Winterwetter schlägt vielen Menschen aufs Gemüt
14.11.2014
Dunkelheit, nasskaltes Wetter und trübe Sicht: Der Winter schlägt vielen Menschen aufs Gemüt und sorgt an manchen Tagen für Unmut und schlechte Laune. Doch in manchen Fällen bleibt es nicht bei einer vorübergehenden Verstimmung. Stattdessen leiden einige Personen an einer sogenannten „Winterdepression“, einer depressiven Störung, die in den Herbst- und Wintermonaten auftritt und unter anderem zu bedrückter Stimmung und einer verlängerten Schlafdauer führt.
Betroffene leiden über Monate unter Niedergeschlagenheit und Ängstlichkeit
Ein Blick aus dem Fenster am Morgen reicht oft schon aus, um im Herbst und Winter schlechte Laune zu bekommen und am liebsten wieder zurück ins warme Bett zu wollen. Ob Regen, kalte Temperaturen oder ein tagelanges „Grau in Grau“: Die dunkle Jahreszeit trübt bei vielen Menschen hin und wieder die Stimmung und führt an manchen Tagen zu schlechter Laune und Niedergeschlagenheit. Doch nicht immer verschwindet die Verstimmung von selbst wieder, stattdessen leiden einige Menschen über Monate hinweg unter Ängstlichkeit und Betrübtheit.
Atypische Symptome wie Heißhunger und verlängerte Schlafdauer
In diesem Fall sprechen Experten von einer „Winterdepression“ oder „saisonal-affektiven Störung“, welche speziell im Herbst und Winter auftritt und in der internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-10)den sogenannten „rezidivierenden depressiven Störungen“ zugeordnet ist. Neben den typischen Symptomen einer Depression treten bei dieser Erkrankung auch atypische Symptome wie eine Verlängerung der Schlafdauer, Kopfschmerzen, verstärkter Heißhunger auf Süßes, eine Verdauungsstörungoder Gewichtszunahme auf. Demgegenüber ist eine saisonal unabhängige Depression zumeist eher durch Appetitlosigkeit, Gewichtsabnahme und eine verkürzte Schlafdauer gekennzeichnet.
Mangel an Licht und Sonne führt zu Unzufriedenheit und Traurigkeit
Auch Hans Schmid ist von der depressiven Störung betroffen und leidet in den dunklen Monaten unter dem nassen und kalten Wetter. Vor allem die Kälte setzt ihm zu, denn durch diese entsteht bei Schmidt Unzufriedenheit und Traurigkeit in einem Maße, welches am Ende zu einer Winterdepression führt. „Am meisten fehlen mir die Sonne und die Wärme“, berichtet Schmidt gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa“, „wenn es dunkel wird, macht das Leben eine Pause.“ In der Folge zieht sich der 46-Jährige zurück, isoliert sich und hängt am manchen Tagen stundenlang seinen dunklen Gedanken nach: „Ich fühle mich dann wie in einem Gedanken-Chaos gefangen», verrät er. «Die Zeit rennt davon, während ich am Tisch sitze und ins Leere starre“, so Schmidt weiter.
Fast jeder Dritte von Verstimmungen im Winter betroffen
Sein emotionaler Zustand während der Herbst- und Wintersaison sei mit einem Motor vergleichbar, der hochgedreht werde, „aber eigentlich ist es, wie wenn man im ersten Gang über die Autobahn fährt.“ In dieser Zeit ist Schmidt extrem „dünnhäutig“, jeder kleine Konflikt belastet in stark, negative Erlebnisse setzen ihm deutlich mehr zu als in der anderen Jahreshälfte. Sobald das Wetter wieder besser wird und die Temperaturen steigen, spiele auch seine Psyche nicht mehr verrückt, erklärt der Kommunikationsdesigner weiter. Schmidt sei dabei laut dem Psychiater und Chefarzt der Burghof-Klinik in Bad Nauheim, Thorsten Bracher, kein Einzelfall: „Bestimmte Personen reagieren in der lichtarmen Jahreszeit mit einer depressiven Stimmungslage, Antriebsstörung und Freudlosigkeit“, so der Experte gegenüber der „dpa“. Wie eine Studie des Meinungsforschungsinstituts Forsa und der Techniker Krankenkasse aus dem Jahr 2009 gezeigt hatte, konnte fast jeder Dritte Befragte von einem allgemeinen Stimmungstief im Winter berichten.
Licht hemmt die Melatonin-Ausschüttung
Für die Licht-Expertin Ulrike Brandi aus Hamburg ist die Winterdepression kein überraschendes Phänomen, denn die Wirkung des Lichts auf den Menschen sei nicht zu unterschätzen: „Licht hat eine biologische Wirkung, die neben dem, was wir sehen, über das Auge aufgenommen wird.“ Dies habe einen Einfluss auf unseren Hormonhaushalt, denn Licht hemme die Ausschüttung des Hormons Melatonin, welches den Tag-Nacht-Rhythmus des menschlichen Körpers steuert. Dadurch komme es zu Abgeschlagenheit und verminderter Konzentrationsfähigkeit, wodurch sich unter Umständen auch eine Depression entwickeln könne, so Brandi weitere gegenüber der „dpa“.
Spaziergänge auch bei trübem Wetter
Dementsprechend empfiehlt die Licht-Expertin auch bei trübem Wetter draußen spazieren zu gehen, denn auch eine Glühlampe habe nicht den gleichen Effekt wie das Tageslichts, welches eine Stärke „zwischen 10 000 und 20 000 Lux“ erreiche. Durch die Bewegung im Freien kann hingegen ausreichend natürliches Licht aufgenommen werden, um das körpereigene "Glückshormon" Serotonin zu produzieren, welches depressive Verstimmungen abmildert. Alternativ biete sich laut Thorsten Bracher auch eine Lichttherapie an, bei welchem der Patient einem hellen Kunstlicht („Lichtdusche“) ausgesetzt wird: „Lampen mit Tageslichtspektrum sind intensiv und ersetzen das Licht ein Stück“, erklärt der Psychologe weiter.
Erinnerung an sonnige Momente hilft in schweren Zeiten
Auch Hans Schmid versucht in akuten Zeiten so gut wie möglich gegen seine Winterdepression anzukämpfen, indem er beispielsweise sonnige und warme Momente in einem mentalen „Marmeladenglas“ konserviere. Auch das Notieren schöner Situationen helfe ihm, damit er sich diese in schweren Stunden ins Gedächtnis zurückrufen könne. „Wenn es draußen dunkel ist, rufe ich mir bewusst leuchtende Farben ins Gedächtnis und halte mir die Schönheit vor Augen“ so Schmidt. (ag)
Bild: Angieconscious / pixelio.de
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