Bodenmikroben mit Antibiotikaresistenten Krankenhauskeimen entdeckt
31.08.2012
Antibiotikaresistenzen werden meistens mit Krankenhauskeimen in Verbindung gebracht. Sie stellen bei bakteriellen Infektionen ein hohes Gesundheitsrisiko für Patienten dar. Denn wenn kein Antibiotikum mehr wirkt, können sich Bakterien im Körper ausbreiten und im schlimmsten Fall den Tod des Patienten verursachen. Nun hat ein internationales Forscherteam Antibiotikaresistenzen bei Bodenmikroben entdeckt. Vermutlich gelangen die resistenzvermittelnden Gene über Gülle, Mist und Abwässer in den Boden und breiten sich von dort immer weiter aus.
Antibiotikaresistenzvermittelnde Gene gelangen über Abwässer, Gülle und Mist in den Boden
Zur medizinischen Versorgung oder in der Viehzucht – Antibiotika werden zu häufig und zu achtlos eingesetzt. Darüber sind sich Experten bereits seit Langem einig. Ergebnis der Massenversorgung sind antibiotikaresistente Keime, Bakterien bei denen Penicillin und Co. nicht mehr wirksam sind. Besonders in Krankenhäusern stellen sogenannte multiresistente Keime ein großes Problem dar.
Jeder Mensch kann (multi-)resistente Keime übertragen, auch wenn die Antibiotika-Behandlung schon einige Zeit zurückliegt. Bei gesunden Menschen haben die Erreger normalerweise keine gravierenden gesundheitlichen Folgen. Gelangen die Keime jedoch in den Körper eines schwerkranken Menschen, der ein schwaches Immunsystem hat wie beispielsweise Patienten auf einer Intensivstation, können sie schwere Schäden verursachen und sogar zum Tod des Patienten führen. Zu den typischen Folgen einer Infektion mit multiresistenten Keimen gehören unter anderem schwere Entzündungen von Operationswunden, Blutvergiftungen und Lungenentzündungen. Spezielle Hygieneverordnung und -leidfäden sollen dabei helfen, die Ausbreitung solcher Keime in Krankenhäusern zu verhindern. Dennoch gelangen sie beispielsweise über Rückstände im Abwasser in die Umwelt und geben ihre Resistenz über bestimmte Gene an andere Bakterien weiter.
Nun wurden antibiotikaresistente Bodenmikroben entdeckt. Wie ein internationale Forschergruppe in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins „Science“ berichtet, "gelang damit erstmals der Nachweis eines Transfers von resistenzvermittelnden Genen zwischen pathogenen Keimen und harmlosen Bodenmikroben".
Krankheitserreger haben Gene in direktem Kontakt an Bodenmikroben übertragen
Kevin Forsberg von der Washington University School of Medicine und seine Kollegen fanden heraus, dass harmlose Bodenbakterien zur Verbreitung von Antibiotikaresistenzen beitragen könnten. Bei der Analyse von Bodenproben, die unter anderem von Äckern stammten, entdeckten die Wissenschaftler Mikroben, die gegen fünf gängige Klassen von Antibiotika resistent waren. Wie die Forscher berichten, entsprechen die resistenzvermittelnden Gene der harmlosen Bakterien denen von Keimen, die folgenschwere Infektionen auslösen können und schwer zu bekämpfen sind. Das spreche dafür, dass die Krankheitserreger ihre Gene in direktem Kontakt zu den Bodenmikroben übertragen hätten. Die Mikroben könnten ihre Resistenzen wiederum an andere Keime weitergeben, die dann ebenfalls Antibiotikaresistenzen entwickeln könnten, schreiben die Wissenschaftler.
Vermutlich gelangten die resistenten Keime über Gülle und Mist von Nutztieren, die mit Antibiotika behandelt wurden, auf die Felder. Zudem könnten "Rückstände im Abwasser für die Ausbreitung in der Umwelt verantwortlich sein", mutmaßen die Forscher. Bereits seit einiger Zeit wird vermutet, dass auch harmlose Keime an der Übertragung und Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen maßgeblich beteiligt sind. „Jetzt wissen wir, dass das zumindest beim Boden der Fall sein könnte“, schreiben Forsberg und seine Kollegen.
Auch multiresistente Bodenmikroben entdeckt
Die Wissenschaftler analysierten Bodenproben von elf verschiedenen Standorten in den USA. Insgesamt 95 Bakterienkulturen wurden dabei isoliert und auf ihre Anfälligkeit für 18 verschiedene Antibiotika untersucht. Auch die Resistenzgene der Mikroben wurden dabei unter die Lupe genommen.
Die Forscher konnten sieben gegen Antibiotika resistente Gene bei den Bodenbakterien identifizieren, die identisch mit denen von resistenten Stämmen von Krankenhauskeimen waren. Das deute daraufhin, dass die Übertragung der Resistenz erst kürzlich stattgefunden habe, berichten die Wissenschaftler. Die Resistenzgene schützen die Bakterien gegen fünf gängige Antibiotika-Klassen, zu denen Beta-Lactame, Aminoglykoside, Amphenicole, Sulfonamide und Tetracycline gehörten. „Diese Gene umfassen damit alle größeren Typen und Strategien der Antibiotika-Resistenz“, erklären die Forscher. Bei zwei der Bakterienarten aus Ackerböden wurden sogar sechs Gene auf einmal entdeckt. Damit gelten diese als multiresistent. Bei anderen Bakterien traten nur ein oder wenige Gene auf. „Dies ist der erste Beleg für einen solchen Gentransfer zwischen pathogenen Keimen und harmlosen Bodenmikroben“, schreiben die Wissenschaftler. Der Boden sei demnach ein entscheidendes Reservoir für Antibiotikaresistenzen, die sowohl von krankheitsverursachenden Keimen an die Bodenmikroben als auch umgekehrt übertragen werden können. Die genauen Vorgänge des Austauschs seien jedoch noch nicht bekannt und müssten jetzt untersucht werden. (ag)
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Bild: Gerd Altmann / pixelio.de
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