Tuberkulose trat sehr viel früher auf, als bislang vermutet
23.04.2012
Bislang vermuteten Forscher, dass der Tuberkulose-Erreger seinen ersten Ursprung in der Jungsteinzeit hatte. Untersuchungen eines rund 500.000 Jahre alten Fossils eines Frühmenschen aus der Türkei zeigte, dass vermutlich die Infektionskrankheit sehr viel früher in der Menschheitsgeschichte auftrat, als bislang in der Forscherwelt angenommen. Der Schädel eines Homo erectus zeigte Anzeichen einer durch Tuberkulose verursachten Hirnhautentzündung.
Tuberkulose führt Sterbestatistik der bakteriellen Infektionen an
Die Tuberkulose (TBC oder auch früher Schwindsucht genannt) gehört zu den am Meisten verbreiteten bakteriellen Infekten, die durch eine Reihe von verschiedenen Bakterien eines Keimstammes ausgelöst wird. In den meisten Fällen befallen die Keime das Lungengewebe des Menschen. In den Statistiken der Weltgesundheitsorganisation WHO gehört die Tuberkulose zu den häufigsten tödlichen Infektionskrankheiten weltweit. Laut einer WHO Auswertungen im Jahre 2009 starben allein im Jahre 2008 rund 1,8 Millionen Menschen an den Folgeerscheinungen der Krankheit.
Schädelfund zeigt Anzeichen einer Hirnhautinfektion
Einem internationalen Forscherteam, angeführt durch das „Department of Anthropology“ der Universität Texas, Austin, ist es bereits im Jahre 2004 gelungen, anhand einer Analyse des gefundenen Schädels nachzuweisen, dass die schwere Erkrankung sehr wahrscheinlich sehr viel früher auftrat, als bislang vermutet. Bis dahin vertraten Wissenschaftler die Meinung, dass die TBC erst vor einigen tausend Jahren erstmals Verbreitung unter Menschen fand. Der Fund könnte aber bisherige Annahmen widerlegen, so dass die ersten Frühmenschen schon vor rund 500 000 Jahren erstmalig Infektionen aufwiesen. Der analysierte Schädel eines Homo erectus zeigte nach Angaben der Experten der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) Spuren einer durchlebten Gehirnhautentzündung, die in Folge einer Tuberkulose meist auftritt. Die Wissenschaftler nehmen nunmehr an, dass der gefundene Schädel zu einem dunkelhäutigen aus Afrika stammenden Menschen gehörte, der im Gegensatz zu hellhäutigen Menschen signifikant weniger Vitamin-D über Sonneneinwirkungen der Haut produzieren kann. Folglich sind Menschen mit einer dunklen Hautfarbe besonders anfällig für Tuberkulose.
Noch ist aber die Annahme nicht gänzlich bestätigt, weshalb ein Team um Prof. Dr. Dr. Michael Schultz, Paläopathologe der UMG, die Nachbildung des 500.000 Jahre alten Schädels auf Zeichen der Tuberkulose untersucht. „Rein morphologisch gesehen, ist es wahrscheinlich, dass es sich bei den ‚Grübchen‘ und Einkerbungen an der Innenseite des Vorderschädels um Überreste einer durch Tuberkulose ausgelösten Hirnhautentzündung handelt“ erklärt der Göttinger Paläopathologe. Stimmt die Annahme, so ist der türkische Fund „der einzige Nachweis weltweit von Hirnhaut-Tuberkulose beim Menschen aus der Fossilzeit“, so Schultz.
Tuberkulose Erreger befallen die Lunge und das Gehirn
Tuberkulose befällt in den meisten Fällen die Lunge, kann sich aber auch auf andere innere Organe ausbreiten. Häufig ist demnach auch das Gehirn betroffen, weshalb dann eine Hirnhautentzündung entsteht. Daher dienen die derzeit durchgeführten Studien zur Diagnostik des Schädels. Deutliche Riefen und Höcker-Strukturen auf der Vorderseite der vorderen Schädelgrube können hierbei wertvolle Hinweise liefern. Die Forscher schätzen anhand der Größe und Ausprägung der Augenbrauenknochen das Alter des damaligen Menschen zwischen 18 und 30 Lebensjahren. Die Stücke des Schädels bei im Travertin-Gestein in einem Steinwerk in der Westtürkei gefunden.
Die morphologischen Entdeckung bezieht sich auf einem dem Original eines identischen Abgusses des entdeckten Schädelstücks. Zusammen mit dem US-Forscher Prof. John Kappelmann will der Paläopathologe in Göttingen das Schädelteilstück mikroskopisch untersuchen. Der Anthropologe Kappelmann von der Universität Austin in Texas ist in Mitglied der Forschergruppe, die die Fundstücke des Frühmenschen führend untersuchen. Der originale Schädel befindet sich aber weiterhin in der Türkei. Im Sommer 2012 sollen weitere Analysen mit einem Lichtmikroskop sowie eine wissenschaftliche Endoskopie folgen. Diese könnten die morphologischen Annahmen bestätigen oder verwerfen, so der Experte.
Als gesichert gilt schon jetzt, dass die ein bis zwei Millimeter große Störung der anatomischen Struktur an der Schädeldecke entstanden ist, als der Mensch noch gelebt hat. Die Merkmale seien typischerweise Hinweise für eine Hirnhautinfektion. „Vor allem die exakte Form und die Platzierung der Läsionen am Schädel sind sehr charakteristisch für eine bestimmte Form von Tuberkulose. Sie ist als Leptomeningitis tuberculosa bekannt“, fügt Prof. John Kappelmann hinzu.
Weitere Untersuchungen sollen Annahme bestätigen
„Die paläopathologischen Untersuchungen liefern eine neue Grundlage zur Interpretation der Evolution und Geschichte der Tuberkulose.“ sagt Schultz. Sollten sich die bisherigen Vermutungen bestätigen, wäre der Schädelfund von „außergewöhnlicher Bedeutung für die geschichtliche Einordnung von TBC“. Der erste Zeitpunkt des Auftretens der Infektionskrankheit in Menschheitsgeschichte müssten dann korrigiert werden.
Heute kann die TBC in der Regel gut mit antibiotischen Medikamenten behandelt werden. Dennoch kann gerade in ärmeren Regionen der Welt eine Ausbreitung nicht verhindert werden. Jedes Jahr treten etwa neun Millionen Neuerkrankungen auf. Die Anzahl der Todesfälle ist in den letzten Jahrzehnten sehr viel weniger abgeflacht, als die Zahl der neu aufgetretenen Erkrankungsfälle. Da der Erreger jahrelang auch im Körper eines ansonsten körperlich stabilen Infizierten schlummern kann, ohne dass es zu erkennbaren Symptomen kommt, fällt es unter anderem bis heute schwer die Verbreitung gänzlich zu stoppen. Alle bisherigen Studienergebnisse sind im „American Journal of Physical Anthropology“ nachzulesen (135:110-116, 2008). (sb)
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Foto: Kappelmann, UMG: Schon mit dem bloßen Auge sind die Einkerbungen und Riefen an der Innenseite des Schädels des Homo erectus zu erkennen. Bild: Kappelmann
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