhandlungswochen erheblichen Schaden genommen. Der KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Andreas Köhler sprach am Wochenende vor rund siebenhundert Vertragsärzten und -psychotherapeuten in Berlin von „ständig neuen Hetzkampagnen, deren einziges Ziel zu sein scheint, Ärzte als Pfuscher, Betrüger und geldgierige Abzocker darzustellen.“ Die Verhandlung seien zum gegenwärtigen Zeitpunkt als geplatzt zu bezeichnen. Es gebe „derzeit keine aktuellen Beschlüsse, weder zur Höhe der Preise der ärztlichen Leistungen, noch zur Gesamtvergütung wegen der Veränderung des Krankheitszustandes der Bevölkerung“, so die Mitteilung der KBV. Der Schlichter sei nun aufgefordert innerhalb von 14 Tagen eine neue Sitzung einzuberufen, wobei von den zwischenzeitigen Gesprächen mit den Vorständen des GKV-Spitzenverbandes abhänge, ob die Ärzteschaft dann präsent sein wird. Sollte keine einvernehmlichen Lösung erzielt werden, drohen Streiks und Praxisschließungen.
Vertrauensverhältnis zwischen Ärzten und Krankenkassen zerrüttet
Am Wochenende hatte KBV-Chef Köhler auf einer kurzfristig anberaumten Sonder-Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung in Berlin das Verhalten der Krankenkassen in den aktuellen Verhandlungen scharf kritisiert. Der Umgang mit den Ärzten sei „ein Angriff auf die Würde eines ganzen Berufsstandes, der in der Bevölkerung wie kein anderer höchstes Ansehen genießt“, betonte Köhler. Durch das Verhalten der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) habe das „Vertrauensverhältnis zwischen beiden Seiten in den vergangenen Wochen erheblichen Schaden genommen“, so die Mitteilung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Der Schlichterspruch, welcher eigentlich den Weg zu einer Einigung weisen sollte, habe das Fass zum überlaufen gebracht. Das Schlichtergremium von Ärzten und gesetzlichen Krankenversicherungen (Erweiterter Bewertungsausschusses für die vertragsärztliche Versorgung) unter Vorsitz des unabhängigen Gesundheitsökonomen Professor Jürgen Wasem hatte vergangenen Woche einen Vorschlag für die künftige Vergütung der Ärzte verabschiedet, der eine Erhöhung des Honorars der rund 150.000 niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten um insgesamt 270 Millionen Euro (0,9 Prozent) vorsah. Damit könnte die Vergütung pro Arzt laut Berechnung der Krankenkassen um durchschnittlich 1.800 Euro pro Jahr steigen. Heute sollten die Verhandlungen auf Basis dieser Zahlen zum Abschluss geführt werden.
Klage gegen geplante Erhöhung der Ärztehonorare
Doch nach Auffassung der Ärzte sind die vom Bewertungsausschuss vorgeschlagenen Anpassungen bei weitem nicht ausreichend. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hatte in den aktuellen Verhandlungen eine Anhebung der Vergütungen um insgesamt 3,5 Milliarden Euro (elf Prozent) gefordert., damit die seit dem Jahr 2008 deutlich gestiegenen Betriebskosten und die Inflation ausgeglichen werden können. Die nun vorgeschlagene Honorarerhöhung um 0,9 Prozent würde einem realen Einkommensverlust in Höhe von rund zehn Prozent gleichkommen, berichtet die Kassenärztliche Bundesvereinigung. Entsprechend groß war die Empörung in der Ärzteschaft über den Kompromissvorschlag des Schlichtergremiums. Durch diesen werde die Aufrechterhaltung der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung gefährdet, bemängelte die KBV. Mehrere Ärzteverbände hatten bereits mit Protesten, Praxisschließungen und Streiks gedroht, sollte an den 0,9 Prozent Honorarerhöhung festgehalten werden. KBV-Chef Köhler forderte das „Bundesgesundheitsministerium auf, den Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschuss über die Anhebung des Orientierungswertes um 0,9 Prozent zu beanstanden“ und „kündigte außerdem an, Klage vor dem Sozialgericht Berlin-Brandenburg zu erheben“, so die Mitteilung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung.
Gespräche zwischen Vertretern der Krankenkassen und Ärzteschaft im kleinen Kreis
Nach dem offiziellen Ausstieg aus den Verhandlungen, sollen nun mit den Spitzenvertretern des Krankenkassenverbandes zeitnah Gespräch in kleiner Runde geführt werden, berichtet die KBV. Hier müssten zunächst einige Grundsatzfragen geklärt werden, bevor die niedergelassenen Ärzte an den Verhandlungstisch zurückkehren, erläuterte Andreas Köhler. Die Verantwortlichen des GKV-Spitzenverbandes hätten die Einladung der Ärzteschaft zu einem Spitzengespräch in den kommenden Tagen angenommen. Bleiben auch diese Gespräche ohne einvernehmliches Ergebnis, seien Streiks und Praxisschließungen die letzte Option. Angesichts der Streik- und Klagedrohungen der Ärzte hatte der GKV-Spitzenverband die Mediziner gestern zu „mehr Vernunft und Rückkehr zur Sachlichkeit“ aufgefordert. Denn „bei den niedergelassenen Ärzten geht es um eine Berufsgruppe, die im Durchschnitt wirklich sehr gut verdient. Da braucht es nicht unbedingt viel mehr Geld, da geht es vor allem um die gerechte Verteilung zwischen den verschiedenen Arztgruppen, damit z.B auch die Landärzte angemessen bezahlt werden“, so Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbandes. Den Aussagen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zufolge, geht es vielen Ärzten jedoch schlichtweg um ihre Existenz.
Bundesgesundheitsminister will sich nicht in die Verhandlungen einschalten
Das Bundesgesundheitsministerium hält sich trotz der Aufforderung der Ärzteschaft zum Einschreiten bislang äußerst bedeckt. Der Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) hatte bereits angekündigt, sich nicht in die Verhandlungen einschalten zu wollen. Die Auseinandersetzungen der Krankenkassen und Ärzte über eine angemessene Vergütung, müsse von den Verhandlungspartnern zu Ende geführt werden. Lediglich die Formalien beziehungsweise das Verfahren könne durch das Ministerium einer Prüfung unterzogen werden. Eine generelle Beanstandung des umstrittenen Schlichterspruchs vom Erweiterten Bewertungsausschuss obliege nicht dem Ministerium. Sollten die Krankenkassen und Ärzte sich auf eine andere Lösung einigen, könne der Schlichterspruch binnen zwei Monaten revidiert werden. Welche Aussichten auf Erfolg die bereits angekündigt Klage vor dem Sozialgericht Berlin-Brandenburg hätte, ist schwer abzuschätzen, da bisher in der Regel spätestens im Erweiterten Bewertungsausschuss eine Einigung erzielt werden konnte. Die Klage hat jedoch aufschiebende Wirkung, so dass der Beschluss des Schlichtergremiums vorerst nicht rechtskräftig wird. (fp)
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