Gesundheitsschädigender Fluglärm an der Uniklinik in Mainz
16.08.2013
Zahlreiche Menschen in Deutschland sehen sind im Alltag derart erheblichen Lärmbelastungen ausgesetzt, dass diese gesundheitliche Beeinträchtigungen mit sich bringen können. Ein aktuelles Gutachten zur Fluglärmbelastung über der Mainzer Uniklinik hat nun gezeigt, dass die Patienten durch die sehr hohen Lärmpegel auf dem Gelände der Universitätsmedizin in ihrer Gesundheit zusätzlich gefährdet werden könnten.
Die vom Landesumweltamt Rheinland-Pfalz und der Universitätsmedizin Mainz am Donnerstag vorgestellten Messergebnisse, der seit Februar 2013 aufgestellten mobilen Fluglärmmessstation, verzeichneten Spitzenwerte von bis 76 Dezibel (dB) in der Nacht. Den Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge sind „bei Außen-Mittelungspegeln ab 40 dB(A) in der Nacht schädliche Gesundheitseffekte messbar“, erläuterte der Präsident des Landesumweltamts Rheinland-Pfalz, Dr. Stefan Hill, gemeinsam mit dem stellvertretenden Medizinischen Vorstand der Universitätsmedizin Mainz, Professor Dr. Karl Lackner und dem Direktor der II. Medizinischen Klinik und Poliklinik, Professor Dr. Thomas Münzel. Für die Patienten in der Mainzer Uniklinik könnte die Fluglärmbelastung eine deutliche Verzögerung der Genesung mit sich bringen, so die Befürchtung der Experten.
Höchstwerte des Fluglärms werden in der Nacht erreicht
Die mobile Fluglärmmessstation hat den Angaben der Mainzer Universitätsmedizin zufolge „für die Monate Februar, März und April 2013 durchschnittlich rund 4.300 Fluglärmereignisse im Monat“ registriert, wobei hier zu bedenken ist, dass die Flugbewegungen in den Ferienzeit in der Regel noch einmal deutlich zunehmen. Den maximalen Spitzenwert verzeichnete die Messstation zwischen fünf und sechs Uhr morgens am 27. April mit beachtlichen 76,5 Dezibel. Normalerweise „lagen die Maximalpegel der Überflüge zwischen 60 und 65 Dezibel“, berichtet die Universitätsmedizin Mainz. Besonders hohe Maximalpegel und damit sehr laute Fluglärmereignisse seien häufig in den Morgenstunden zwischen fünf und acht Uhr festzustellen gewesen, wobei sich Abweichungen der Messwerte „auch durch die verschiedenen Windrichtungen und die entsprechenden Flugrouten“ ergaben, so die Erläuterung der Experten. Das Spektrum der Messwerte habe tagsüber von 34 bis 53 Dezibel bei West- und von 45 bis 54 Dezibel bei Ostbetriebsrichtung gereicht. Für die Nacht lagen die Mittelungspegel bei Westbetriebsrichtung zwischen 19 und 46 Dezibel und bei Ostbetriebsrichtung zwischen 37 und 45 Dezibel.
Gemittelt Lärmbelastungen führt zu Verzerrung
Da bei der Berechnung des Fluglärms Mittelungspegel zu Grunde gelegt werden, dass heißt die einmaligen Spitzenbelastungen über einen längeren Zeitraum gemittelt werden, bleiben die gesetzlichen Vorgaben an viele Flughäfen eingehalten, obwohl der Lärm von Anwohnern und anderen Betroffenen bereits als äußerst unangenehm wahrgenommen wird. Als Beispiel sei hier der Wecker genannt, von dem die meisten Mensch allmorgendlich wachgeklingelt werden. Würde der Lärm des Weckers über eine Stunde beziehungsweise die Nacht gemittelt, könnte niemand hiervon aufwachen. Hier liegt eine Schwachstelle in den derzeitigen gesetzlichen Vorgaben, die bereits seit Jahren von den Fluglärmgegnern deutschlandweit massiv kritisiert wird.
Alle zwei bis drei Minuten ein Flugzeug
Über der Mainzer Uniklinik wurden die Empfehlungen der Weltgesundheitsbehörden „für zumutbare Lärmbelastungen an zahlreichen Tagen überschritten. „Nach Weisenau und Laubenheim ist der Standort Universitätsmedizin hinsichtlich der Fluggeräuschpegel die am drittstärksten belastete Station der Messstationen des Landes“, erläuterte der Präsident des Landesamt für Umwelt, Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht Rheinland-Pfalz, Dr. Stefan Hill. Derart hohe Mittelungspegel werden durch die hohe Anzahl der Flugbewegungen erreicht. So seien im März 2013 von der Fluglärmmessstation 5.026 Ereignissen aufgezeichnet worden. „An Tagen mit Ostwetterlage bedeutete dies alle zwei bis drei Minuten einen Überflug“, berichtet die Universitätsmedizin Mainz.
Patienten werden durch den Fluglärm zusätzlich beeinträchtigt
„Wir müssen davon ausgehen, dass Patienten, die unter Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden oder bereits einen Herzinfarkt und Schlaganfall erlitten haben, durch diese sehr hohen Lärmpegel, die auf dem Gelände der Universitätsmedizin gemessen werden, zusätzlich gefährdet werden.“, erläuterte Professor Dr. Thomas Münzel, Direktor der II. Medizinischen Klinik und Poliklinik der Universitätsmedizin Mainz. „Insbesondere die hohen Lärmpegel in den Randstunden von 22 bis 23 Uhr und 5 bis 6 Uhr bereiten mir Sorgen, da in diesen Zeiten typischerweise gehäuft Herzinfarkte und Schlaganfälle auftreten“, so Prof. Münzel weiter.
Deutliche Reduzierung des Fluglärms gefordert
Auch der stellvertretende Medizinische Vorstand der Universitätsmedizin Mainz, Prof. Dr. Karl Lackner, zeigte sich über die festgestellte Fluglärmbelastung besorgt. „Die Universitätsmedizin ist in erster Linie dem Wohl ihrer Patienten verpflichtet. Gerade für schwerkranke Patienten aller Altersgruppen ist erwiesen, dass Lärmbelastungen der Genesung abträglich sind“, betonte Prof. Lackner und ergänzte: „ Aus diesem Grund fordern wir mit Nachdruck eine deutliche Entlastung des Geländes der Universitätsmedizin mit allen Kliniken in Mainz und erwarten im Hinblick auf die beunruhigenden aktuellen Messergebnisse, dass alle Möglichkeiten zum aktiven Schallschutz genutzt werden – insbesondere zu den sensiblen Zeiten.“ Ob die Forderung Gehör finden wird, bleibt jedoch offen. (fp)
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