Die Radonwärmetherapie wird bei Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises, des Bewegungsapparates, der Atemwege und der Haut eingesetzt. Diese Therapieform kommt seit rund einem Jahrhundert in Bergstollen zum Einsatz, deren Wände das radioaktive Edelgas Radon abgeben. Dazu fahren Patientinnen und Patienten mit einem Stollenzug auf verschiedene Therapiestationen im Berg und verbringen dort eine etwa einstündige Therapieeinheit im Liegen. Die Wirkung soll sich aus dem Stoff Radon in Kombination mit einer Erwärmung des Körpers ergeben.
Inhaltsverzeichnis
Weitere Therapiemöglichkeiten mit Radon umfassen Trinkkuren und Heilbäder. Dieser Artikel befasst sich ausschließlich mit der Radonwärmetherapie in sogenannten Heilstollen.
Hinweis: Der Einsatz von Radon als Heilmittel ist umstritten. Bitte beachten Sie dazu die Informationen und Hinweise in diesem Artikel sowie auf der Internetseite des Bundesamtes für Strahlenschutz. Falls Sie eine Radonwärmetherapie in Erwägung ziehen, sollten Sie sich vorab von Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin umfassend beraten und über mögliche Risiken informieren lassen.
Radonwärmetherapie – ein kurzer Überblick
Im folgenden Abschnitt finden Sie die wichtigsten Informationen zur Radonwärmetherapie in Kürze.
- Beschreibung: In sogenannten Heilstollen atmen Patientinnen und Patienten unter bestimmten klimatischen Bedingungen circa eine Stunde lang das von den Bergwänden abgegebene radioaktive Edelgas Radon ein. Die Wirkung soll sich aus dem Stoff Radon in Kombination mit einer Erwärmung des Körpers ergeben.
- Wirkung: Radon setzt im Körper milde Alphastrahlen frei. Diese sollen körpereigene Zellreparaturmechanismen anregen und die Aktivität von Entzündungszellen sowie Schmerzbotenstoffen verringern.
- Anwendungsgebiete: Der Einsatz von Radon soll sich positiv auf verschiedene Krankheitsbilder der Haut, des Bewegungsapparates sowie der Atemwege auswirken. Auch auf das Immunsystem soll Radon einen positiven Einfluss haben.
- Mögliche Nebenwirkungen: Gewebeschädigungen der Lunge durch Einatmung radioaktiver Zerfallsprodukte, was langfristig schlimmstenfalls Lungenkrebs auslösen kann. Dies ist unter anderem abhängig von Häufigkeit und Dauer der Anwendung, Menge des aufgenommenen Radons, allgemeiner Konstitution sowie Begleitumständen wie beispielsweise Rauchen.
- Kontraindikationen: Schwangerschaft, unbehandelte Schilddrüsenüberfunktion. Krebspatientinnen und -patienten halten am besten ein Jahr Abstand zur letzten Therapie. Bei schweren Herz-, Kreislauf- und Nierenerkrankungen sowie akuten Infekten wird ärztliche Rücksprache empfohlen.
- Hinweis: Grundsätzlich sollte immer ein Arzt oder eine Ärztin über Risiken und Nutzen einer Radonwärmetherapie entscheiden. Als reine Wellnessanwendung ist sie nicht zu empfehlen.
Was ist Radon?
Radon ist ein Edelgas. Das Element Radon entsteht beim radioaktiven Zerfall von Uran, das weltweit als Bodenbestandteil in vielen Gesteinen vorkommt. Radon ist also ein natürlich auftretender Stoff unserer Umwelt, den man weder sehen, noch riechen oder schmecken kann. Über Nahrung, Wasser und die Atemluft gelangt es in den menschlichen Körper.
Welche Wirkung hat Radon auf den menschlichen Körper?
Radon ist radioaktiv. Das Wort „radioaktiv“ leitet sich von den lateinischen Wörtern „radiare“ für „strahlen“ und „activus“ für „tätig“ oder „wirksam“ ab. Radioaktive Elemente zeichnen sich dadurch aus, dass sie einen instabilen Atomkern haben. Dieser zerfällt und gibt dabei Strahlung ab. Beim Zerfall von Radon werden weitere radioaktive Stoffe frei, die ihrerseits beim Zerfall sogenannte Alphastrahlen aussenden. Durch diese Strahlung kann menschliches Gewebe geschädigt werden.
