Fettleibige Kinder unterliegen höheren Gesundheitsrisiken als bislang angenommen
26.09.2012
Übergewicht und Fettleibigkeit (Adipositas) sind für Kinder ein größeres Gesundheitsrisiko, als bislang angenommen. Das Forscherteam um Claire Friedmann von der Universität Oxford hat in dem Fachmagazin „British Medical Journal“ (BMJ) die Ergebnisse einer Metastudie veröffentlicht, die mögliche Zusammenhänge zwischen bestehendem Übergewicht und kardiovaskulären Erkrankungen (Herz- Kreislauferkrankungen) der Kinder untersucht.
In den modernen Industriestaaten ist Fettleibigkeit bei Kindern ein wachsendes Problem. Als Hauptursachen werden ungesunde Ernährung und Bewegungsmangel genannt. Zwar verzeichneten jüngste Studien in Deutschland einen leichten Rückgang des Anteils übergewichtiger Kinder, doch beispielsweise in Italien leiden heute mehr als 40 Prozent der Zwei-bis Zehnjährigen an Übergewicht oder Fettleibigkeit. Griechenland, Spanien und Portugal sind als weitere europäische Länder mit besonders vielen übergewichtigen Kindern zu nennen. Die Konsequenzen für die Gesundheit der betroffenen Kinder wurden zwar bereits vielfach thematisiert, doch der aktuellen Metastudie von Claire Friedmann zufolge sind die drohenden Gesundheitsschäden offenbar deutlich weitreichender als bislang angenommen. Schon früh zeigen sich typische Risikofaktoren für das Auftreten kardiovaskulären Erkrankungen.
Blutdruck bei übergewichtigen Kindern erhöht
Das Forscherteam um der Universität Oxford hat im Rahmen seiner Metastudie 63 frühere Studien mit insgesamt 49.220 beteiligten Kindern ausgewertet. Das Alter der Studienteilnehmer zwischen fünf und 15 Jahren. Sämtliche berücksichtigten Studien entstanden in den Jahren nach 1990 und erfassten neben dem Körpergewicht mindestens einen Risikofaktor für Erkrankungen des Herzkreislaufsystems. Die Forscher stellen fest, dass ein hoher Body-Mass-Index (BMI; Relation von Körpergewicht zur Größe) deutlichen Einfluss auf die Risikofaktoren der kardiovaskuläre Erkrankungen hat. Übergewichtige Kinder zeigten demnach zum Beispiel eine Erhöhung des systolischen Blutdrucks um 4,54 Millimeter Quecksilbersäule (mm Hg). Bei den fettleibigen (adipösen) Kinder betrug die durchschnittliche Erhöhung des systolischen Blutdrucks im Vergleich zu Normalgewichtigen sogar ganze 7,49 mm Hg.
Dicke Kinder mit erhöhtem Risiko kardiovaskulärer Erkrankungen
Auch die Cholesterinwerte und die Konzentration der Triglyceride waren bei den übergewichtigen Kindern signifikant höher als bei Normalgewichtigen. Beim Cholesterin betrug die Erhöhung durchschnittlich 0,15 Millimol pro Liter (mmol / L) bei den Triglyceriden 0,26 Millimol pro Liter. Bei den fettleibigen Kindern waren außerdem erhöhte Insulin-Resistenzen zu beobachten, die als Anzeichen eines gestiegenen Diabetes-Risikos gelten. Diesen Zusammenhang stellten die Forscher allerdings ausschließlich bei den fettleibigen, nicht bei den übergewichtigen Kindern, fest. Friedemann und Kollegen schlussfolgern, dass „mit einem Body-Mass-Index außerhalb des normalen Bereichs deutlich verschlechtert Risikoparameter für kardiovaskuläre Erkrankungen im Schulalter“ einhergehen. Insbesondere Fettleibigkeit habe schon bei Kindern im Alter unter fünf Jahren erheblichen Einfluss auf die Risikofaktoren für kardiovaskuläre Krankheiten, schreiben die Forscher in dem aktuellen BMJ-Artikel.
Epidemie der Fettleibigkeit bei Kindern?
Die gesundheitlichen Folgen des Übergewichts könnten demnach deutliche höher sein als bislang angenommen, insbesondere wenn die Risikofaktoren über Jahre hinweg bestehen bleiben. So steige beispielsweise die Gefahr im Erwachsenenalter einen Schlaganfall oder eine Herzkrankheit zu erleiden durch das dauerhafte Übergewicht um 30 bis 40 Prozent im Vergleich zu Personen mit Normalgewicht, berichten die Forscher der Universität Oxford. In einem Kommentar zu dem Artikel von Claire Friedemann schreiben Lee Hudson und Russel Viner vom University College London (UCL), dass die aktuelle Studie einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis der gesundheitlichen Auswirkungen der „Epidemie der Fettleibigkeit bei Kindern“ in den modernen Industriestaaten liefere. Die Ergebnisse seien „beunruhigend“, doch bleibe abzuwarten, welche langfristigen Folgen die aktuelle Generation der adipösen Kindern und Jugendlichen tatsächlich ereilen werden.
Übergewicht im Kindesalter bedingt organische Veränderungen
Besonders kritisch bewertete Hudson und Viner die in der aktuellen Studie festgestellten organischen Veränderungen bei fettleibigen Kindern. Hier wurde von Friedemann und Kollegen bei den adipösen Kindern eine Erhöhung der linksventrikulären Masse (Vergrößerung der linken Herzkammer) festgestellt, wie sie normalerweise erst bei älteren Menschen mit chronischem Bluthochdruck zu verzeichnen ist. Generell sei der Unterschied bei der aktuellen Studie, dass hier die unmittelbaren Auswirkungen des Übergewichts im Kindesalter erfasst wurden, während die meisten früheren wissenschaftlichen Untersuchungen sich eher auf die Folgen des Übergewichts im späteren Lebensalter konzentrierten. Die Metastudie des Forscherteams um Claire Friedemann biete eine „krasse Darstellung der wahrscheinlichen Bedrohung, die Fettleibigkeit bei Kindern“ mit sich bringt, so Viner und Hudson weiter. Allerdings bleibe bisher die Frage offen, ob die Gesundheitsrisiken durch das Übergewicht sich mit dem Alter linear erhöhen oder ab einer bestimmten Altersgrenze besonders stark steigen. Ließe sich eine solche Grenze bestimmen, könnte diese als Hinweis dafür dienen, ab welchem Alter dringend etwas gegen das Übergewicht getan werden muss. (fp)
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