Laut einer Studie unterscheiden sich Bio-Produkte im Vergleich zu herkömmlichen Lebensmitteln nicht im Nährstoffgehalt
05.09.2012
Sind Biolebensmittel nur ebenso gesund wie konventionelle Erzeugnisse? Zu diesem Ergebnis gelangte eine US-Amerikanische Studie und resümierte, Bio-Produkte sind gemessen an den Inhaltsstoffen nicht nahrhafter und demnach kaum gesünder. „Vitamine, Kohlenhydrate, Eiweiße und Mineralien seien nahezu identisch“ schreiben die Wissenschaftler in ihrem Forschungsbericht. In einem Punkt unterscheiden sich jedoch herkömmliche Nahrungsmittel und Bio-Waren: Das Risiko gesundheitsschädliche Pestizide zu sich zu nehmen ist bei Biolebensmitteln wesentlich geringer. Auch die Tierhaltung ist bei Bio-Produzenten häufiger artgerechter, als bei herkömmlichen Landwirtschaftsunternehmen.
Weckt eine Studie neue Zweifel am tatsächlichen Nutzen von Biolebensmitteln? Zu dieser Auffassung könnte nunmehr die konventionelle Lebensmittelindustrie gelangen und aktuelle Studienergebnisse der Stanford University in Kalifornien künftig als Argumentationshilfe verwenden. Denn Bioprodukte nehmen vor allem in Deutschland einen immer höheren Stellenwert ein, weil immer mehr Verbraucher lieber auf Naturbelassenen Lebensmittel setzen. Wer sich die Ergebnisse allerdings genau anschaut, wird feststellen, dass ein tatsächlicher Gesundheitsnachweis missglückt, weil eine umfassende Datenerhebung wesentliche Faktoren nicht mit einschließen kann und andere Aspekte wie Umwelt- und Klimaschutz außer Acht lässt.
Immer mehr Menschen setzen auf Biokonsum
Vor einigen Wochen berichtete das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) von einer hauseigenen Studie. Demnach seien Lebensmittel „die als Biologisch deklariert, tatsächlich auch Bio“. Weil immer mehr Supermärkte und Discounter Biowaren zu Spottpreisen verkaufen, war die Verunsicherung groß, ob tatsächlich das drin ist, was von den Herstellern versprochen wird. Doch die Behörde gab Entwarnung: Konsumenten können sich auf die Bio-Kennzeichnung verlassen, so das Ergebnis der Untersuchung von rund 1700 Lebensmitteln aus der biologischen Produktion. Fast nie wurden Verstöße offensichtlich.
Eine Bürgerbefragung der Gesellschaft für Konsumforschung ergab, dass deutsche Verbraucher ein großes Vertrauen in Bioprodukte setzen. Fast jeder bundesdeutsche Haushalt (rund 94 Prozent) kauft Biowaren ein. In Durchschnitt gaben die Befragten rund 84 Euro pro Jahr aus. Zudem gingen die meisten Umfrageteilnehmer einer Studie des Meinungsforschungsinstituts „Ernst & Young“, davon aus, dass bei einem Kauf von Biowaren auch die Tierrechte gestärkt werden, weil biologische Landwirtschaftsbetriebe auf eine artgerechte Haltung setzen. Zudem glaubten die meisten Menschen, dass sie damit auch ihrer eigenen Gesundheit „etwas gutes tun“. Doch diese Annahmen wurden bislang kaum überprüft und Bio ist nicht gleich ein automatisches Prädikat für glückliche Tiere.
Konkrete Aussage kaum möglich
Nun gelangte eine Forschergruppe der Stanford University im US-Bundesstaat Kalifornien zu der Erkenntnis, dass Bioprodukte offenbar kaum gesünder sind, als herkömmlich hergestellte Nahrungsmittel. Für die Metaanalyse sichteten die Forscher um Studienchefin Dena Bravata tausende vorangegangene Studien und wählten aus diesen 223 Forschungsarbeiten aus. Die vorliegenden Untersuchungen hatten entweder den Nährstoffgehalt oder die Belastungen mit Keime, Pilze oder Pestizide von Bioerzeugnissen mit normalen Produkten verglichen. Darunter befanden sich sechs randomisierte klinische Studien, die Personengruppen miteinander verglichen, die sich entweder konventionell oder vorwiegend „Bio“ ernährten. Doch eine globale Aussage können die Forscher nicht stellen. Denn keine der vorliegenden Forschungsarbeiten war eine Langzeitstudie, die sich mit den gesundheitlichen Entwicklungen der verschiedenen Ernährungsweisen über einen aussagekräftigen Zeitraum beschäftigte. Die Beobachtungszeiträume waren hierfür zu gering und betrugen zwischen zwei Tage und zwei Jahren.
