Tattoo-Farben im Körper: Alles andere als ungefährlich
10.06.2013
In Deutschland ist jeder Zehnte tätowiert, unter Jugendlichen jeder Vierte – Tendenz steigend. Risiken und Nebenwirkungen der Tätowierungen sind jedoch kaum bekannt. Sie wurden am 6. und 7. Juni im Rahmen einer internationalen Fachtagung in Berlin diskutiert. Internationale Experten präsentierten in fünf „Sessions“ aktuelle Erkenntnisse der Teilbereiche „Analytik & Exposition“, „Toxikologie“, „Mikrobiologie & Hygiene“, „Technologie“ und „Risikobewertung & Regulation“. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand insbesondere die Sicherheit der eingesetzten Mittel und Farben.
Inhaltsstoffe der Tattoo-Farben per Gesetz geregelt
Das größte Problem der Szene: Mit einem Gewerbeschein bewaffnet kann jeder Tätowierer werden. Dies bedauert auch Maik Frey, Sprecher des Branchenverbands „Deutsche Organisierte Tätowierer“. Neben den rund 6.000 legalen gebe es außerdem etwa 20.000 illegale Tattoo-Studios. Aufgrund fehlender Kontrollen sei die Sicherheit der dort verwendeten Geräte und Farben nicht gewährleistet, erklärt Frey. Hinzu kommt eine stark wachsende Industrie, die vom Bedarf nach Tattoo-Farben profitieren möchte. "Früher gab es gerade einmal drei bis fünf Hersteller, heute sind es fünfhundert", so Frey. Während deutsche Farben „als eher unbedenklich“ gelten, sei der Abverkauf übers Internet ein großes Sicherheitsproblem. Vor allem chinesische Farbstoffe werden zu günstigen Preisen angeboten.
Tätowiermittel müssen für Verbraucher „sicher sein und dürfen nicht die menschliche Gesundheit schädigen“, verordnet das Lebensmittel- und Futtergesetzbuch. Seit 2008 gelten aufgrund der Tätowiermittel-Verordnung außerdem konkrete Anforderungen an „Tätowiermittel und Mittel für Permanent Make-up“. „Allerdings gibt es bislang keine gesundheitlichen Bewertungen für Einzelstoffe bezüglich ihrer Verwendung in Tätowiermitteln. Dies bedeutet, dass oft nicht bekannt ist, wie über Tätowierungen eingebrachte Stoffe im Körper wirken“, heißt es in einer Stellungnahme des Bundesinstitus für Risikobewertung (BfR) aus dem September 2012. „Forschungsbedarf besteht aus Sicht des BfR vor allem hinsichtlich der Verteilung, Verstoffwechselung und Ablagerung/ Ausscheidung der Farbmittel sowie der weiteren Inhaltsstoffe und möglichen Spaltprodukte.“
Komplikationen nach der Tätowierung
Relativ häufig treten nach der Tätowierung kleinere Komplikationen auf, etwa Hautausschlag, Juckreiz oder Entzündungen mit Bläschenbildung. Bei ungefähr sechs bis acht Prozent der Tätowierten folgen dauerhafte Gesundheitsbeeinträchtigungen. Besonders häufig sind darüber hinaus Allergien. Sie treten teilweise erst lange nach dem Tätowieren auf, ausgelöst durch beispielsweise Sonnenlicht. Ein großes Problem ist etwa der Nickelgehalt von Tattoo-Farben. Für kosmetische Mittel gebe es konkrete Richtlinien, erklärt der BfR. #„Für Tätowiermittel gibt es dagegen derzeit keine Regelung, obwohl bei Tätowiermitteln die Haut als Schutzschicht wegfällt,
da die Mittel direkt in die Haut eingebracht werden.“ Nickel ist das weltweit führende Kontaktallergen. „Durchschnittlich 8,6 Prozent der weltweiten Allgemeinbevölkerung sind an einer Nickelallergie erkrankt“, schreibt das Gesundheitsportal Nickelfrei.de.
Laut Luch ist das größte Problem die fehlende längerfristige Forschung. "Niemand kann derzeit ausschließen, dass Tätowiermittel nach zehn oder 15 Jahren zu gesundheitlichen Schäden führen – denkbar sind Organschäden bis hin zu tumorartigen Veränderungen." Erst vor rund zwei Jahren entdeckte eine Behörde der amtlichen Überwachung bei der Untersuchung schwarzer Tätowierfarben krebserregende polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe. Inwiefern Tattoo-Farben zur Krebsbildung führen, ist allerdings unklar. „Es gibt seit einigen Jahren zunehmend Berichte, wonach Hauttumore in tätowierten Arealen gewachsen sind. Es ist aber nicht klar, ob dies Zufall oder Folge der Tätowierung ist“, erklärt Dermatologe Michael Landthaler.
Problematisch ist auch, dass die verwendeten Farben nicht auf der Haut verbleiben. „Etwa ein Drittel der Farbmenge gelangt über die Lymphe in den Körper“, so Landthaler. Um herauszufinden was mit ihnen passiert, brauche es größere Studien. Auch Physiker Wolfgang Bäumler der Universität Regensburg betont: „Die Farben bleiben nicht an der Stelle, wo sie eingestochen werden“, darüber müssten sich Verbraucher im Vorfeld einer Tätowierung klar werden. „Bei Tattoos in der Nähe von Lymphknoten sind diese auf jeden Fall genauso bunt wie die Tätowierung.“
Tattoo-Farben bedürfen weiterer Forschung
"Auf unserer derzeitigen Datengrundlage können wir keine vernünftige Bewertung der Risiken abgeben", resümiert Luch. Noch immer gibt es viele Fragen und wenige Antworten. Vor allem die Finanzierung großer Studien und Versuche mache Probleme. Auf dem Kongress präsentierten Forscher vor allem kleinere Untersuchungen. Absolut sichere Tätowierungen gibt es nicht, lautet deshalb das Zwischenfazit. "Wer ein Tattoo als etwas rein kosmetisches sieht und totale Sicherheit haben will, sollte es einfach lassen", erklärt Mark Benecke von "Pro Tattoo". Um gefährliche Melanome nicht versehentlich mit einem Tattoo abzudecken, rät Dermatologe Nicolas Kluger mit der Tätowierung bis zum Alter von 25 Jahren zu warten. Der Lebensmittelchemiker Michael Vocke ergänzt: "Wer sich tätowieren lässt, sollte sich die Farbe zeigen lassen und nachfragen, ob sie den gesetzlichen Anforderungen entspricht". (lb)
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Bild: Sabrina Gonstalla / pixelio.de
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