Genom der mittelalterlichen Pest-Bakterien entschlüsselt
13.10.2011
Nachdem Forscher der Universität Tübingen gemeinsam mit kanadischen Kollegen bereits im August berichteten, das Pest-Bakterium, welches im 14. Jahrhundert für die Ausbreitung der tödlichen Seuche in Mitteleuropa verantwortlich war, identifiziert zu haben, ist ihnen nun die Entschlüsselung des Erbgutes der Yersinia pestis Bakterien gelungen.
Schon seit längerem galten die Yersinia pestis Bakterien als wahrscheinlicher Auslöser der Pest im Mittelalter. Die Forscher der Universität Tübingen hatten diesen Verdacht bereits im August im Rahmen einer umfassenden Untersuchung bestätigt. Nun ist ihnen auch die Entschlüsselung des Genoms der Pest-Bakterien gelungen. Dabei unterscheide sich das Yersinia pestis Bakterium nur an wenigen Stellen von den auch heute noch verbreiteten Pest-Erregern, berichten Prof. Dr. Johannes Krause von der Universität Tübingen und Kollegen in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins „Nature“.
Die Mutter aller Pesterreger
Den Forschern zufolge war Yersinia pestis „sozusagen die Mutter aller heutigen Pesterreger“ und verantwortlich für die auch als „Schwarzer Tod“ bekannte Pestseuche im 14. Jahrhundert in Mitteleuropa, bei der verschiedenen wissenschaftlichen Angaben zufolge zwischen 25 und 50 Prozent der europäischen Bevölkerung verstarben. Prof. Dr. Johannes Krause von der Universität Tübingen und Kollegen haben nun das Bakterienerbgut der Erreger entschlüsselt und in dem Fachjournal „Nature“ präsentiert. Dabei stellten die Forscher fest, dass das Genom der Yersinia pestis Bakterien den noch heute vorkommenden Pest-Bakterien verblüffend ähnlich ist. Lediglich an zwölf Stellen unterscheide sich das Erbgut der Bakterien aus dem Mittelalter von den bis heute verbreiteten nächsten Pest-Erregern. Dass die Pest dennoch nur im 14. Jahrhundert eine so fatale Epidemie auslöste, ist laut Aussage der Experten darauf zurückzuführen, dass beim ersten Auftreten der Erreger „weder der Mensch noch sein Immunsystem damit umzugehen“ wussten. Im Verlauf der Seuche sei jedoch ein Großteil der Menschen, die besonders anfällig für die Erreger waren, verstorben und die Überlebenden hatten vermutlich ein widerstandsfähigeres Immunsystem, so die Erklärungen der Forscher für das Ausbleiben weiterer Pestepidemien. Darüber hinaus habe die Bevölkerung sich später auch durch eine verbesserte Hygiene und die Einführung von Quarantäne für Erkrankte und sogenannte Pesthäuser besser gegen eine Ausbreitung der Pest gewappnet.
Der endgültige Nachweis von Yersinia pestis als Auslöser der Pestepidemie im Mittelalter gelang den Forschern der Universität Tübingen bereits im August, nachdem sie gemeinsam mit kanadischen und britischen Kollegen mehr als 100 Skelette von einem Londoner Pest-Friedhof genetisch analysiert und nach Spuren der Erreger gesucht hatten. Die Sequenzierung von unter einem Prozent des Genoms der Erreger habe ausgereicht, um einen zweifelsfreien Beweis zu erbringen, betonte Prof. Dr. Johannes Krause bei Veröffentlichung der Ergebnisse in dem US-Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS). Schon im Anschluss an die erste Untersuchungen erklärte Krause, vieles deute darauf hin, „dass sich zumindest ein Teil der Erbinformation der Pesterreger in den letzten 600 Jahren kaum verändert hat“.
Pest im Mittelalter forderte 25 Millionen Menschenleben
Die Pestseuche zwischen 1347 und 1353 war die bislang größte Epidemie in Europa und forderte rund 25 Millionen Menschenleben. Nach bisherigen Erkenntnissen breitete sich die Infektionskrankheit zunächst in Asien aus und gelangte von hier aus mit den Ratten an Bord von Schiffen nach Europa. Vor allem in den Städten wie Köln, Hamburg oder Bremen wütet der Schwarze Tod in Deutschland mit fatalen Folgen, wobei sich die Erreger aufgrund der mangelhaften Hygiene und der relativ hohen Bevölkerungsdichte schnell ausbreiten konnten. Allerdings ist trotzt der umfassenden Forschungen noch immer nicht gänzlich geklärt, wieso sich die Pest im 14. Jahrhundert derart schnell verbreitete, wohingegen heutige Pest-Erreger sich auch bei fehlenden Hygiene-Einrichtungen und ausbleibender medizinischer Betreuung deutlich langsamer ausbreiten. Den Zahlen der Weltgesundheitsorganisation WHO zufolge sterben noch heute jährlich etwa 100 bis 200 Menschen weltweit an der Pest, bis zu 3.000 Erkrankungen werden pro Jahr registriert, wobei ein Großteil der Pest-Infektionen in Entwicklungsländern zu verzeichnen ist. Mit den Infektionszahlen aus dem Mittelalter sind diese Zahlen jedoch nicht zu vergleichen. (fp)
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