US-Forscher warnen vor zu häufigen Kopfbällen beim Sport
30.11.2011
Seit Jahren läuft die Diskussion über mögliche gesundheitliche Folgen von Kopfbällen. Die Ballannahme mit dem Kopf steht im Verdacht, Schäden am Gehirn hervorzurufen und langfristig erhebliche Beeinträchtigungen des Denkvermögens zu bedingen.
Angesicht legendärer Sprüche deutscher Profifußballer wie: „Mailand oder Madrid – Hauptsache Italien“ oder „Ein Drittel mehr Geld? Nee, ich will mindestens ein Viertel.“ scheint der Verdacht, dass der ein oder andere Fußballer zu viele Kopfbälle mitgenommen hat und diese möglicherweise seinem Gehirn geschadet haben könnten, durchaus naheliegend. Ein umfassende Studie von US-Forschern der Yeshiva University in New York kommt nun zu den Ergebnis, dass Amateurfußballer, die häufig auf Kopfbälle zurückgreifen, tatsächlich im Gehirn Anzeichen eines Schädel-Hirn-Traumas aufweisen. Ihre Ergebnisse präsentierten die Forscher um Michael Lipton auf dem Kongress der Nordamerikanischen Radiologen-Gesellschaft (RSNA)
Schädel-Hirn-Traumata durch Kopfbälle?
Die US-Wissenschaftler hatten im Rahmen ihrer Studie 38 Männer, die seit ihrer Kindheit Amateurfußball spielen, nach der Menge an Kopfbällen befragt, die sie pro Jahr angenommen haben. Außerdem untersuchten Michael Lipton und Kollegen die Nerven und das Gewebe im Gehirn der Hobbyfußballer mit Hilfe der sogenannten diffusionsgewichteten Magnetresonanztomografie (MRT). Die Auswertung der MRT-Untersuchung ergab, dass die Kopfbälle für das Nerven- und Hirngewebe nicht ohne Folgen bleiben. So zeigten die Amateurfußballer, welche besonders häufig ihren Kopf zur Ballannahme einsetzen, Schäden in fünf verschiedenen Bereichen des Gehirns, erläuterten die US-Forscher auf dem RSNA-Kongress. Dabei waren unter anderem Hirnareale betroffen, die wichtig für Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Verhaltenssteuerung sind, so Lipton und Kollegen weiter. Die nachgewiesenen Gehirnschäden ähnelten laut Aussage der Wissenschaftler den Schäden, die ansonsten nur bei Schädel-Hirn-Traumata, das heißt bei schweren Gehirnerschütterungen, auftreten, betonten die US-Forscher. Derartige Schädigungen des Gehirns seien zum Beispiel nach Verkehrsunfällen eine relativ häufig zu beobachtende Folge, wobei die Betroffenen unter Symptomen wie Gedächtnislücken, Schwindel, Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen leiden.
Beeinträchtigungen des Nerven- und Gehirngewebes durch Kopfbälle
Die Schäden im Gehirn fielen jedoch bei den Amateurfußballern in Abhängigkeit von der Menge der gespielten Kopfbälle äußerst unterschiedlich aus. So traten die Beeinträchtigungen des Nerven- und Gehirngewebes erst bei einer Anzahl von mindestens 1.000 bis 1.500 Kopfbällen pro Jahr auf, erklärten Michael Lipton und Kollegen. Derart viel Kopfbälle (drei bis vier täglich) dürften allerdings auch bei engagierten Hobbyfußballern eher die Ausnahme sein. Trotzdem widerlegen die aktuellen Untersuchungsergebnisse deutlich die Aussage des britischen Sportmediziners Paul McCrory aus dem Jahr 2003, der behauptet hatte, Schädigungen des Gehirn durch Kopfbälle seien unwahrscheinlich. McCrory ging davon aus, dass die Bälle nicht mit ausreichender Wucht auf den Kopf treffen, um eine Gehirnerschütterung zu verursachen. Die US-Forscher fanden nun jedoch heraus, dass nicht die Wucht eines einmaligen Aufpralls die Gehirnschäden verursacht, sondern „wiederholtes Köpfen eine Kette von Reaktionen im Gehirn in Gang setzen kann, die zu einer Schädigung von Hirnzellen“ führt. So werden die Nervenfasern nicht durch einen Kopfball sondern durch die Menge der Ballannahmen mit dem Kopf bedingt, erklärten Lipton und Kollegen.
Kopfbälle können Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsproblemen bedingen
Forscher der Universität Regensburg kamen in einer dieses Jahr durchgeführten Untersuchung der Auswirkungen von Kopfbällen auf das Gehirn zu dem Ergebnis, dass nach einem 15-minütigen Kopfballtraining weder bei den weiblichen noch bei den männlichen Studienteilnehmern die Aufmerksamkeit oder das Gedächtnis beeinträchtigt waren. Doch klagten einige Frauen nach dem absolvierten Kopfballtraining über Kopfschmerzen, was als Hinweis auf mögliche Beeinträchtigungen bewertet wurde. Dass bei den neuropsychologischen Tests keine Defizite der Aufmerksamkeit oder des Gedächtnis festzustellen waren, ist möglicherweise lediglich durch die relativ begrenzte Anzahl an Kopfbällen zurückzuführen, die die Probanden in dem 15-minütigen Training ausführten. Denn frühere Studien hatten bereits gezeigt, dass Kopfbälle durchaus Gedächtnis- oder Aufmerksamkeitsproblemen bedingen können. Aus diesem Grund haben die US-Forscher in der aktuellen Untersuchung die Schäden am Gehirn nicht nur mit Hilfe des MRT erfasst, sondern außerdem neuropsychologische Tests durchgeführt, um mögliche Beeinträchtigungen festzustellen. Dabei konnten Michael Lipton und Kollegen nachweisen, dass die Amateurfußballer, welche besonders häufig den Kopf einsetzen (über 1.000 Kopfbälle pro Jahr), tatsächlich bei Gedächtnistests und Koordinationsübungen im Vergleich zu den Fußballern, die selten den Ball mit dem Kopf annehmen, deutliche schlechter abschnitten. Die US-Forscher mahnen daher Hobbyfußballer aller Altersklassen zur Vorsicht und Michael Lipton schlug auf dem RSNA-Kongress eine Art Kopfballreglement vor, dass die Anzahl der Kopfbälle insbesondere bei Kindern beschränkt. Eine vergleichbare Regelung bestehe bereits beim Baseball, wo die Zahl der Schläge in der US-Kinderliga begrenzt wurde, um Schulterverletzungen vorzubeugen.
Profifußballer ohne Beeinträchtigungen des Gehirns bei Kopfbällen
Profifußballer sind hingegen auf einen entsprechenden Schutz offenbar nicht angewiesen, denn eine norwegische Studie aus dem Jahr 2005 konnte bei 290 Spielern der norwegischen Bundesliga keine neuropsychologischen Beeinträchtigungen durch Kopfbälle feststellen. Auch Profifußballer auf Positionen, die mit vielen Kopfbällen einhergehen, wiesen keine Defizit bei der Aufmerksamkeit oder dem Gedächtnis auf. Dies könnte nach Ansicht der Forscher daran liegen, dass Profifußballer wissen, wie sie einen Kopfball zu spielen haben und so das Risiko von Schäden am Gehirn minimieren. Eindeutige Aussagen lassen sich auf Basis der norwegischen Studie jedoch nicht treffen und insbesondere für Hobbyfußballer und Kinder scheint angesichts möglicher Schäden im Gehirn besondere Vorsicht bei Kopfbällen geboten. (fp)
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