Bluthochdruck erhöht das Alzheimer-Risiko
02.02.2012
Nachdem der ehemalige Manager von Schalke 04, Rudi Assauer, seine Alzheimer-Erkrankung öffentlich gemacht hat, ist die neurodegenerative Krankheit deutschlandweit wieder ein viel diskutiertes Gesprächsthema. „Wellt Online“ hat daher im Gespräch mit den Expertinnen Prof. Elisabeth Steinhagen-Thiessen von der Berliner Charité, Dr. Elisabeth Stechl vom Evangelischen Geriatriezentrum Berlin und der Vorsitzenden der Alzheimer Angehörigen-Initiative, Rosemarie Drenhaus-Wagner, die wesentlich Aspekte zum Thema Alzheimer erörtert. Außerdem stellten US-Forscher im Fachmagazin „PloS One“ ihre Erkenntnisse zur Ausbreitung von Alzheimer im Gehirn vor.
Deutschlandweit leiden rund 1,3 Millionen Menschen an Demenz, zwei Drittel von ihnen unter Alzheimer, so die Zahlen des Demenz-Reports 2011 vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung. Unterschiedliche Faktoren spielen bei der Entwicklung von Alzheimer eine wesentliche Rolle, wobei die Expertinnen im Interview mit „Welt Online“ dem Bluthochdruck eine besondere Bedeutung als Alzheimer-Risikofaktor zuwiesen. Als weitere Faktoren, die das Alzheimer-Risiko erhöhen, benannte Prof. Elisabeth Steinhagen-Thiessen zum Beispiel Diabetes und erhöhte Cholesterin-Werte.
Wachsende Verbreitung von Alzheimer und Demenz
Die Professorin der Berliner Charité verwies auf die wachsende Verbreitung der Demenz-Erkrankungen und betonte, dass sich die Zahl von heute 1,3 Millionen betroffenen Deutschen bis zum Jahr 2050 nach Einschätzung der Experten durchaus verdoppeln könnte. Dabei sind in der genannten Zahl jedoch nicht nur die Alzheimer-Erkrankungen sondern auch andere Unterformen der Demenz wie zum Beispiel die vaskuläre Demenz, welche durch Gefäßveränderungen im Gehirn ausgelöst wird, berücksichtigt. Als typisches Anzeichen einer Alzheimer-Erkrankung beschreibt Prof. Steinhagen-Thiessen gegenüber „Welt Online“ die Ablagerungen von Eiweiß sogenannten Plaques im Gehirn. Diese haben im Anfangsstadium der Erkrankung zur Folge, dass die Betroffenen sich an neue Informationen immer schlechter erinnern können. „Gesprächsinhalte, Termine und womöglich auch die Einnahme wichtiger Medikamente“ werden laut Aussage der Charité-Professorin vergessen.
Aufmerksamkeit, Konzentrationsfähigkeit und Gedächtnis lassen nach
Neben dem Gedächtnis seien auch die Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit betroffen, wodurch die Alzheimer-Patienten erhebliche Schwierigkeiten haben, Tätigkeiten, die sie früher problemlos zeitgleich erledigen konnten, parallel auszuführen. Das Denkvermögen ist laut Aussage von Steinhagen-Thiessen bei den Alzheimer-Patienten ebenfalls betroffen. Anfangs tun sich die Betroffenen insbesondere beim Verständnis komplexer Zusammenhänge schwer, im fortgeschrittenen Krankheitsstadium bereiten schon einfache Sinnzusammenhänge Schwierigkeiten, erläuterte die Expertin. Typisch für Alzheimer sei zum Beispiel auch, dass die Erkrankten den Überblick über ihre Finanzen und geschäftlichen Angelegenheiten verlieren. Daneben folgen mit fortschreitender Alzheimer-Erkrankung ein zeitlicher und räumlicher Orientierungsverlust. Alzheimer-Patienten fällt es zudem besonders schwer sich in einer ungewohnter Umgebungen zurechtzufinden.
Alzheimer oft verbunden mit Depressionen
Laut Aussage von Professorin Steinhagen-Thiessen muss bei Bewertung einer möglichen Alzheimer-Erkrankung stets berücksichtigt werden, über welche Fähigkeiten die Patienten früher verfügten und welche dieser Fertigkeiten sie eingebüßt haben. Dies sei von besonderer Bedeutung für eine korrekte Diagnose, betonte die Expertin. Die Alzheimer bedingten Defizite haben laut Aussage von Prof. Steinhagen-Thiessen im Gespräch mit „Welt Online“ häufig zur Folge, dass die Betroffenen ihre Aktivitäten stark zurückfahren, was oft nach „außen wirkt, als wollten sich diese Menschen zurückziehen.“ Auch reagieren zahlreiche Alzheimer-Patienten „auf ihre nachlassenden Fähigkeiten mit Depressionen; manche auch gereizt“, erläuterte die Charité-Professorin. Rosemarie Drenhaus-Wagner ergänzte, dass beim Auftreten erster Defizite, genau geschaut werden müsse, „ob diese eine Alltagsrelevanz haben.“ Denn von den ersten Symptomen bis zur schweren Demenz können laut Aussage der Expertinnen „zehn Jahre und mehr vergehen“, wobei im frühen Krankheitsstadium, durchaus noch drei bis vier Jahre eine selbstständige Lebensführung mit Unterstützung möglich sei. „Man muss nicht alles auf einmal aufgeben, nur weil Demenz diagnostiziert wurde“, betonte Drenhaus-Wagner gegenüber „Welt Online“.
