Gedächtnisschwächen und Konzentrationsstörungen durch Chemotherapie
27.11.2012
Eine Chemotherapie, die im Rahmen einer Krebstherapie durchgeführt wird, kann Veränderungen im Gehirn erzeugen. Das würde erklären, warum häufig Krebspatienten über Gedächtnisstörungen oder Konzentrationsschwächen während und nach einer solchen Behandlung leiden. US-Forscher veröffentlichten erstmals auf der Jahrestagung der Radiological Society of North America (RSNA) ihre Studienergebnisse.
Mit Hilfe der Positronen-Emissions-Tomographie (PET), die mit der Computertomographie (CT) kombiniert wurde, konnten Wissenschaftler physiologische Beweise der negativen Auswirkungen einer Chemotherapie auf das Gehirn nachweisen. Dabei zeigte sich, dass die eingesetzten Mittel den Hirnstoffwechsel nachhaltig schädigen. Besonders betroffen seien Hirnareale, die für die Planung und das Zuweisen von Prioritäten zuständig sind. Aus diesem Grund klagen häufig Krebspatienten während und auch nach der Chemotherapie unter Konzentrationsschwierigkeiten und Gedächtnisschwäche.
Mentale Störungen mit organischer Ursache
„Von Chemotherapie-Patienten wird das Phänomen auch als geistiger Nebel und Verlust von Bewältigungsstrategien beschrieben“, berichtet Rachel A. Lagos, diagnostische Radiologin an der West Virginia University School of Medicine und West Virginia University Hospitals in Morgantown. Bislang waren die Ursachen der Nebenwirkungen noch unklar.
Das sogenannte „Chemo-Gehirn“ sei aber kein subjektives Erleben, sondern eine Folge der Behandlung, betont die Forscherin und Studienautorin. Die Forschungsarbeit habe gezeigt, dass „die durch die Chemotherapie ausgelösten Funktionsstörungen beim Hirn-Scans sichtbar identifizierbar sind“.
Für die Studie untersuchten Lagos und Kollegen die Funktionen der Gehirne von 128 Patientinnen, die aufgrund einer Brustkrebs-Erkrankung eine Chemotherapie verordnet bekamen. Die Gehirnregionen wurden jeweils vor und nach der Therapie aufgezeichnet. Mit Hilfe der PET konnten die Wissenschaftler die Durchblutung nachmessen und unterschiedliche Gehirnaktivitäten einzelner Areale untersuchen. Eine eigens programmierte Software durchsuchte danach die Aufnahmen nach Unterschieden im Hirnstoffwechsel.
Veränderungen im Gehirn deutlich erkennbar
“Als wir die Resultate sahen, waren wir überrascht, weil die Veränderungen stark offensichtlich waren”, berichtet Dr. Lagos. Das sogenannte “Chemo-Gehirn-Phänomen ist daher mehr als nur ein Gefühl. Es ist keine Depression der Patienten. Es ist eine Veränderung in der Gehirnfunktion, die auf der PET / CT-Bildgebung beobachtbar ist.” Die Aufnahmen zeigten nach der Chemotherapie für mehrere Regionen im Gehirn eine deutlich abgeschwächte Stoffwechselaktivität als zuvor. “Die Studie zeigt, dass es bestimmte Bereiche des Gehirns weniger Energie nach der Chemotherapie verbrauchten”, so Dr. Lagos. “Diese Hirnregionen sind für die Planung und Priorisierung zuständig.” Die beobachteten Effekte waren laut der Wissenschaftlerin um so ausgeprägter, je stärker die Probanden an kognitiven Störungen litten.
Vorangegangene Forschungsarbeiten hätten gezeigt, dass Patienten durch die Hilfe von Ernährungsberatern und Bewegungstherapeuten profitieren konnten. Während der Studie beklagten beispielsweise Teilnehmerinnen, dass es ihnen schwer fällt, eine Mahlzeit für ihre Familie zu zubereiten. „Mit Einkaufszetteln und schriftlichen Menüs waren die Frauen wieder in der Lage Lebensmittel einzukaufen“, sagt Dr. Lagos.
Lagos, ihre Kolleginnen und Forscher hoffen nun, dass sie den Weg zu einer besseren Behandlung geebnet haben, damit die Nebenwirkungen durch die Chemotherapie eingeschränkt werden. “Der nächste Schritt sollte eine prospektive Studie sein“, so die Expertin. Weitere Forschungsarbeiten könnten die Ursachen genauer identifizieren und eingrenzen. Das könne auch zu einer verbesserten Behandlung oder Prävention führen. (sb)
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