In Deutschland verkauftes Obst und Gemüse ist laut einer Studie stark mit Pestiziden belastet
26.03.2012
Obst und Gemüse ist hierzulande sehr stark mit Rückständen von Pestiziden verseucht, wie eine Studie der Umweltorganisation Greenpeace ergab. Besonders hoch ist die Schadstoffbelastung, wenn Gemüse- und Obstwaren außerhalb der Europäischen Union (EU) angebaut worden ist.
Im Auftrag von Greenpeace haben Lebensmittelexperten Proben von rund 22.000 Obst- und Gemüsesorten untersucht, deren Daten aus den Jahren 2009 und 2010 stammen. Die Daten stammen aus der deutschen Lebensmittelüberwachung und wurden durch die beauftragten Lebensmittelexperten neu bewertet. Zusätzlich wurden Ergebnisse aus Schadstoff-Untersuchungen der Umweltschutzorganisation hinzugezogen. Im Endergebnis zeigte sich, dass in mehr als 80 Prozent des konventionell angebauten Obstes und in mehr als 55 Prozent der Nicht-Bio- Gemüseproben Pestizide enthalten waren. In den Testungen schnitten zumeist Waren aus Deutschland im Vergleich zu anderen Herkunftsländern relativ gut ab. Obst und Gemüse-Proben aus der EU waren insgesamt betrachtet weniger stark belastet, als frische Lebensmittel aus den Nicht-EU-Ländern wie der Türkei.
Besonders stark belastet: Obst aus der Türkei
Tafeltrauben, Paprika, Birnen, Zucchini und Grapefruit, die in der der Türkei produziert wurden, überschritten in der Auswertung besonders oft die in der EU gültigen Pestizid-Grenzen. Eine besonders hohe Schadstoffbelastung aus Pflanzenschutzmitteln zeigten exotische Früchte wie Okra sowie frische Chilischoten aus Indien und Thailand. Schwer belastet waren zudem Kopfsalate aus den Herstellerländern Italien, Holland und Belgien. Seit Jahren prangert Greenpeace die Belastungen in Kopfsalaten an. Bereits 2010 stellten Experten hohe Rückstände fest. Bis heute hat sich daran nicht viel geändert.
Gesundheitliche Folgeschäden durch Pestizide
Pestizide stören den Hormonhaushalt des Körpers und können das menschliche Immunsystem schädigen. Die Folge: Krebstumore und Schädigungen des Nervensystems. "Wer Pestizide im Essen vermeiden will, sollte daher Bio-Waren wählen oder auf das Herkunftsland von Obst und Gemüse achten", erklärte Manfred Santen, Chemieexperte von Greenpeace. Denn fast ein Drittel der untersuchten Gemüse- und Obstsorten waren so stark kontaminiert, dass ein Verzehr laut der Umweltgruppe „nicht empfehlenswert“ sei.
Chemische Cocktails in Obst und Gemüse
In den 22.481 Proben wurden insgesamt 351 unterschiedliche Substanzen nachgewiesen. Zahlreiche Gemüse- und Obstwaren wiesen gleich eine Vielzahl von Chemikalien auf. So fanden die Experten beispielsweise in Tafeltrauben gleich einen ganzen Chemie-Cocktail mit 24 Pestiziden. Einige Forschungsarbeiten von anerkannten Wissenschaftlern deuten daraufhin, dass sich unterschiedliche Schadstoffe potenzieren und demnach verstärken können. „Das geschieht bereits bei geringen Konzentrationen“, so die Forscher. Greenpeace kritisiert in diesem Zusammenhang, dass Pestizide innerhalb der EU „nur einzeln bewertet werden“. Grenzrichtlinien für Pestizid-Cocktails in Lebensmitteln existieren nicht. "Im Obst- und Gemüseanbau kann legal ein weites Spektrum an Pestiziden versprüht werden", sagt Santen. "Greenpeace fordert Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) auf, Verbraucher und Umwelt besser vor Pestizid-Cocktails zu schützen."
Die Umweltschützer haben im Jahre 2012 ein aktualisiertes Bewertungssystem entwickelt, dass sich strikt nach dem Gesundheitsvorsorgeprinzip richtet. Nach Ansicht der Greenpeace-Experten reichen die derzeitigen Pestizid-Grenzwerte nicht aus, um „besonders schutzbedürftige Bevölkerungsgruppen wie Kleinkinder, Schwangere und Kranke ausreichend vor Agrargiften zu schützen.“ Der in der EU gültige Höchstgehalt an Pestiziden wurde bei Obst in 3,1 Prozent und bei Gemüse in 4,8 Prozent der Fällen überschritten, wie Greenpeace anlässlich der Veröffentlichung eines neuen Lebensmittel-Ratgebers „Essen ohne Pestizide“ erklärte.
Landwirte verwenden chemische Mixturen um Richtwerte einzuhalten
Durch den Einsatz von teilweise hochgiftigen Pflanzenschutzmitteln gelangen die Pestizide in die Gemüse- und Obstwaren. 2010 wurden die Pestizid-Grenzwerte für 11 chemische Substanzen EU-weit gesenkt. Betroffen hiervon waren z.B. Paprika, Gurken und Trauben. Seit 2005 werden die Höchstwerte durch die europäische Verordnung mit dem Titel "EU-Rückstandhöchstmengen für Pestizide in Lebensmitteln" geregelt. Die erwiesene Kombinationswirkung durch den Einsatz mehrerer Pflanzenschutzmittel findet noch immer keinen Widerhall in der Verordnung. Hintergrund: Konventionelle Landwirtschaftsbetriebe verwenden gleich mehrere verschiedene Pflanzenschutzmittel mit unterschiedlichen Schadstoffen, um die Höchstwerte für einzelne Substanzen nicht zu überschreiten. Als Folge daraus sind die Lebensmittel mit zahlreichen Chemiestoffen verseucht. (sb)
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Bild: Siepmann H. / pixelio.de
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