Beschwerdestatistik offenbart mehr Behandlungsfehler von Ärzten
21.06.2012
Laut der kürzlich veröffentlichten Beschwerdestatistik der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen nimmt die Zahl von ärztlichen Behandlungsfehlern zu. 2011 gingen mehr als 11.100 Beschwerden bei den zuständigen Stellen ein. In 99 Fällen verstarb der Patient infolge eines Behandlungsfehlers. Insgesamt stieg die Zahl der Beschwerden um einen Prozentpunkt an.
Vermeintliche Behandlungsfehler der Ärzte müssen genau geprüft werden
Für die über 11.100 Beschwerdefällen erfolgte eine genaue Untersuchung. Denn nicht immer liegt auch tatsächlich ein Fehler des Arztes vor. Bei den Fällen handelt es sich um Beanstandungen bei den Krankenkassen oder zuständigen Schiedsstellen. Diese fällten in rund 7.500 Fällen einen Schiedsspruch. In 1.900 Sachverhalten handelte es sich demnach tatsächlich um Behandlungsfehler von Ärzten. Zu diesem Urteil kamen die Sachverständigen nur dann, wenn ein Behandlungsfehler in engem Zusammenhang zu den Beschwerden der Betroffenen stand. In den restlichen Fällen konnte das nicht bestätigt werden.
Besonders gravierend sind Behandlungsfehler mit Todesfolge. Laut Statistik kam es im letzten Jahr in 99 Fällen zu derartigen folgenschweren und falschen ärztlichen Maßnahmen. Dabei handelte es sich um Behandlungsfehler, die entweder auf der Wahl der falschen Behandlungsmethode oder fehlerhaft vorgenommenen Behandlungen beruhten.
500 Patienten klagten wegen langwieriger, leichter Beschwerden. Zwar ist eine Heilung in solchen Fällen möglich, jedoch ist dafür ein großer Aufwand erforderlich. Bei 700 Betroffenen traten leichte und kurzzeitige Beschwerden aufgrund von Behandlungsfehlern auf. Wie hoch eine mögliche Dunkelziffer in den Kategorien ist, bleibt fraglich, da die Schlichtungsstellen und Gutachterkommissionen der Ärztekammern nicht die einzigen Einrichtungen sind, an die sich Patienten wenden können. Experten wie Dr. Andreas Crusius, Vorsitzender der Ständigen Konferenz der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen, schätzen, dass Patienten jährlich etwa 40.000 Behandlung bei den Gerichten, Schlichtungsstellen, dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen oder den Haftpflichtversicherungen beanstanden.
Behandlungsfehler am häufigsten bei Knie- und Hüft-OPs
Laut Statistik treten die meisten Behandlungsfehler bei Operationen von Knie- und Hüftgelenken auf. Auch bei den routinemäßigen Eingriffen bei gebrochenen Unterarmen, Unterschenkeln und Sprunggelenken kommt es zu Behandlungsfehlern. Eine Erklärung, warum gerade diese teilweise einfachen Eingriffe häufiger von Behandlungsfehlern betroffen sind, konnte nicht beantwortet werden.
Positive Entwicklungen vermeldete die Gutachterkommission bei Brustkrebs. Lediglich in 15 Fällen wurden ärztliche Behandlungsfehler verzeichnet, was einem Rückgang zum Vorjahr entspricht. Als Grund wurde die schnellere Überweisung zur Mammographie angeführt.
Neue Rechtslage bei Behandlungsfehlern soll Patientenrechte stärken
Der Bundesverband der Krankenkassen fordert eine neue Rechtslage, die es Betroffenen erleichtern soll, juristisch gegen derartige Behandlungsfehler vorzugehen. Derzeit ist es für medizinische Laien in vielen Fällen schwierig oder sogar unmöglich, einen Zusammenhang zwischen einem ärztlichen Behandlungsfehler und dem Leiden fachlich zu beweisen. Der Verband fordert deshalb, die Beweislast auf die Seite der Ärzte zu legen. Dann müsste der Arzt nachweisen, dass die Beschwerden eines Patienten nicht auf seine unter Umständen fehlerhafte Behandlung zurückzuführen sind.
Beschwerdemöglichkeiten bei Behandlungsfehlern
Kai Vogel, Gesundheitsexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, rät Betroffenen dazu, mit ihrem behandelnden Arzt über den möglichen Behandlungsfehler zu sprechen. Zwar würde dieser nicht unbedingt den Fehler einräumen, jedoch könne er aufgrund seiner Kenntnis der Krankengeschichte am schnellsten Maßnahmen gegen mögliche Komplikationen ergreifen. Konnte in dem Gespräch mit dem Arzt nichts erreicht werden, können sich Betroffene an ihre Krankenkasse wenden und dort um Unterstützung bitten. Viele Krankenkassen unterhalten zu diesem Zweck einen medizinischen Dienst. Zudem können Patienten ein privat-ärztliches Gutachten einholen. Die dafür anfallenden Kosten müssen jedoch in der Regel selbst getragen werden. Vogel weist daraufhin, dass Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Ärztekammern kostenlose Gutachten zu den vermeintlichen Behandlungsfehlern erstellen würden, die aber durch die Ärzteschaft besetzt seien. (ag)
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