Gentechnik: Kuh gibt allergenfreie Milch
02.10.2012
Genmanipulierte Kuh mit allergenfreier Milch gezüchtet. Milch. Häufiger Auslöser für allergische Reaktionen nach dem Milchkonsum ist laut Aussage eines neuseeländischen Forscherteams um Anower Jabed vom Institut für Biologie an der Universität von Waikato in Hamilton (Neuseeland) das in der Kuhmilch enthaltene Protein Beta-Lactoglobulin (BLG), welches in menschlicher Muttermilch nicht vorkommt. Rund zwei Prozent der Säuglinge seien gegen dieses Eiweiß allergisch.
Zur Herstellung von Milch ohne Beta-Lactoglobulin sind bislang aufwendige Verfahren erforderlich, nicht zuletzt da das Protein relativ hitzebeständig ist. Die neuseeländischen Forscher hatten sich daher zum Ziel gesetzt, Kühe genetisch so zu verändern, dass sie direkt Beta-Lactoglobulin-freie Milch geben. Wie Anower Jabed und Stefan Wagner vom “AgResearch” Forschungszentrum in Hamilton im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) berichten, ist ihnen dies nun gelungen. Sie schleusten Erbinformationen, die zur Produktion bestimmter microRNA beitragen, in die Gene von Rindern ein. Diese eingeschleusten microRNAs blockierten das Gen, welches für die Produktion von Beta-Lactoglobulin verantwortlich ist, schreiben die Forscher. Die gezüchtete Kuh lieferte im Ergebnis allergenfreie Milch.
Beta-Lactoglobulin in der Kuhmilch um bis zu 98 Prozent reduziert
Seit längerem waren die Forscher der Universität von Waikato bereits auf der Suche nach Möglichkeiten, um Kühe zu züchten, die direkt Beta-Lactoglobulin-freie Milch liefern. Zunächst ermittelten sie zehn microRNAs , die im In-vitro-Screening eine Verringerung des BLG um bis zu 98 Prozent bewirkten. Durch die microRNAs werden bestimmte Gene blockiert, die zur Produktion des Proteins benötigt werden, berichten die neuseeländischen Wissenschaftler. In einem nächsten Schritt wurden die identifizierten, besonders wirksamen microRNAs in Versuchen mit Mäusen getestet. Die Forscher implementierten die genetische Bauanleitung für die microRNAs in das Erbgut von Mäuseembryonen, wobei in rund 25 Prozent der Versuche daraus Mäuse entstanden, welche die microRNA-Gene in sich trugen und an ihre Nachkommen vererbten. Die zuvor festgestellte Wirksamkeit habe sich auch bei den Versuchen mit Mäusen bestätigt, schreiben Jabed und Kollegen.
RNA-Blockade durch sogenannte microRNA
In einem nächsten Schritt wurde die effektivste microRNA-Variante in die befruchteten Eizellen von Kühen eingebaut. Die Eizellen, bei denen dies gelang, klonten die Forscher und setzten fünf der hieraus entstandenen Embryonen Kühen ein, die als Leihmütter fungierten. Eine Schwangerschaft wurde zu einem erfolgreichen Abschluss geführt und ein weibliches Kalb geboren. Im Alter von sieben Monaten wurde das Kalb durch die Verabreichung von Hormonen zur Milchproduktion angeregt. Die Milch war frei von Beta-Lactoglobulin, berichten Jabed und Kollegen. Damit sei belegt, dass die microRNAs die Produktion des allergieauslösenden Proteins erfolgreich und gezielt blockieren. Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass „dies Art der RNA-Blockade sich als effektive Strategie erweist, um die Zusammensetzung von Milch, aber auch andere Eigenschaften von Nutztieren zu verändern.“
Gentechnik-Kühe mit Besonderheiten
Allerdings zeigte die genmanipulierte Kuh auch andere Besonderheiten. Zum Einen enthielt ihre Milch „von allen anderen Milcheiweißen, darunter vor allem Kaseine, deutlich mehr“, berichten die neuseeländischen Forscher. Während Jabed und Kollegen den hohen Kasein-Gehalt der Milch als Vorteil beschreiben, da die Milch somit auch mehr Calcium enthalte und sich beispielsweise besonders gut zur Käseherstellung eigne, ist jedoch auch auf das Allergierisiko durch hohe Kasein-Gehalte hinzuweisen. Kasein gilt seinerseits als einer der häufigen Auslöser von Kuhmilchallergien. Möglicherweise ist somit für Allergiker am Ende durch die Züchtung der genmanipulierten Kühe wenig gewonnen.
Zweifelhafter Erfolg der Genmanipulation
Hinzu kommen die ethischen Vorbehalte, die bei derartigen genetischen Eingriffen grundsätzlich mitschwingen und bei vererbbaren Manipulationen der Erbanlagen eine besondere Bedeutung haben. Außerdem hatte die Kuh keinen Schwanz, was nach Ansicht der Forscher jedoch wahrscheinlich nicht im Zusammenhang mit den eingeschleusten Genen stand. Diese natürliche Mutation sei bei Rindern hin und wieder zu beobachten. Jabed und Kollegen gehen davon aus, dass die zum Klonen ausgewählte Zelle bereits zufällig diese Mutation in sich trug. Vollständig ausschließen konnten sie einen möglichen Zusammenhang mit ihren Manipulationen des Erbgutes jedoch nicht. Bei kritischer Einstellung gegenüber den genetischen Eingriffen stellt sich hier tatsächlich die Frage, ob das Ergebnis einer von vornherein Beta-Lactoglobulin-freien Milch den Eingriff rechtfertigt. Zumal andere Möglichkeiten bestehen, um die Kuhmilch im Nachhinein von den allergieauslösenden Proteinen zu befreien. (fp)
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