Aids-Studie ist „Durchbruch des Jahres“
25.12.2011
Das Wissenschaftsmagazin „Science“ wählte die wichtigsten Forschungsergebnisse 2011 im Bereich der Medizin. Den „Durchbruch des Jahres“ erreichte in diesem Jahr eine AIDS Studie der medizinischen Fakultät der Universität von North Carolina in Chapel Hill (USA). Die Wissenschaftler konnten nachweisen, dass sich die Übertragung des Aids-Erreger „Humane Immundefizienz-Virus (HIV) durch die Einnahme eines Arzneimittel in der Wahrscheinlichkeit um 95 Prozent bei Heterosexuellen verringert. Damit „konnte ein entscheidender Durchbruch in der Verringerung der HI-Virus-Übertragung erlangt werden“, hieß es in der Begründung. Neben der Aids-Studie wurden zudem neue Erkenntnisse bei der Entwicklung eines Malaria-Impfstoffes und der Erforschung der menschlichen Genetik gewürdigt
Durchbruch des Jahres 2011
Eine Studie US-amerikanischer und internationaler Wissenschaftler erreichte in diesem Jahr den begehrten ersten Platz des Fachmagazins „Science“ in der Kategorie „Durchbruch des Jahres 2011“. Die Studie konnte nachweisen, dass die Übertragungsrate des HI-Virus um 95 Prozent minimiert wird, wenn bereits Infizierte ein Medikament regelmäßig einnehmen. Die Ergebnisse der Forschungsarbeit wurden im Augustheft des Magazins „New England Journal of Medicine“ publiziert und sorgten unter Medizinern für große Aufmerksamkeit. Die Arbeit sollte eigentlich noch bis 2015 fortgesetzt werden, ohne dass Ergebnisse öffentlich präsentiert würden. Als alle Zweifel an den überwältigenden Resultaten beseitigt waren, entschloss man sich zur Vorabveröffentlichung. Denn die antiretroviralen Medikamente konnten nicht nur den Ausbruch der Immunschwäche-Krankheit Aids verhindern, sondern eine Ansteckung der Viren über sexuelle Übertragungswege verhindern.
An einer Studie eines internationalen Forscherkonsortiums um Studienleiter Myron Cohen der medizinischen Universität North Carolina nahmen insgesamt 1763 heterosexuell orientierte Paare teil. Jeweils ein Partner hatte sich in der Vergangenheit mit dem HI-Virus infiziert. Der andere Lebenspartner hatte sich bislang nicht mit dem HI-Virus angesteckt. Die Probanden der Studie mit dem Titel „HPTN-052“ entstammten aus neun unterschiedlichen Staaten wie Brasilien, Indien, Thailand, den USA, Botswana, Kenia, Malawi, Südafrika sowie Zimbabwe. Im Verlauf der Studienarbeit nahmen die Teilnehmer das Medikament ARV ein. Die Teilnehmer wurden in zwei gleichgroße Gruppen aufgeteilt und über Schutzmaßnahmen aufgeklärt. Während die eine Gruppe ein Placebo verabreicht bekam, erhielt die andere ein Präparat mit dem zu untersuchunden Wirkstoff.
Medikament ist Therapie und Vorbeugung zugleich
Während des Untersuchungszeitraumes zeigte sich, dass die Wirkstoffapplikation die Anzahl der Viren im Organismus unter die Nachweisgrenze senkte. Im weiteren Verlauf stellten die Forscher fest, dass die Viren kaum noch während des Geschlechtsaktes an Nicht-Infizierte weitergegeben wurden. Während ersteres Ergebnis bereits bekannt war, erstaunte zweiteres die internationale Wissenschaft. Ursächlich für diesen Effekt war die Tatsache, dass die Virenzahl durch die Einnahme des Mittels bereits stark zurück gedrängt war. Positiv hervorzuheben sei zudem, dass das präventive Medikament in der bislang andauernden Studienzeit kaum Nebenwirkungen produzierte.
Die Forschungsarbeit ist ein „herausragender Schritt im Kampf gegen Aids“. Nunmehr sei ein erster Nachweis erbracht, der einen positiven Ausblick in der Behandlung von Aids-Patienten gestattet „Diesen Schutzeffekt hatte man zwar schon vermutet, aber überraschend war das große Ausmaß“, resümierte Studienautor schließlich Jon Cohen. Im Vorfeld gab es immer wieder Diskussionen innerhalb der Forscherwelt, ob die Prävention im Vorfeld bei Gesunden oder eine Therapie bei bestehender Infektion der richtige Weg sei. Diese Frage stelle sich nun nicht mehr, so Cohen. Denn die Therapie ist bei unseren Ergebnissen zugleich auch eine gute Vorbeugung.
Aids ist noch lange nicht besiegt
„Aids ist noch lange nicht besiegt“, warnen die Forscher trotz der Positivmeldung. „Ein erster Schritt in die richtige Richtung“, bedeute aber nicht alle Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz vor dem HI-Virus über Bord zu werfen. Die neuen Arzneimittel mit der Handelsbezeichnung sind zudem sehr teuer und bislang kaum für Normalsterbliche auf dem Arzneimitteilmarkt erhältlich. Die Studie „gibt aber Anlass zur Hoffnung“, so das die seit Jahrzehnten anhaltende Aids-Seuche bald besiegt ist. Ebenfalls, so geben die Autoren zu bedenken, sind die herausragenden Resultate bei Übertragungsrate bislang nur bei Heterosexuellen zu beobachten. Eine andere Studie mit homosexuellen Teilnehmern hatte eine Prävention von nur 44 Prozent erreicht.
Für das Fachblatt ist die Studie die Topmeldung des Jahres 2011 und eine neue Hoffnung für Millionen von HIV-Patienten. Das Journal prämiert traditionell jedes Jahr die größten Fortschritte in Sachen Forschung. Die HPTN 052-Studie gehört damit in die Top-Ten und ist ein Meilenstein beim Schutz vor Neuinfektionen.
Immunschutz aus Urzeiten
Als weiteren wissenschaftlichen Meilenstein kürte das Fachjournal den Vergleich des genetischen Codes der modernen Menschen. Dabei verglichen die Forscher die Urmenschen aus Afrika und Asien. Bei der genetischen Untersuchung konnte ermittelt werden, dass ein hoher Anteil der Menschen das Erbgut unserer uralten Vorfahren inne haben. Durch die Vergleichsanalyse konnte die These erstellt werden, dass unsere körpereigenes Abwehrsystem bis heute von uralten genetischen Merkmalen beeinflusst ist.
Malaria-Impfstoff entdeckt
Neben der Urzeit und Aids Forschung spielte der Kampf gegen die Infektionskrankheit Malaria 2011 eine herausragende Rolle. Science würdigte die Entwicklung eines neuen Malaria-Impfstoffes, der anlässlich einer Fachkonferenz in Seattle vorgestellt wurde. Der Impfstoff mit dem Titel RTS,S könnte künftig dazu beitragen, die Infektionsrate vor allem in den Entwicklungsländern zu mindern. An einer Studie hatten rund 15000 Kleinkinder und Jugendliche aus sieben afrikanischen Ländern teilgenommen. Nach Studienende zeigte sich, dass es offenbar möglich ist, das Erkrankungsrisiko um 50 Prozent zu senken. Zwar sind Eckdaten wie Impfschutzdauer und Kosten noch ungeklärt, Science würdigte aber den ersten Schritt für einen „vielversprechenden Anfang“ im Kampf gegen Malaria. (sb)
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