Bundesregierung nimmt 28 Wirkstoffe in die 26. Neuverordnung des Betäubungsmittelgesetzes auf
28.07.2012
Die Verordnung des Deutschen Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) wurde um 28 psychoaktive Substanzen erweitert. Die Bundesregierung will mit diesem Schritt offensiver gegen Designerdrogen oder „Legal Highs“ genannt, vorgehen. Kritiker bemängeln, dass die Neuverordnung unzureichend sei, da zahlreiche Wirkstoffe nicht aufgenommen wurden.
Die Designerdrogen werden in speziellen „Headshops“ und Online-Shops oft verharmlosend als „Kräutermischungen“, „Badezusatz“ oder auch als sogenannte „Lufterfrischer“ verkauft. Hinter den unscheinbaren Handelsbegriffen verbergen sich jedoch berauschende und oft künstlich hergestellte Substanzen, die zum Teil schwere gesundheitliche Auswirkungen auf die meist jungen Konsumenten haben können. Beinahe jede Woche kommen neue Produkte mit ähnlich wirkenden Zusammensetzungen auf den Markt. Die Hersteller versuchen so mögliche Verbote zu umgehen.
28 psychoaktive Stoffe verboten
Das Bundesgesundheitsministerium hat in Zusammenarbeit mit der Bundesdrogenbeauftragten nunmehr 28 psychoaktive Stoffe in die Verordnung des Betäubungsmittelgesetz (BtMG) neu mitaufgenommen. „In wesentlichen Teilen ist die neue Verordnung seit heute in Kraft getreten“, wie die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans, bei der Vorstellung der Verordnung erklärte. Demnach sind die als „Legal Highs“ bezeichneten Designerdrogen nicht mehr legal, „da ihre Wirkstoffe ab sofort verboten sind“. Bislang waren zahlreiche Produkte legal käuflich erwerbbar, damit soll nun „endgültig Schluss sein“, so Dyckmans.
Verboten wurden „die synthetische Derivate des Amphetamins, Kokains, der Cannabinoide und des Cathinons“, so Dyckmans. Letztere Substanz lässt sich auch in Khat-Blättern finden. Die Blätter werden unter anderem im Jemen und einigen Teilen Afrikas als „Volksdroge“ verzehrt. In diesen Ländern sehen die Konsumenten in der Pflanze eher eine Art Stimulanz, vergleichbar mit dem hierzulande getrunkenen Kaffee.
Auch ein Schmerzmittel wurde auf die Verbotsliste aufgenommen
Auch betroffenen von der 26. Neuverordnung des BtMG ist das in flüssiger Form vertriebene Schmerzmittel „Tilidin“ aus der Gruppe der Opioide. Mit einer Übergangsfrist von sechs Monaten wird das Arzneimittel in die Verordnung mit aufgenommen. „Damit soll der Medikamenten-Missbrauch endlich verhindert werden“, wie ein Sprecher der Bundesregierung betonte. Der Medikamentenwirkstoff „Tilidin“ wird eigentlich bei starken Schmerzen in Kliniken eingesetzt. Zahlreiche Medien hatten in der Vergangenheit darüber berichtet, dass vor allem Jugendliche mit Hilfe von Arzneimittelverordnung-Fälschungen das Medikament als Droge missbrauchten.
Unkalkulierbare Gesundheitsschäden
Der Konsum der aktuell verbotenen synthetisch hergestellten Wirkstoffe sei mit „unkalkulierbaren gesundheitlichen Risiken” verbunden, wie Dyckmans erklärte. Weil die Hersteller der Designerdrogen meist sehr schnell auf Verbotsverfügungen reagieren und einfach neue Substanzen erfinden, sei das Verbot weiterer Varianten und Wirkstoffe bereits in Planung. Dyckmans bestätigte entsprechende Medienberichte, die von einem „Wettlauf“ zwischen Produzenten und Gesundheitsbehörden sprechen. Die Behörden werden aber weiterhin dafür sorgen, dass auch neue Drogenvarianten aus dem Verkehr gezogen werden, so die Drogenbeauftragte.
Nicht erst seit der Aufnahme in das BtMG beobachten die Behörden die labortechnischen Abwandlungen von bereits verbotenen Drogensubstanzen. Zahlreiche Patientenfälle wurden bekannt, in denen die Konsumenten der genannten Stoffe unter Herzrasen, Übelkeit und Erbrechen, akutem Kreislaufversagen, Verlust der Orientierung, Lähmungen, drogeninduzierten Psychosen und Wahnvorstellungen litten. Mindestens drei Patienten sind den Angaben zur Folge in den letzten drei Jahren an dem Konsum der Mode-Drogen in Deutschland verstorben.
Verbote zeigen Wirkungen
Laut offizieller Angaben zeigen derlei Verbote tatsächlich auch Wirkung, weil die bis dahin leicht erwerbbaren Synthetik-Drogen nicht mehr erhältlich sind. Der Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung 2011 berichtet beispielsweise von einer repräsentativen Umfrage unter Jugendlichen in Deutschland, dass der Verzehr bei den 15- bis 18jährigen Schüler und Schülerinnen nach einem Verbot von drei auf ein Prozent zurück ging. Im Jahre 2009 hatten Landesbehörden einige der sich bis dahin „legal“ im Umlauf befindlichen Kräutermischungen verboten. Vorangegangen waren Berichte von zahlreichen Kliniken, die von teilweise schweren gesundheitlichen Schäden der meist jugendlichen Patienten berichteten, nachdem sie cannabinoidhaltiger Substanzen konsumierten.
Unzureichende Neuverordnung des BtMG
Kritiker bemängeln, dass trotz der Aufnahme zahlreicher Substanzen in das Betäubungsmittelgesetz, eine „Selbstbeweihräucherung“ der Bundesregierung stattfinde. „Wird eine Substanz verboten, tauchen im Anschluss gleich fünf neue auf“, schreibt zum Beispiel die Initiative „Hanf Journal“. Im Internet können derlei künstlich hergestellte Drogen „gleich Kiloweise“ bestellt werden, weil zahlreiche Substanzen nicht in die Neuänderung des BtMG verzeichnet sind. Die Initiative nennt dabei unter anderem Cannabinoide wie AKB-48, 5FUR-144, UR-144 und sogenannte Research Chemicals wie A-PVP , Pentedron, Pentylon, 4-mec, Methoxetamine, 4-fa, 5-meo-mipt, 3,4-dmmc, 2-fma, 2-dpmp, 6-apb, Ethylphenidat und Methiopropamin. Die genannten Zusammensetzungen seien noch immer erwerbbar, so die Initiative. (sb)
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