Wenn Kinder lernen zu sprechen, imitieren sie nicht einfach nur das Sprechen der Eltern. Eine Studie zeigte erstmals, dass Kleinkinder sich die Sprache aneignen, indem sie Wörter grammatikalisch richtig aneinander reihen.
03.04.2013
Der Mensch lernt offenbar in seiner Kindheit die Sprache wesentlich kreativer und zielsicherer, als bislang Wissenschaftler vermuteten. Kinder variieren beim Sprechen und kombinieren Wörter miteinander. Dass tun Kinder im zweiten Lebensjahr nicht einfach nur, weil sie das Reden der Eltern imitieren, sondern in freier Weise, wie forschende Linguisten der Nationalen Akademie der Wissenschaften in den USA im Fachmagazin "Proceedings" berichten.
Verschiedene Daten-Archive untersucht
Heißt es „ein Hund“ oder „der Hund“? Beide Varianten sind grammatikalisch nicht zu beanstanden. Fakt ist aber, dass Menschen nur eine von zwei Varianten bevorzugen. Diese Eigenart machten sich der Sprachexperte Charles Yang von der University of Pennsylvania in Philadelphia und sein Team zu eigen, in dem er analysierte, wie zweijährige Kinder „Kombinationen von Artikeln plus Substantive verwenden“. Hierfür werteten die Forscher neun Daten-Archive von Kinder aus, die sich gerade im Stadium des Sprechen-lernens befanden. Diese wurden dem "Brown Corpus", dem Textkorpus von Sprachwissenschaftlern verglichen, welcher rund 500 Texte umfasst. Bei diesem Sammlungen wurde nur etwa jedes vierte Substantiv mal von einem bestimmtem und mal von einem unbestimmtem Artikel begleitet.
Die Sprachforscher stellten fest: „Die zweijährigen Kinder entschieden sich in der Mehrheit frei für einen Artikel“. Es würde zwar „absurd klingen zu unterstellen, dass professionelle Schreiberlinge eine weniger systematische Grammatik nutzen als Zweijährige, aber die Sprache der Kinder passt eher zum Profil einer grammatikalischen Regel, in der einzelne Wörter unabhängig voneinander verknüpft werden können“, so Yang in seinem resümierenden Abschnitt des Studienberichts.
Kinder kombinieren und ahmen nach
Um die Erkenntnisse zu untermauern, stellte Yang ein weiteres Modell, wie Kinder Artikel und Substantive miteinander kombinieren können, wenn sie nur ein paar zusammenhängende Wörter ihrer Eltern nachsprechen. Hierzu nahm das Forscherteam 1,1 Millionen Wort-Kombinationen, die die Eltern im Beisein der Kinder sagten. Dieses Modell konnte aber nicht viele reichhaltige Wort-Kombinationen ergeben, wie die Kinder in der Tat verwendeten. Daraus folgerte das Team: "Ohne Zweifel spielt das Gedächtnis eine Rolle, wenn Kinder eine Sprache lernen. Wörter und Redewendungen sind die klar erkennbare Beispiele. Aber die Resultate zeigen, dass das Gedächtnis nicht die kombinatorische Kraft der Grammatik ersetzen kann."
Gängige Forschermeinung widersprochen
Das Ergebnis widerspricht damit der gängigen Forschermeinung, dass Kinder die Sprache durch das Nachplappern, ähnlich wie Affen sich die Zeichensprache abschauen, erlernen. Um diese Ansicht zu bestätigen, untersuchte Yang Videos des Wissenschaftlers Nim Chimpsky, der 1970 den Tieren etwa 125 anwendbare Zeichen der Zeichensprache lernte. Die Primaten verwendeten weniger sogenannte „Zwei-Zeichen-Kombinationen“, als dies rein statistisch möglich wäre. Daraus resultierend nimmt Yang an, dass die Affen „die Zeichen nur nachahmten und keiner echten Grammatik folgten“. (sb)
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Bild: Hans Baulig / pixelio.de
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