Alzheimer durch Entzündungshemmer therapierbar?
20.12.2012
Forscher entdecken einen neuen Ansatz zur Alzheimer-Therapie mit Entzündungshemmern. Dem Forscherteam um Professor Dr. Eicke Latz und Professor Dr. Michael T. Heneka von der Universität Bonn sowie Douglas Golenbock von der University of Massachusetts (USA) ist es gelungen, einen neuen Signalweg zu identifizieren, „der an der Entstehung der chronischen Entzündung beteiligt ist, die zur Fehlfunktion und zum Absterben der Nervenzellen im Gehirn“ der Alzheimer-Patienten führt, so die Pressemitteilung der Universität Bonn. Ihre Ergebnisse haben die Wissenschaftler in dem Fachmagazin „Nature“ veröffentlicht.
Die Alzheimer-Erkrankung ist die häufigste Form der Demenz und gekennzeichnet durch das allmählich Absterben der Nervenzellen im Gehirn, was zu erheblichen Einbußen bei der Gedächtnisbildung und dem Erinnerungsvermögen führt. Laut Aussage von Prof. Heneka, Leiter der Arbeitsgruppe Klinische Neurowissenschaften an der Neurologischen Klinik der Universität Bonn und Forscher am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), kommt es bereits „Jahre bevor die ersten Symptome auftreten, im Gehirn der Betroffenen zu sogenannten Plaques, die aus fehlerhaft gefalteten Beta-Amyloid-Peptiden bestehen.“ Außerdem seien in den Gehirnzellen der Alzheimer-Patienten vermehrt fehlerhafte Tau-Protein-Ablagerungen.zu finden. Hierdurch werden bestimmte Hirnzellen dazu angeregt, verstärkt Botenstoffe zu produzieren, die eine „Signalkaskade“ auslösen, welche „zu einer chronisch-entzündlichen Reaktion und zum fortschreitenden Verlust von Nervenzellen“ führt, erläuterte Prof. Latz vom Institut für Angeborene Immunität des Universitätsklinikums Bonn, der auch als Forscher am DZNE und der University of Massachusetts Medical School (USA) tätig ist. Dieser Verlust der Nervenzellen beschleunige die Entwicklung der Alzheimer-Demenz.
Entzündungsreaktionen führen zum Absterben der Nervenzellen im Gehirn
Die Wissenschaftler haben im Rahmen ihrer Untersuchungen sowohl im Gehirn von Alzheimer-Patienten als auch bei genetisch veränderten Alzheimer-Mäusen eine substanziell erhöhte Konzentration des Enzyms Caspase-1 nachgewiesen. Caspase-1 spielt „eine Schlüsselrolle“ bei der Aktivierung der Entzündungsreaktion, die letztendlich zum Absterben der Nervenzellen führt, berichten die Wissenschaftler.
Die erhöhten Werte seien mit chronischen Entzündungsreaktionen der Immunzellen im Gehirn verbunden. Sowohl bei Menschen als auch bei den genetisch veränderten Mäusen, die als Modell der Alzheimer-Krankheit dienten, habe sich diese Erkenntnis bestätigt. Neben Caspase-1 ist laut Aussage der Forscher das Gen NLRP3 entscheidend an den Entzündungssignalwegen beteiligt, die zum Absterben der Gehirnzellen führen. Wurde bei den Alzheimer-Mäusen sowohl das NLRP3-Gen als auch die Caspase-1 ausgeschaltet, seien bei den Tieren keine Entzündungen in den Gehirnen und keine Gedächtniseinbußen zu beobachten gewesen, schreiben die Wissenschaftler. Auch hätten sich bei Ausschaltung des NLRP3-Gens und der Caspase-1 in den Gehirnzellen der Mäuse viel weniger Beta-Amyloid-Peptide abgelagert. „Wenn die Gene für Caspase-1 und NLRP3 stumm geschaltet sind, werden die Nervenzellen und das Gedächtnis offenbar vor den typischen Alzheimer-Prozessen geschützt“, so die Pressemitteilung der Universität Bonn.
Aus früheren Studien sei bereits bekannt gewesen, dass die Alzheimer-Plaques von sogenannten Mikrogliazellen umgeben sind. Allerdings blieb bisher unklar, „welche Rolle Entzündungsprozesse bei der Entwicklung der Krankheit spielen“, erläuterte Douglas Golenbock von der University of Massachusetts. Die Mikrogliazellen als Immunzellen des Zentralen Nervensystems haben die Aufgabe potenziell pathogene Faktoren, wie Viren, Bakterien aber auch geschädigte Zellen und Ablagerungen im Gehirn zu beseitigen. Durch den Kontakt mit den Beta-Amyloid-Plaques wird laut Aussage der Wissenschaftler in den Zellen ein bestimmter Proteinkomplex (das Inflammasom) aktiviert, der seinerseits die vermehrte Ausschüttung der Caspase-1 bedingt. Dieses Enzyms beeinflusst wiederum die Freisetzung des entzündungsfördernden Botenstoffs Interleukin-1-beta (IL-1b), was letztendlich die Entzündungsreaktion im Gehirn der Alzheimer-Patienten hervorruft.
Entscheidende Erkenntnis zum Entstehungsprozess von Alzheimer
Nach Einschätzung von Prof. Heneka sind die Forscher „auf eine entscheidende Stelle im Entstehungsprozess von Alzheimer gestoßen“ und angesichts dieser Befunde scheine es vielversprechend, die Aktivität des Inflammasoms zu blockieren. Die Ergebnisse zeigen einen neuen Ansatzpunkt auf, „der möglicherweise bei der Entwicklung neuer Therapieformen zur Behandlung der Alzheimer-Erkrankung in einem frühen Stadium“ beitragen kann, berichtet die Universität-Bonn. Allerdings befinden sich die Wissenschaftler „noch im Stadium der Grundlagenforschung, ein Therapieerfolg ist deshalb zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehbar“, betonte Prof. Heneka und ergänzte: „Bis zu ersten klinischen Studien ist es noch ein sehr weiter Weg.“ Allerdings stehen potenziell geeignete Medikamente bereits zur Verfügung oder werden derzeit in klinischen Studien getestet, erläuterte der US-Forscher Douglas Golenbock. Deren Wirkung müsse jedoch noch deutlich gesteigert werden, damit die Entzündungsreaktion im Gehirn der Alzheimer Patienten unterdrückt werden könne. Es bestehe jedoch Hoffnung in Zukunft die bisher unheilbare Alzheimer-Krankheit mit Hilfe von Entzündungshemmern zu therapieren. (fp)
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Bild: Martin Gapa / pixelio.de
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