Mogelpackung: Disney verhängt Werbestopp für ungesunde Produkte in Kindersendungen
07.06.2012
Zunächst schienen alle begeistert von Disneys neuer Geschäftspolitik: Bis 2015 sollen alle Werbespots für ungesunde, fett- und zuckerreiche Lebensmittel aus den hauseigenen Programmen für Kinder verschwinden. Disney-Chef Bob Iger verkündete am Dienstag, dass der Konzern aktiv gegen die zunehmende Fettleibigkeit (Adipositas) von Kindern vorgehen wolle. Medienexperten vermuten jedoch, dass es sich dabei um einen geschickten Feldzug handelt, um eine neue Kundengruppe zu gewinnen.
Disneys Image leidet
Knallbunt und immer gut gelaunt – das Disney Marketing-Konzept kommt gut an. Neben Kinderprogrammen wie Disney Channel oder Disney XD generiert der Konzern seine Rekordumsätze in erster Linie mit Vergnügungsparks und dem Verkauf von unzähligen Lizenzprodukten. Doch das betont saubere Disney-Image hält nur auf den ersten Blick, was es verspricht. Bereits der Gründer des Medienkonzerns, Walt Disney, äußerte befremdliche Ansichten. So warb er 1957 beispielsweise mit einem Modell eines Atom-U-Boots für die ach so saubere Atomenergie. Es entstand einer der meist belächelten Filme der Disney-Geschichte „Unser Freund das Atom". Von Disneys neuer Idee zur Förderung einer gesunden Ernährung für Kinder scheinen jedoch viele begeistert zu sein – allen voran Amerikas First Lady, Michelle Obama.
Am Dienstag erklärte der Konzern-Chef Bob Iger, dass Disney nun den Kampf gegen die Kinderfettleibigkeit antrete. Deshalb würde der Konzern bis zum Jahr 2015 alle Werbespots für ungesundes Essen aus den Kinderprogrammen verbannen. Es sollen zukünftig nur noch Produkte beworben werden, die fett-, zucker- und kalorienarm sind und dem strengen internen Katalog entsprechen. Zunächst sei nur die USA von der Kampagne betroffen. Sie solle jedoch weltweit verbreitet werden. „Zu gegebener Zeit werden wir sie auch in Deutschland adaptieren," sagte ein Konzernsprecher in München. In Deutschland ist "SuperRTL" der größte Sender, an dem Disney beteiligt ist. Eine Unternehmenssprecherin erklärte, dass der Sender nicht von dem Werbestopp betroffen sei. Es gebe bereits eigene, strenge Werberichtlinien.
Will Disney eine neue Kundengruppe durch das Werbeverbot gewinnen?
Kaum zu glauben, dass ein Medienunternehmen freiwillig auf hohe Werbeeinnahmen verzichten will. Ebenso erstaunlich ist die Reaktion der großen Junkfood-Hersteller. Am Tag nach der Kampagnen-Ankündigung erklärte Kraft Foods, zu denen unter anderem Milka und Toblerone gehören: „Wir begrüßen Disneys Vorstoß, die Ernährungskriterien bei der Werbung für Kinder zu verbessern." Auch Nestlé, Hersteller zahlreicher Frühstückscerialien, äußerte sich überraschend positiv. Der Konzern bewerbe bei den unter Zwölfjährigen ohnehin seit Jahren keine ungesunden Snacks. Nestlé hat sich in den USA mit verschiedenen Konzernen, zu denen McDonald’s und Coca-Cola gehören, zusammengeschlossen und entschieden, gemeinsam keine Werbung mehr für besonders zucker- und fetthaltige Kinderprodukte zu machen.
Steve Birenberg, Präsident von Northlake Capital Management, einer Investmentberatung mit Schwerpunkt Medien, sieht das Vorgehen von Disney kritisch. Dem Konzern gehe es in erster Linie um Publicity. „Ich will nicht zynisch klingen, aber das Ganze ist vor allem eine sehr geschickte Geschäftsentscheidung", erklärt Birenberg. Denn die Werbeumsätze auf den Kindersendern sind relativ gering und spielen deshalb nur eine untergeordnete Rolle. Die Analysefirma SNL Kagan schätzt den Werbeumsatz bei Disney XD auf lediglich 127 Millionen Dollar pro Jahr. Disney machte mit seinen Freizeitparks aber rund 12 Milliarden Dollar Umsatz im letzten Jahr.
Der Verkauf von Lizenzprodukten spült etwa 3 Milliarden Dollar jährlich in die Konzernkasse. Mit dem Werbeverbot scheint Disney eine neue Kundengruppe ansprechen zu wollen. Gesundheitsbewusste Eltern sollen so auch zu Disney-Kunden werden. „Disney gibt relativ wenig auf und bekommt dafür sehr viel", erklärt Birenberg. Parallel zur Kampagne soll ein Disney-Qualitätssiegel eingeführt werden. Mit „Micky Check“ sollen Lebensmittel etikettiert werden, die den konzerneigenen Ernährungskriterien entsprechen. So entscheidet Disney, welches Produkt gesund ist und welches nicht.
Spezielle Kinderprodukte beinhalten häufig zu viel Fett und Zucker
Laut eigenen Angaben würde Disney bereits seit 2006 in seinen Freizeitparks auf gesunde Ernährung achten. Zu Kindermenüs würden demnach Karotten oder fettarme Milch serviert. Merkwürdig, dass Burger und Pizza trotzdem noch auf der Speisekarte stehen.
Produkte, die laut Herstellerangaben speziell auf Kinder zugeschnitten sind, beinhalten häufig zu viel Zucker und Fett. Ob „Kinder-Menü“, „Bärchen-Wurst“ oder „Kinder-Cola“, laut Foodwatch stellt die Lebensmittelindustrie die Ernährung der Kinder mit derartigen Produkten auf den Kopf. Sie biete im Überschuss Lebensmittel an, von denen Kinder eigentlich nur geringe Mengen essen und trinken sollten. Demgegenüber würden Kinderlebensmittel, die vom „aid Infodienst Ernährungsdienst, Landwirtschaft, Verbraucherschutz e.V.“ mit „reichlich“ zertifiziert würden, Mangelware bleiben. Foodwatch kritisierte, dass sich die Hersteller ihrer Verantwortung für eine gesunde Ernährung der Kinder entziehen. Stattdessen würde sie die zunehmende Fehlernährung fördern. Aus betriebswirtschaftlichen Gründen stellten sie möglichst viele unausgewogene Produkte her, kritisieren die Experten. Die Gewinnmarge bei Obst und Gemüse liege deutlich unter der von Süßigkeiten und Softdrinks. (ag)
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