Allerdings gilt Alzheimer bis heute als unheilbar, so dass bei entsprechender Diagnose im Sinne der Patienten lediglich ein paar Jahre gewonnen werden können, in denen diese länger alltagsfähig bleiben. „Es gibt Medikamente, die den Verlauf der Krankheit mindestens um ein Jahr verzögern können, sodass die Phase der Pflegebedürftigkeit entsprechend später beginnt“, erläuterte Elisabeth Steinhagen-Thiessen. Einer frühen Diagnose kommt dabei jedoch eine besondere Bedeutung zu. Diese eröffnet laut Aussage der Charité-Professorin auch „die Chance, sich auf die Demenz rechtzeitig vorzubereiten, etwa Vorsorgevollmachten auszustellen.“
Möglichkeiten der Alzheimer Prävention nutzen
Auf die Frage nach Möglichkeiten zur Alzheimer-Prävention, erläuterte Prof. Steinhagen-Thiessen, dass der Blutdruck „eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Demenz“ spiele. So hätten verschiedene große Studien gezeigt, dass Bluthochdruck ein erhöhtes Risiko vaskulärer Demenz aber auch ein erhöhtes Alzheimer-Risiko mit sich bringt. Als weitere Risikofaktoren sind laut Aussage der Expertinnen Diabetes und ein zu hoher Cholesterinspiegel bekannt. Die meisten dieser Alzheimer-Risikofaktoren ließen sich gut behandeln, „man muss es nur tun“, betonte Prof. Steinhagen-Thiessen. Auch relativ einfache Methoden können der Charité-Professorin zufolge schon eine deutlich Wirkung zeigen. So habe zum Beispiel Frau Professor Verena Stangl von der Berliner Charité in ihren Studien eine Demenz vorbeugende Wirkung des Grünen Tees entdeckt. Würden sämtliche Vorbeugemaßnahmen genutzt, so ließe sich das Alzheimer-Risiko nach Einschätzung der Expertinnen insgesamt maßgeblich reduzieren. Doch die Verbreitung der Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes oder zu hoher Cholesterin-Werte in der Bevölkerung nimmt seit Jahren deutlich zu, so dass auch vor diesem Hintergrund mit einem starken Anstieg der Demenz- und Alzheimer-Erkrankungen gerechnet werden muss. Hinzu kommt, dass mit zunehmendem Lebensalter die Wahrscheinlichkeit einer entsprechenden neurodegenerativen Erkrankung steigt, weshalb im Zuge des demografischen Wandels ein weiterer Anstieg der Demenz-Erkrankungen zu erwarten ist.
Ausbreitung von Alzheimer im Gehirn
Aktuell haben Forscher um Li Liu vom Department of Pathology and Cell Biology am Taub Institute for Alzheimer’s Disease Research der Columbia Universität in New York in dem Fachmagazin „PloS One“ eine Studie vorgestellt, derzufolge Alzheimer sich im Gehirn der Betroffenen entlang der anatomischen Netzwerke zwischen Neuronen ausbreiten. Das für die Alzheimer-Erkrankung verantwortlich gemachte fehlerhafte Tau-Protein springe dabei von Neuron zu Neuron über. Laut Aussage der US-Wissenschaftler breitet sich die Alzheimer-Erkrankung von der Region des Cortex entorhinalis im Gehirn aus. Im Rahmen von Versuchen mit genetisch veränderten Mäusen konnten Li Liu und Kollegen nachweisen, dass die nicht funktionierenden Tau-Proteine im Gehirn von Neuron zu Neuron übergehen und so die kontinuierlich voranschreitende Alzheimer-Erkrankung bedingen. Sollte es gelingen das Überspringen der Tau-Proteine von Neuron zu Neuron einzuschränken oder gar zu unterbinden, könnte dies nach Ansicht der Forscher dazu beitragen, die Ausbreitung der neurodegenerativen Erkrankung zu verlangsamen oder möglicherweise sogar aufzuhalten. Auch hier wäre jedoch eine frühe Diagnose der Alzheimer-Erkrankung von besonderer Bedeutung, um eine Ausbreitung der Tau-Proteine im Gehirn möglichst früh zu unterbinden. (fp)
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