Über kleinste Teilchen in der Luft, sogenannte Aerosole, gelangen radioaktive Abbauprodukte von Radon in die Lunge. Dort zerfallen sie weiter und senden Alphastrahlen aus, die zu Schäden in Zellen des Lungengewebes führen können. Dadurch kann schlimmstenfalls Lungenkrebs entstehen. Ob dies geschieht, hängt davon ab, wie viel Radon in der Umgebung enthalten ist, über welchen Zeitraum man die Folgeprodukte von Radon aufnimmt und welche persönliche Veranlagung man hat. Auch weitere Risikofaktoren wie das Rauchen haben einen Einfluss darauf, ob und wie schnell jemand Lungenkrebs entwickelt. Fakt ist, dass Radon weltweit nach dem Rauchen die zweithäufigste Ursache von Lungenkrebs ist. Dies gibt das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) an. Rund fünf Prozent der Todesfälle durch Lungenkrebs in der Bevölkerung seien laut BfS nach aktuellen Erkenntnissen auf Radon und seine Zerfallsprodukte in Gebäuden zurückzuführen.
Das internationale Krebsforschungszentrum (IARC) in Lyon stuft Radon als nachgewiesen krebserregend für den Menschen ein. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), die deutsche Strahlenschutz-Kommission (SSK) und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schließen sich dieser Bewertung an.
Hormesis-Theorie
Das aus dem Griechischen stammende Wort „Hormesis“ bedeutet so viel wie „Anregung“ oder „Anstoß“. In der Medizin prägte bereits Paracelsus die Theorie, dass kleine Dosen eigentlich giftiger Substanzen einen heilenden Effekt haben können. Für einige Stoffe ist dies auch gut nachweisbar. So kann etwa die giftige Pflanze Fingerhut (Digitalis) zu schweren Herzrhythmusstörungen und im schlimmsten Fall zum Tode führen, doch in winzig kleinen Dosen kann sie positiv bei einigen Herzerkrankungen wie beispielsweise Herzinsuffizienz wirken.
Ob sich diese Theorie der Hormesis auch auf den Bereich radioaktiver Strahlung übertragen lässt, wird kontrovers diskutiert und ist bislang nicht ausreichend durch Studien belegt. Kleine Strahlendosen sollen einen positiven Effekt unter anderem auf das Immunsystem haben, indem sie beispielsweise Reparaturmechanismen innerhalb der Zellen anregen.
Solange es keine belastbaren Studien dazu gibt, vertreten das Bundesamt für Strahlenschutz und weitere Institutionen jedoch folgende Position: „Es gibt keinen Hinweis auf einen Schwellenwert, unterhalb dessen Radon mit Sicherheit kein Gesundheitsrisiko darstellt.“
Warum wird Radon zu Heilzwecken eingesetzt?
Der Einsatz von Radon soll sich positiv auf verschiedene Krankheitsbilder der Haut, des Bewegungsapparates sowie der Atemwege auswirken. Auch auf das Immunsystem soll Radon einen positiven Einfluss haben. Radon setzt im Körper milde Alphastrahlen frei. Diese sollen körpereigene Zellreparaturmechanismen anregen und die Aktivität von Entzündungszellen sowie Schmerzbotenstoffen verringern.
Studien haben unter anderem ergeben, dass Menschen, die aufgrund von chronischen Gelenkentzündungen auf die regelmäßige Einnahme von Schmerzmitteln angewiesen sind, durch die Radonwärmetherapie oft über mehrere Monate hinweg weniger oder keine Schmerzmittel mehr benötigen. Patientinnen und Patienten berichten über einen geringeren Medikamentenbedarf, spürbare Schmerzlinderung bis hin zur Beschwerdefreiheit und deutlich mehr Lebensqualität über etwa neun Monate. Die meisten nutzen die Radonwärmetherapie ein bis zwei Mal pro Jahr und benötigen in der Zwischenzeit oft keine Tabletten mehr.
Dennoch sollte man eine mögliche Wirkung immer gegen etwaige – auch langfristige – Nebenwirkungen beziehungsweise gesundheitliche Schäden abwägen. Auch ist die Frage zu klären, inwieweit ein Placebo-Effekt und die Auswirkungen des besonderen Klimas während der Anwendungen für die positiven Wirkungen zumindest mitverantwortlich sein könnten.
Wirkung des tropischen Klimas bei der Radonwärmetherapie
Bei der Radonwärmetherapie wird durch warme Umgebungsluft sowie eine extrem hohe Luftfeuchtigkeit von bis zu einhundert Prozent der Köper erwärmt. Die Körpertemperatur steigt bis auf 38,5 Grad Celsius an. Dabei spricht man vom sogenannten Hyperthermie-Effekt – das ist eine Art erwünschtes therapeutisches Fieber. Unter diesen Bedingungen entspannen sich die Muskeln und der Organismus kann Radon besser aufnehmen.
Ist Radon nun nützlich oder gefährlich?
