Rauchen beeinträchtigt nachhaltig das Gehirn
19.12.2012
Rauchen gilt mit rund fünf Millionen Todesopfern pro Jahr als eine der häufigsten Todesursachen weltweit. Insbesondere die Schädigungen der Atemwege und des Herz-Kreislaufsystems durch den Tabakkonsum sind seit langem bekannt. Doch haben Schweizer Forscher nun herausgefunden, dass Rauchen langfristig auch Spuren im Gehirn hinterlässt.
Als typische Begleiterscheinung des Tabakkonsums gelten Atemwegsbeschwerden wie der Raucherhusten (chronisch-obstruktive Lungenerkrankung, COPD) oder Lungenkrebs. Den Ergebnissen der Schweizer Forscher zufolge existiert jedoch auch so etwas wie ein Rauchergehirn. Denn der Tabakkonsum beeinträchtigt nachhaltig das Glutamat-System im Gehirn, berichten die Wissenschaftler um Gregor Hasler von der Universitätsklinik und Poliklinik für Psychiatrie der Universität Bern im Fachmagazin „Proceedings of the Nationale Academy of Sciences“ (PNAS). Der Glutamat-Rezeptor mGluR5 komme in den Gehirnen von Rauchern und Ex-Rauchern deutlich seltener vor, was erhebliche Auswirkung auf die Signalübertragung im Gehirn habe. Die Forscher vermuten auch einen Zusammenhang dieser Beeinträchtigungen des Glutamat-Systems mit der hohen Rückfallquote bei dem Versuch des Rauchentzugs. Möglicherweise könnten Medikamente, die direkt in das Glutamat-System eingreifen die Raucher bei ihrer Entwöhnung unterstützen, so Gregor Hasler und Kollegen weiter.
Nachhaltige Veränderungen im Gehirn der Raucher
Die Wissenschaftler der Universität Bern, der ETH Zürich und der Universität Zürich haben in ihrer gemeinsamen Studie im Gehirn von jeweils 14 Rauchern, Ex-Rauchern und Nichtrauchern mit Hilfe der Positron-Emissionstomographie die Konzentration des metabotropen Glutamat-Rezeptors 5 (mGluR5) gemessen. Der Glutamat-Rezeptor übernimmt eine wichtige Funktion bei der Signalübermittlung im Gehirn. Die Forscher vermuten hier einen Zusammenhang mit den Schwierigkeiten, die rund 90 Prozent der Raucher bei der Tabakentwöhnung haben. Bislang ist unklar, wieso von den rund 75 Prozent der Raucherinnen und Raucher, die einen Entzug versuchen, so viele nicht durchhalten. Hasler und Kollegen gehen davon aus, dass die Nikotinsucht sich als eine Art Lernprozess entwickelt, bei dem das Glutamat-System eine zentrale Rolle spielt. Aus früheren Untersuchungen an Mäusen sei bekannt, dass Glutamat bei der Entwicklung von Abhängigkeiten, wie beispielsweise der Nikotin- und Kokain-Sucht, einen maßgeblichen Einfluss hat. Die aktuellen Ergebnisse der Wissenschaftler scheinen diese These zu stützen und liefern auch eine mögliche Erklärung für die hohe Rückfallquote bei der Rauchentwöhnung.
Raucher mit deutlich verringerte Konzentration des Glutamat-Rezeptors mGluR5
Die Untersuchung mit dem neuen Verfahren der Positron-Emissionstomographie ergab, dass bei den Rauchern und Ex-Rauchern eine stark verringerte Konzentration des Glutamat-Rezeptors (mGluR5) vorlag. „Wir fanden eine deutliche globale Reduktion in der mGluR5-Verteilung“ um durchschnittlich mehr als 20 Prozent in dem Volumenverhältnis der sogenannten Grauen Substanz bei den 14 Rauchern, berichten die Forscher im Fachmagazin „PNAS“. Die deutlichste Reduktionen der mGluR5-Konzentration sei gegenüber den Nichtrauchern im Bereich des bilateralen medialen orbitofrontalen Kortex nachzuweisen gewesen. Hier zeigten die Raucher eine rund 30 Prozent geringere Konzentration des Glutamat-Rezeptors. Verringerte mGluR5-Werte waren laut Aussage der Forscher auch bei den Ex-Rauchern zu beobachten. Obwohl diese durchschnittlich bereits 25 Wochen lang nicht geraucht hatten, zeigten sie eine Verringerung des Glutamat-Rezeptors um zehn bis 20 Prozent. Dies verdeutlicht, welche nachhaltige Wirkung das Rauchen auf das Gehirn hat, betonen die Wissenschaftler. Insgesamt war die „Veränderung des Glutamat-Systems bei Rauchern im Ausmaß und in der lokalen Ausweitung weit größer, als man bisher angenommen hat“, so Hasler und Kollegen weiter.
Beeinträchtigung des Glutamat-Systems Ursache der hohen Rückfallquote
Ursache für die Verringerung des Glutamat-Rezeptors ist nach Ansicht der Forscher die anhaltende Nikotin-Aufnahme. Die Reduzierung der mGluR5-Werte bei den Ex-Rauchern spreche dafür, dass sich ihre Rezeptoren noch nicht wieder vollständig erholt haben. Offenbar dauere die Erholung des Glutamat-Systems äußerst lange, wobei „es wahrscheinlich ist, dass diese sehr langsame Normalisierung zu der sehr hohen Rückfallrate bei Ex-Rauchern beiträgt“, schreiben Hasler und Kollegen. Welch nachhaltige Wirkung das Rauchen auf die Signalübertragung im Gehirn hat, sei bisher nicht klar gewesen. Die Toleranzbildung im Glutamat-System bei wiederholtem Nikotinkonsum trage vermutlich auch dazu bei, dass der Verzicht auf Nikotin mit Entzugserscheinungen, wie innerer Unruhe, Gereiztheit, Angst oder auch körperlichen Symptomen, wie beispielsweise Kopfschmerzen, einhergehen kann.
Medikamente zur Regulierung des Glutamat-Rezeptors als Hilfe beim Rauchentzug?
Bei der aktuellen „Entwicklung von Medikamenten, die auf das mGluR5-Protein einwirken“, sei zu berücksichtigen, dass sich die Wirkung bei Rauchern und Ex-Rauchern deutlich von der Wirkung bei Nichtrauchern unterscheiden könne. Allerdings haben entsprechende Medikamente unter Umständen auch das Potenzial „das Rückfallrisiko, die Entzugssymptome und andere psychische Folgen des Nikotinkonsums zu reduzieren“, schreiben Hasler und Kollegen. Zwei der beteiligten Forscher arbeiten für den Pharmakonzern Novartis, der momentan verschiedene Medikamente testet, die auf den mGlu5-Rezeptor abzielen. (fp)
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