Kritik an Krankschreibungen wegen Burnout-Syndrom
27.04.2013
Verweichlichte Deutsche? Krankschreibungen wegen Burn-out-Syndrom als „Modeerscheinung“? Der Chef der Rostocker Uniklinik für Psychosomatik kritisiert die Modediagnose Burnout-Syndrom. Die Bereitschaft sei groß, eine Überforderung gleich als Burn-Out anzusehen.
Burnout – Keine eigenständige Krankheit
Erst seit den 1970er Jahren taucht der Begriff des Burnouts in der Medizin auf. Dabei wird dieser Zustand als Einflussfaktor, jedoch nicht als eigenständige Krankheit behandelt. Bei diesem Ausgebranntsein kommt es zu emotionaler Erschöpfung mit reduzierter Leistungsfähigkeit. Nun warnt Wolfgang Schneider, Chef der Rostocker Uniklinik für Psychosomatik, vor der zu großen Bereitschaft, sich als überfordert anzusehen. Galten früher Müdigkeit, Lustlosigkeit und Abgeschlafftheit als Begleiterscheinungen des Berufslebens, so werden diese heute öfter als Burnout eingestuft. Der Rostocker Facharzt beobachtet die seit den 1990er Jahren stetig steigenden Zahlen von Krankschreibungen wegen psychischer Erkrankungen mit großer Skepsis. Er meint: „Es gibt eine große Bereitschaft von Menschen, sich als psychisch belastet anzusehen und sich deswegen krankschreiben zu lassen.“ Dies sei eine Folge des medialen Hypes um das Burnout-Syndrom. Der Direktor der Uniklinik weiter: „Die Schwelle, ab wann Symptome als Ausdruck einer psychischen Erkrankung bezeichnet werden, sinkt. Die Diagnose einer psychischen Erkrankung wird zu schnell und zu häufig gestellt.“
Problematische Diagnosen
Genaue Analysen zeigen laut Schneider, dass die Anzahl der Menschen, die an einer „etablierten“ psychischen Erkrankung leiden, seit 20 bis 30 Jahren stabil ist. Bei Frauen liegt sie bei 33 Prozent und bei Männern bei 25 Prozent. Jedoch nehmen die Arbeitsausfälle wegen dem Burnout-Syndrom zu. Mehr und mehr Menschen klagen darüber, dass ihnen in der Arbeitswelt und Gesellschaft zu viel abverlangt wird und alles krank mache. „Aber ein gewisses Maß an Müdigkeit, Erschöpfung, Demotivation oder Schlafstörungen bei beruflichen oder privaten Problemen gehört doch zum Normalbereich des menschlichen Erlebens – Schwarzmalen hat auch Negativeffekte“, so Schneider. Er warnte auch: „Es ist nicht ratsam, alles zu pathologisieren“, denn wem die Diagnose gestellt und Medikamente verschrieben werden, dem werden seine Probleme erst richtig angeschoben.
Modeerscheinung Burnout und starker Anstieg bei Antidepressivaverschreibungen
„So wie der Begriff Burnout derzeit gebraucht wird, ist er ein regelrechter Modebegriff geworden“, so Gregor Peikert, Psychotherapeut vom Universitätsklinikum Jena gegenüber der Deutschen Presseagentur (dpa). Die Ärzteschaft trage eine Mitschuld an der häufigeren Diagnose Burnout. Wolfgang Schneider, Chef der Rostocker Uniklinik, formulierte: „Wir schaffen neue Krankheiten.“ Problematisch sei auch die geringe Anzahl an Psychotherapeuten, die zu Engpässen bei Psychotherapien führt. Viel zu oft werde Psychopharmaka verschrieben und die wahren Probleme nicht angegangen. Die Pharmaindustrie beeinflusse "das diagnostische System und so erhielten viele Patienten eher Psychopharmaka als eine Psychotherapie". Bei Männern stiegen die Verschreibungen von Antidepressiva in den Jahren von 2000 bis 2010 um ca. 80 Prozent, bei Frauen sogar um 130 Prozent. (sb)
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Bild: Gerd Altmann / pixelio.de
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
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