Wie bei vielen anderen Heilmethoden auch, birgt der Einsatz von Radon sowohl potentiellen Nutzen als auch Gefahren. Eine heilende Wirkung ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht hinreichend belegt. Es hängt nach heutigem Wissensstand anscheinend vor allem von der Menge, der Dauer und der Häufigkeit der Dosis ab, ob und wie stark Radon schädigend wirkt. Auch weitere Risikofaktoren wie Rauchen oder Radonaufnahme durch das Wohnumfeld spielen sicherlich eine Rolle. Leichtfertig sollte eine Radonwärmetherapie jedoch nicht zum Einsatz kommen.
Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) beurteilt die Radon-Konzentration in Radon-Heilstollen als „extrem hoch“, wohingegen die Betreiber solcher Heilstollen den Dosisbereich als niedrig einstufen. Dabei vergleichen die Betreiber die Konzentration an Radon, die der Körper während einer dreiwöchigen Therapie aufnimmt, mit der einer Röntgenuntersuchung der Wirbelsäule. Die gesundheitlichen Risiken durch eine langfristige tägliche Schmerzmitteleinnahme schätzen sie als höher ein. Auch das BfS räumt ein, dass sich das Lungenkrebsrisiko durch eine Radonwärmetherapie nur „in geringem Maße“ erhöht, da die Patientinnen und Patienten der hohen Konzentration nur kurz ausgesetzt seien.
Für eine Radonwärmetherapie aus gesundheitlichen Gründen empfiehlt das Bundesamt für Strahlenschutz grundsätzlich die sorgfältige Beurteilung durch einen Arzt oder eine Ärztin: „Der behandelnde Arzt muss den Nutzen der Schmerzlinderung und das Risiko, das durch Radon für die Patienten entsteht, gegeneinander abwägen. Dabei muss er die Risiken der Radon-Heilkur mit den Risiken alternativer Behandlungsmethoden vergleichen (zum Beispiel mit möglichen Nebenwirkungen, wenn Patienten über einen langen Zeitraum Schmerzmittel einnehmen).“
Von Radonkuren als reine Wellnessanwendungen rät das Bundesamt für Strahlenschutz ab, da das Risiko nicht gut genug eingeschätzt werden könne.
Für wen ist die Radonwärmetherapie geeignet?
Die Radonwärmetherapie eignet sich laut Anbietern bei Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises, des Bewegungsapparates, der Atemwege und der Haut. Sie soll sogar bei vielen Krankheitsbildern eine nachhaltige positive Wirkung zeigen, bei denen schulmedizinische Medikamente nicht mehr greifen oder nicht vertragen werden. Dennoch sind möglicher Nutzen und potentielles Risiko sorgfältig gegeneinander abzuwägen.
Wie häufig sollten die Therapieeinheiten stattfinden?
Wie häufig eine Radonwärmetherapie zum Einsatz kommt, hängt von Art und Stärke der Beschwerden ab. Während der zwei- bis dreiwöchigen Kur besuchen Patientinnen und Patienten durchschnittlich sechs bis zwölf Mal für jeweils eine Stunde den Heilstollen. Über Notwendigkeit, Dauer und Häufigkeit der Anwendung sollte jedoch immer ein Arzt oder eine Ärztin entscheiden.
Für wen ist die Radonwärmetherapie nicht geeignet?
Bei Schwangerschaft oder unbehandelter Schilddrüsenüberfunktion raten Expertinnen und Experten von einer Radonwärmetherapie ab. Krebspatientinnen und -patienten halten am besten ein Jahr Abstand zur letzten Therapie. Bei schweren Herz-, Kreislauf- und Nierenerkrankungen sowie akuten Infekten wird ärztliche Rücksprache empfohlen. Grundsätzlich sollte immer ein Arzt oder eine Ärztin über Risiken und Nutzen einer Radonwärmetherapie entscheiden. (kh, jvs)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Bundesamt für Strahlenschutz: www.bfs.de (Abruf: 16.08.2019), Radon-Heilkuren
- Bundesamt für Strahlenschutz: www.bfs.de (Abruf: 16.08.2019), Radon - Wirkung auf die Gesundheit
- Bundesamt für Strahlenschutz: www.bfs.de (Abruf: 16.08.2019), Hormesis
- Bundesamt für Strahlenschutz: www.bfs.de (Abruf: 16.08.2019), Radon
- Aljona Cucu, Kateryna Shreder, Daniela Kraft et al: Decrease of Markers Related to Bone Erosion in Serum of Patients with Musculoskeletal Disorders after Serial Low-Dose Radon Spa Therapy; Front Immunol. 2017; 8:882. Published 2017 Jul 25, Frontiers in Immunology
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Wichtiger Hinweis:
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