Richter sehen keine Schadenersatzansprüche im Brustimplantat-Skandal
13.11.2012
Der Skandal um minderwertige Brustimplantate des französischen Herstellers Poly Implant Prothèse (PIP) hatte im vergangenen Jahr europaweit massive Wellen geschlagen. Tausenden Frauen mussten die implantierten Silikonkissen aufgrund drohender Gesundheitsrisiken wieder entfernt werden. Beim Auftakt des ersten diesbezüglich in Deutschland geführten Schadensersatzprozess konnten die Richter des Landgerichts Karlsruhe jedoch keine Mitschuld deutscher Behörden oder des TÜV feststellen.
Die Richter schlossen nicht nur eine generelle Haftung der Behörden aus, sondern machten den betroffenen Frauen auch wenig Hoffnung auf Schadensersatz durch die Haftpflichtversicherung des mittlerweile insolventen französischen Herstellers PIP. Ansprüche gegen die Versicherung von PIP seien nach französischem Recht auf Schäden beschränkt, die innerhalb Frankreichs auftreten, erläuterten die Richter des Landgerichts Karlsruhe die Rechtslage. Diese „geografische Einschränkung des Deckungsschutzes ist wohl rechtmäßig“ und eine Anspruch der betroffenen Frauen daher nicht durchsetzbar, so die Richter in der mündlichen Verhandlung am Dienstag. Das Urteil soll am 30. November verkündet werden
Minderwertige Brustimplantat ein massives Gesundheitsrisiko
Der französische Hersteller PIP hatte bei der Produktion der Brustimplantate minderwertiges Industriesilikon verwendet, das nicht für medizinische Zwecke geeignet ist. Die Folge waren vermehrte Risse der Silikonkissen und schwere Entzündungen durch das austretende Silikongel. Nach Schätzung der Experten erhielten circa 5.000 Frauen in Deutschland ein entsprechendes PIP-Brustimplantat. Im Jahr 2010 warnte die französische Aufsichtsbehörde erstmals vor den minderwertigen Implantaten. Bis dahin wurde jedoch schon zehntausenden Patientinnen ein derartiges Silikonkissen eingesetzt. Um Gesundheitsrisiken zu vermeiden, rieten die Behörden sowohl in Frankreich als auch hierzulande den Patientinnen, die Billigimplantate wieder entfernen zu lassen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hatte im vergangenen Januar eine entsprechende Mitteilung ausgegeben. Bis Mitte dieses Jahres wurden rund 1.000 Implantate bei betroffenen Patientinnen wieder entfernt. Bei über einem Viertel der Patientinnen soll das Silikonkissen bereits Risse aufgewiesen haben und bei 20 Prozent der Frauen war offenbar bereits das minderwertige Industriesilikon ausgetreten.
Frau klagt auf Schadensersatz und Schmerzensgeld
Angesichts der Beeinträchtigungen durch das PIP-Brustimplantat, hat nun eine Frau aus Waghäusel in Baden-Württemberg auf Schadenersatz und Schmerzensgeld geklagt. Ihr wurde im Jahr 2007 ein entsprechendes Brustimplantat eingesetzt. Die Klägerin richtete ihre Forderungen in Höhe von circa 20.000 bis 30.000 Euro gegen ihren Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie, die deutsche Chemiehandelsgesellschaft, welche offenbar dem Implantathersteller PIP das verwendete Industriesilikon geliefert habe, ohne den Verwendungszweck zu prüfen, den französischen Haftpflichtversicherer von PIP, eine zum TÜV Rheinland gehörende Gesellschaft, welche die Implantate von PIP im Sinne des Medizinprodukterechts zertifiziert hat und die Bundesrepublik Deutschland im Wege der Amtshaftung, da das BfArM den Warnhinweisen nicht rechtzeitig nachgegangen sei. Die Richter des Landgerichts Karlsruhe machten in der mündlichen Verhandlung der Klägerin jedoch wenig Hoffnung auf Erfolg.
Gericht sieht kau Erfolgschancen für Schadenersatzansprüche
Ein Versäumnis der deutschen Behörden konnte der Vorsitzende Richter Eberhard Lang nicht erkennen, da für das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte vor der Warnung im Jahr 2010 durch die französische Aufsichtsbehörde keine Pflicht zum Einschreiten bestanden habe. Allerdings bemängelten die Richter im Zuge der aktuellen Verhandlung, die zu geringe Dokumentation der Kontrollen des TÜV Rheinland gegenüber dem Gericht. Eine zum TÜV Rheinland gehörende Gesellschaft hatte im Sinne des Medizinprodukterechts die Implantate von PIP zertifiziert. Die Klägerin war der Ansicht, dass im Rahmen des Verfahrens zur CE-Kennzeichnung der Implantate den Prüfpflichten nicht oder nicht ordnungsgemäß nachgekommen sei. Den Ausführungen ihrer Anwälte zufolge hätte der TÜV die Herstellerfirma in Frankreich auch ohne Vorankündigung kontrollieren müssen. Dieser Auffassung folgte der Vorsitzende Richter jedoch nicht, sondern erklärte: „Wir haben da eher Zweifel.“ Konkrete Versäumnisse des TÜV seien nicht dargelegt.
Schadenersatz wenigen minderwertige Brustimplantat lediglich gegen Ärzte möglich?
Zwar wird die endgültige Entscheidung des Landgerichts Karlsruhe erst für den 30. November erwartet, doch ist schon jetzt zu erkennen, dass – sollten die Richter bei ihrer Position bleiben – die Betroffenen ihre Schadenersatzforderungen lediglich an die behandelnden Ärzte richten können. Ein Schadenersatzanspruch direkt gegenüber dem Arzt setzt jedoch voraus, dass entweder ein Behandlungsfehler oder eine unzureichende Aufklärung über die Risiken im Zuge der Behandlung nachweisbar ist. Möglicherweise wird bei dem Urteilsspruch Ende November der Schadenersatzanspruch gegen die Ärzte zunächst auch außen vor gelassen und lediglich über die restlichen Forderungen der Klägerin entschieden, erläuterte das Gericht. (fp)
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