Kommt die Rezeptpflicht für Paracetamol?
24.10.2014
Das Medikament Paracetamol ist eines der bekannteste Schmerzmittel. Trotz zahlreicher Hinweise auf zum Teil heftige Nebenwirkungen, ist das Arzneimittel von der Rezeptpflicht befreit. Selbst Schwangere dürfen nach medizinischem Rat das Mittel bei mittleren Schmerzen nehmen. Doch neuere Forschungsarbeiten weisen auf mögliche gesundheitsgefährdende Effekte. Mediziner fordern seit längerem eine Rezeptpflicht für das Schmerzmittel.
Günstig und ohne Rezept erwerbsbar
Kopfschmerzen, Zahnschmerzen, Fieber: Bei zahlreichen Beschwerden kommt Paracetamol häufig zum Einsatz. 50 Millionen Packungen werden verkauft. In Deutschland ist es günstig und ohne ärztliche Verordnung zu bekommen und darf auch während der Schwangerschaft genommen werden. Allerdings warnt Kay Brune, Pharmakologe an der Universität Erlangen-Nürnberg, dass mit dem Medikament nicht zu sorglos umgegangen werden sollte. Er setzt sich seit Jahren dafür ein, dass Paracetamol der Rezeptpflicht unterstellt werden soll, wie „Spiegel Online“ berichtet. Brune und seine Kollegen vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf haben nun in einer Analyse neue Forschungsergebnisse zusammengetragen.
Packungsgröße ist seit Jahren begrenzt
Bereits seit längerem ist bekannt, dass das Medikament bei zu hohen Dosen das Risiko für Magengeschwüre, Herzinfarkt und Schlaganfall erhöhen kann. Vor einigen Jahren war die Packungsgröße von Paracetamol begrenzt worden, da einezu hohe Dosierung zu Leberversagen führen kann. Allerdings ist dies aus Sicht von Brune nicht genug: Wie es in dem Beitrag heißt, hält er die Selbstverständlichkeit, mit der das Schmerzmittel genommen wird, weiterhin für höchst bedenklich. Die Studienautoren, die ihre Ergebnisse im Fachmagazin „European Journal of Pain“ veröffentlichten, gingen in ihrer Analyse der Frage nach, welche Nebenwirkungen Paracetamol in den empfohlenen Mengen von höchstens vier Gramm am Tag hat.
Verhaltensauffällige oder an ADHS leidende Kinder
Einer Erhebung mit 64.322 dänischen Müttern und ihren zwischen 1996 und 2002 geborenen Kindern zufolge haben Frauen, die in der Schwangerschaft regelmäßig Paracetamol einnahmen, häufiger verhaltensauffällige oder an ADHS (Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom) leidende Kinder. Allerdings belegt die Studie nicht, dass für dieses erhöhte Risiko tatsächlich die Einnahme von Paracetamol verantwortlich ist. Zu ähnlichen Ergebnissen kam eine norwegische Studie mit 48.631 Kindern: Bei ihnen wurde neben verstärkter Hyperaktivität eine schlechtere gesamtmotorische Entwicklung und ein gestörtes Kommunikationsverhalten festgestellt, wenn ihre Mütter länger Paracetamol genommen hatten.
Hinweise auf verschiedene schwerwiegende Erkrankungen
„Spiegel Online“ zufolge gibt es zudem Hinweise, dass "Paracetamol bei Neugeborenen Hodenhochstand auslösen kann, was die Fruchtbarkeit beeinträchtigt und das Risiko für Hodenkrebs erhöht". Des Weiteren deute sich an, dass "Ungeborene, die verstärkt Paracetamol ausgesetzt waren, womöglich ein erhöhtes Asthma-Risiko haben". Allerdings gibt es dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zufolge dafür keine Belege. Trotzdem nehmen manche Mediziner dies sehr ernst und empfehlen stattdessen das Schmerzmittel Ibuprofen, wobei darauf hingewiesen wird, dass auch dieses Mittel im letzten Schwangerschaftsdrittel nicht mehr genommen werden sollte. Brune kritisierte: „Die Gewissheit, mit der die Medizin noch heute Paracetamol als gut verträglich und harmlos betrachtet, ist wissenschaftlich nicht unterfüttert.“
Medikament während Schwangerschaft möglichst meiden
Wie es in dem Bericht weiter heißt, wird offenbar auch das BfArM inzwischen vorsichtiger. So weist die Behörde seit Februar diesen Jahres darauf hin, dass Paracetamol selten zu schweren Hautreaktionen führe, während sich das Institut in einem Bulletin 2012 vor allem darauf beschränkt habe, vor Überdosierungen zu warnen und Paracetamol ansonsten als weitgehend sicher eingestuft habe. Demnach erklärte der Sprecher Maik Pommer: „Das BfArM empfiehlt, Paracetamol grundsätzlich nur in der niedrigsten wirksamen Dosierung und über den kürzesten erforderlichen Zeitraum anzuwenden.“ Und weiter: „In der Schwangerschaft sollte Paracetamol nur bei dringender Notwendigkeit angewendet werden.“
Gesundheitsrisiko durch rezeptfreie Schmerzmittel
Auch wenn sich die aktuellen Untersuchungen mit Paracetamol befassen, sollte nicht übersehen werden, dass auch durch andere rezeptfreie Schmerzmittel ein Gesundheitsrisiko besteht. Viele Menschen denken, dass es sich bei diesen Mitteln um harmlose Arzneien handelt. Schätzungen zufolge schlucken "rund 3,8 Millionen Bundesbürger jedes Jahr Schmerzmittel". Häufig werden die Pillen ohne das Wissen eingenommen, wie die Präparate wirken beziehungsweise wann ihr Einsatz sinnvoll ist. Außerdem gelte grundsätzlich für alle rezeptfreien Schmerzmittel, sie "nicht länger als drei Tage hintereinander und nicht häufiger als zehnmal im Monat einzunehmen", wie Experten betonen. Manche Mediziner empfehlen zudem, auch einfache Schmerzmittel nie ohne ärztlichen Rat einzunehmen. (ad)
Bild: Wilhelmine Wulff / pixelio.de
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