08.07.2012
Mit einem sogenannten Praenatest sollen künftig spezialisierte Gynäkologen feststellen, ob der Fötus einer schwangeren Frau an dem Down-Syndrom leidet. Der Test wird mittels einer Blutentnahme durchgeführt. Während die Ärzteschaft den neuen Test als Errungenschaft ansieht, fordert der Behinderten-Beauftragte der Bundesregierung ein Verbot der geplanten Vorsorgeuntersuchung. Diese stelle eine menschliche „Selektion von Ungeborenen mit einem Down-Syndrom dar“. Denn Eltern sehen sich nach einem vermeintlichen Positivergebnis der Frage ausgesetzt, ob das Kind weiter ausgetragen werden soll. In den meisten Fällen, werde eine Abbruch der Schwangerschaft provoziert, so die Befürchtung der Kritiker.
Das Pharmaunternehmen „LifeCodexx“ aus Konstanz hat einen neuen Bluttest mit der Marktbezeichnung „Praena-Test“ entwickelt. Mit Hilfe des Bluttests kann das Down-Syndrom bei Embryos bereits im Mutterbauch diagnostiziert werden. Doch das Testverfahren ist heftig umstritten, da dieser eine „Selektion von Menschen“ darstelle und somit „gegen die Menschenwürde verstoße“. Gegner sehen sich nunmehr durch ein Rechtsgutachten im Auftrag der Bundesregierung bestätigt. So erklärte der Behinderten-Beauftragte der Bundesregierung, Hubert Hüppe, am Donnerstag in Berlin, der Bluttest verstoße laut des Gutachtens gegen das Gendiagnostikgesetz. Hübbe sprach in diesem Zusammenhang von einer „menschlichen Selektion“. Dieser Position schließen sich auch führende Kreise von CDU und CSU an.
Rechtsgutachten sieht keinen medizinischen Nutzen
Das juristische Gutachten wurde durch den Rechtsanwalt Klaus Ferdinand Gärditz aus Bonn erstellt. Mit dem „PraenaTest“ könne lediglich die Diagnose Down-Syndrom bei einem ungeborenen Kind ermittelt werden. Weil aber das Syndrom „weder heilbar noch nach heutigem Wissensstand behandelbar ist“, könne in dem Verfahren kein medizinischer Nutzen bescheinigt werden. Laut dem Gendiagnose-Gesetz müssen aber vorgeburtliche Untersuchungen bei einem Frauenarzt eben jenen Nutzen erfüllen. Auch sei das Präparat laut Gutachten „nicht verkehrsfähig“, weil die Gesundheit des Kindes im Mutterleib durch das Medizinprodukt „gezielt gefährdet“ werde, so der Jurist.
Behinderten-Beauftragte bezeichnete Test als „illegal“
Hüppe sprach sich vehement gegen eine Zulassung der Testung aus. Die Blutuntersuchung sei nach seinen Worten „illegal“. Fast ausschließlich gehe es „um die Selektion von Menschen mit dem Down-Syndrom.“ Fallzahlen zeigen, dass sich rund 90 Prozent der Eltern in Deutschland gegen eine Geburt ihres Kindes entscheiden, wenn bei konventionellen Voruntersuchungen ein Down-Syndrom ermittelt wurde. So sei zu befürchten, dass durch den Praena-Test eine „Rasterfahndung nach Menschen mit einem Down-Syndrom noch verstärkt wird“, wie Hüppe bei Vorstellung des Rechtsgutachtens kritisierte. Der Behindertenbeauftragte forderte die zuständigen Gesundheitsbehörden der Länder auf, sich einer Marktreichung entgegen zu stellen und eine Zulassung zu verweigern.
Scharfe Kritik von Seiten der Politik
Unterstützung bekam Hüppe durch die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Union, Ingrid Fischbach und Johannes Singhammer. Beide Politiker wandten sich gegen eine Zulassung und kritisierten das Produkt in ungewohnt scharfer Form. Jede Anwendung des Produktes sollte nicht zugestimmt werden, da das Testverfahren „nicht auf medizinische Maßnahmen hinleite, sondern zu einem Schwangerschaftsabbruch.“ Ein „Aussortieren von Leben“ verstoße ihrer Ansicht nach „eklatant gegen die Menschenwürde“.
Bluttest soll im Juli auf den Markt kommen
Das Unternehmen Lifecodexx verteidigt indes ihr Vorhaben der Marktreichung. Geplant sei, den Praenatest spätestens im Juli diesen Jahres auf den deutschen Medizinmarkt zu bringen. Mit Hilfe einer einfachen Blutuntersuchung könne das Down-Syndrom (Trisomie 21) bereits in einer Blutprobe der Schwangeren erkannt werden. Somit könnten gefährliche Fruchtwasseruntersuchungen in zahlreichen Fällen vermieden werden. Im Blut würden sich Anteile von Erbinformationen der Embryos befinden, die labortechnisch Hinweise auf spezifische Chromosomenveränderungen zeigen. Liegt ein Down-Syndrom vor, so ist das Chromosom 21 nicht zwei sondern dreimal vorhanden, wie ein Unternehmenssprecher erklärte.. Das Testverfahren auf Trisomie 21 sei zudem nach Unternehmensangaben „risikofrei und zuverlässig“. Ferner sei der Test für Frauen gedacht, bei denen Risiko für Chromosomenveränderungen beim Embryo bestehen. Den Test könne Patientinnen ab der 12 Schwangerschaftswoche in Anspruch nehmen. Hierfür müssen sich Frauen laut dem Gendiagnosegesetz zuvor von einem gesetzlich zugelassenen und spezialisierten Arzt eingehend beraten lassen.
Ärztekammer verteidigt die Blutuntersuchung
Unterstützung bekam die Pharmafirma von Seiten der Ärzteschaft. So erklärte der Vorsitzende der Deutschen Ärztekammer, Dr. Frank Ulrich Montgomery, dass sich die deutsche Gesellschaft für die Pränatal-Diagnostik entschieden hat. „Das Rad lässt sich nicht mehr zurückdrehen“, so der Ärztekammerchef. Es sei besser „diesen Bluttest anzuwenden, als eine mit Risiken behaftete Fruchtwasseruntersuchung vorzunehmen“.
Test wird nicht von den Krankenkassen übernommen
Bereits im Juli soll der Test in etwa 20 ambulanten Arztpraxen und Zentren für Pränatal-Diagnostik in Deutschland angeboten werden. Da kein medizinischer Nutzen im eigentliche Sinne vorliegt, wird der Test nicht in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen. Frauen, die sich für ein solches Untersuchungsverfahren entscheiden, müssen das Diagnoseverfahren als sogenannte Zusatzleistung selbst bezahlen. Eine Kostenübernahme seitens der Kassen ist auch zukünftig nicht geplant. Nach Angaben der Firma Lifecodexx soll der Praenatest rund 1200 Euro kosten. (sb)
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