Bei Durchsicht der Datenmengen konnten die Wissenschaftler demnach keinen signifikanten Nachweis erbringen, dass „biologische Lebensmittel mehr Nährstoffe enthält oder für die Gesundheit förderlicher sind“. Wie die Forscher allerdings in dem Wissenschaftsmagazin "Annals of Internal Medicine" bestätigen, ist die Tatsache, dass „Bio-Nahrung das Risiko chemische Pflanzenschutzmittel zu verzehren, verringert“. Und genau über diesen Punkt streiten sich Hersteller und Forscher seit Jahren. Richtlinien würden schließlich dafür sorgen, dass die Zufuhr von Pestiziden beim Endverbraucher so gering bleibt wie möglich und somit kein Gesundheitsrisiko bestehe. Umweltschützer und Verbraucherschützer halten dagegen, denn Studien hatten in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass Hersteller durch Mixturen aus Pestiziden Richtlinien umgehen und dadurch beispielsweise Krebserkrankungen langfristig gefördert werden können.
Nährstoffgehalt unterscheidet sich kaum
„Der Vitamingehalt unterscheide sich kaum“, resümieren die Forscher. Proteine, Fette und Mineralen waren beinahe identisch verteilt. „Auch Krankheitserreger in Form von Bakterien oder Pilzen kamen in beiden Gruppen nie ungleich häufiger vor“, so Studienautorin Bravata. Auch konnten keine besonders gesunden Früchte oder Gemüsesorten aus dem Bioanbau gefunden werden. "Wir waren schon erstaunt, dass wir nichts gefunden haben", berichtete eine der Autoren, Crystal Smith-Spangler, von der Stanford Universität.
Doch wie aussagekräftig ist die Vergleichsstudie der Daten wirklich? Selbst wenn Vorteile bei einer der beiden Gruppen gefunden worden wären, wäre dies noch lange kein Beweis. Um die Annahme wissenschaftlich bestätigen zu können, müssten große und unterschiedliche Personengruppen, die sich entweder auf die eine oder andere Art ernähren, Jahrzehnte begleitet werden. Damit wiederum diese Resultate nicht verzehrt werden, müssten beide Menschengruppen beinahe den gleichen Lebensstil pflegen. Denn andere Faktoren wie Lebensräume, Bewegung, Rauchen, Genetik oder Stress spielen bekanntermaßen eine gewichtige Gesundheitsrolle. Demnach erscheint es fast unmöglich einen wissenschaftlichen Nachweis zu erbringen.
Verdrehte Tatsachen
Dennoch schreiben viele Mainstream Magazine und Agenturen, dass Bioprodukte nicht gesünder seien, als konventionelle Lebensmittel. Diese pauschale Aussage ist falsch und wird auch nicht von den Autoren der Studie belegt. Schlagkräftig bleibt das Argument der Pestizide. Viele Pestizide können nachgewiesenermaßen die Gesundheit schädigen und das Krebsrisiko steigern.
Seitens des Bundesinstituts für Risikobewertung (RKI) wird argumentiert, dass Verordnungen regeln, wie viele Pestizidrückstände in Lebensmittel enthalten sein dürfen, um die Gesundheit des Verbrauchers nicht zu schädigen. Und würde der Gehalt überschritten, würde es nicht automatisch bedeuten, dass ein erhöhtes Risiko für die Gesundheit bestehe, erklärte Nele Boehme vom RKI.
Pflanzenschutzmittel und Antibiotika
Eben jene Grenzwerte werden durch die herkömmliche Landwirtschaft ständig umgegangen, in dem gleich mehrere unterschiedliche Pestizide eingesetzt werden. Greenpeace kritisert daher seit Jahren die Mischungen als „chemische Cocktails“, die auf lange Sicht eine erhöhtes Risiko für den Menschen darstellen. Zudem wird in der Viehzucht massenweise Antibiotika eingesetzt, was zu Antibiotikaresistenzen führt. Zwar halten sich die meisten Forscher bei dieser Aussage noch bedeckt, das aber nur, weil derzeit eine Entwicklung zwar wahrgenommen wird, klinische Studien zu diesem Kontext jedoch (noch) fehlen.
Umwelt- und Klimaschutz wichtige Argumente
Darum betonen die Stanford Forscher, dass ihr Fazit „keinesfalls dazu dienen soll, die Menschen von Biolebensmitteln abzubringen“. Schließlich sprechen „viele weitere Argumente wie die bessere Tierhaltung, nachhaltiges Wachstum und Umweltschutz für den Kauf von Biolebensmittel“, sagt Bravata.
Gelassen betrachtet auch Gerald Wehde, Sprecher des Anbauverbands Bioland, die Studienergebnisse. Seinen Angaben zufolge sei „die Gesundheit nicht unser Hauptkampffeld“. Hauptziel der ökologischen Landwirtschaft ist vielmehr die Umwelt zu erhalten. "Gewässerschutz, Klimaschutz, Artenschutz, Bodenqualität – da erbringen wir eine große ökologische Leistung.", so Wehde. (sb)
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Autoren- und Quelleninformationen
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