Bundesregierung: Milliarden für die Private Krankenversicherung. Das finanzielle Nachsehen haben die gesetzlichen Krankenkassen.
(13.09.2010) Nach Berechnungen der gesetzlichen Krankenkassen will die Bundesregierung im Zuge der Gesundheitsreform die private Krankenversicherung um rund 1 Milliarde Euro Zuggewinn begünstigen. Das Nachsehen haben die Gesetzlichen Kassen und damit auch die Kassenpatienten. Denn das Defizit in den Kassen des Gesundheitsfonds wird damit größer und die Taschen der PKV damit voller.
Immer wieder werden neue Details zur Gesundheitsreform bekannt. Es wird deutlich, dass die schwarz-gelbe Koalition die Privatwirtschaft im Gesundheitswesen stark begünstigen will. So soll zukünftig Angestellten der Weg in die Private Krankenversicherung enorm erleichtert werden. Damit verlieren die gesetzlichen Krankenkassen hohe Beitragszahler, das Solidarprinzip wird gefährdet. Ferner sollen die Zusatzleistungen bei den Kassen gestrichen werden. Dazu zählen Zahnzusatz- und Auslandskrankenversicherung, Chefarztbehandlungen sowie die Unterbringung im Einbett- oder Zweibettzimmer. Diese zusätzliche Leistungen (Wahltarife) können ab Inkrafttreten der Gesundheitsreform nur noch bei privaten Krankenversicherungen (PKV) versichert werden. Nach Plänen der Bundesregierung sollen die Privaten auch noch teilweise von den Zwangsrabatten bei den Arzneimitteln profitieren. Das alles ergibt laut Angaben der „Berliner Zeitung“, der Berechnungen der gesetzlichen Krankenkassen vorliegen, einen Betrag von rund einer Milliarde Euro im Jahr.
Es scheint, die PKV Lobby hat einen direkten Zugriff auf die Politik des Gesundheitsministers Philipp Rösler (FDP). Denn die Argumente gleichen sich. So argumentiert man, die Aufgaben der gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen müssten „differenziert“ werden. Es könne, so das Argument der PKV und des Bundesgesundheitsministers, nicht angehen, dass die Krankenkassen die Aufgaben der Privaten übernehmen würden. Auf der anderen Seite will Rösler die Privaten an den Ergebnissen der Rabattverhandlungen mit den Herstellern von Arzneimitteln beteiligen. Das blieb bislang nur den Gesetzlichen vorenthalten.
Nach den Berechnungen der Krankenkassen machen die privaten Versicherer allein durch den erleichterten Wechsel in die PKV ein Plus von insgesamt 500 Millionen Euro. Besserverdiener müssen nur einmal in einem Jahr mehr als 4125 Euro Euro im Monat verdient haben. Danach kann ein Angestellter in die PKV wechseln. Die Frist für einen Wechsel wird von drei auf ein Jahr herab gesetzt. Durch einen Verordnungsentwurf für die Rechengrößen in der Sozialversicherung wird die Beitragsbemessungsgrenze von 4162,50 Euro im Monat auf 4125 Euro sinken. Das bedeutet, dass Angestellte die über ein relativ hohes Brutto-Einkommen verfügen, nun wesentlich leichter in die PKV wechseln können.
Weitere 250 Millionen Euro wechseln von der Gesetzlichen in die PKV durch das Vorhaben, Wahltarife bzw. Zusatzleistungen bei den Kassen zu verbieten. Dazu gehören die Einzelzimmer in Krankenhäusern, die Auslandskrankenversicherung, Chefarztbehandlungen, Zahnarztzusatzversicherungen oder auch Naturheilkunde Leistungen. Geht es nach den Willen der schwarz-gelben Bundesregierung, so dürfen ab dem ersten Januar 2011 nur noch Private Krankenkassen solche Leistungen anbieten. Hierbei wird von einer „Zusammenarbeit“ gesprochen, was bedeutet, dass Kassenpatienten die zusätzlichen Leistungen nun bei den Privaten dazu buchen müssen, anstatt diese aus einer Hand von ihrer eigenen Kasse zu erhalten.
Wie stark das Bundesgesundheitsministerium die PKV stärken will, zeigt sich auch an der geplanten Beteiligung bei den Arzneimittelsparpaketen. Es ist laut den Gesundheitsplänen angedacht, PKV Versicherungskonzerne nur noch den Arzneimittelpreis von neuen Medikamenten bezahlen zu lassen, den die GKV bei den Rabattverhandlungen mit den Pharmaunternehmen ausgehandelt hat. Das allein soll weitere 250 Millionen Euro in die Kassen der Versicherungskonzerne spülen.
Alle geplanten Verbesserungen für die PKV -bis auf den Preisrabatt bei den Arzneimitteln- stellen auch gleichzeitig eine finanzielle Verschlechterungen für die gesetzlichen Krankenversicherer dar. Das bedeutet, auf Kosten der gesetzlichen Krankenkassen wird die Privatwirtschaft der Versicherer begünstigt. Bei einer Differenz zwischen den Einnahmen und den Aufwendungen in der privaten Gesundheits-Versicherung sind bereits wenige hundert Millionen Euro eine enorme Verbesserung der Geschäftslage.
Beobachter sprechen bereits von einem systematischen Ausbluten der gesetzlichen Gesundheitsversorgung. Die Bürger sollen sich zukünftig mehr privat absichern und nur noch eine Basis-Grundversorgung von der GKV erhalten. Denn den Kassen bleibt zukünftig nichts anderes mehr übrig, als Leistungen immer weiter einzuschränken. Darüberhinaus gehende Leistungen sollen nur noch zusätzlich privat versichert werden können. Das ist, wie einige Sozialverbände zu Recht kritisieren, eine Kopfpauschale durch die Hintertür. Laut Berechnungen der AOK fehlen den Krankenkassen im Jahr 2011 rund 11 Milliarden Euro. Dieser enorme Fehlbetrag soll fast ausschließlich durch Beitragserhöhungen und Zusatzbeiträge ausgeglichen werden. Aus den 11 Milliarden werden nun anscheinend 12 Milliarden Euro. Die Folge: Weitere Zusatzbeiträge im Jahr 2012. (sb)
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Bild: Christian Seidel / pixelio.de
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