Stiftung Warentest: In der gesetzlichen Krankenkasse bleiben oder in die Private Krankenversicherung wechseln?
02.03.2011
Seit Beginn des Jahres wurde der Wechsel zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung deutlich vereinfacht. Welche Vorteile gesetzliche und private Krankenversicherungen bieten, hat die Zeitschrift „Finanztest“ in ihrer aktuellen Ausgabe genauer unter die Lupe genommen.
Finanztest vergleicht Private und Gesetzliche Krankenversicherungen
In seine Märzausgabe vergleicht „Finanztest“ die Leistungen gesetzlicher und privater Krankenversicherungen und verdeutlicht, für wen sich ein Wechsel lohnen könnte und worauf zu achten ist. Seit dem Januar 2011 ist ein Wechsel in Richtung der privaten Krankenversicherungen (PKV) bereits ab einem einmaligen Jahresbruttoeinkommen über 49.500 Euro möglich. Bisher mussten Versicherte mindestens drei Jahre lang mehr als 49. 950 Euro verdienen, um in die PKV wechseln zu können. Doch nicht für jeden, der die Kriterien erfüllt, lohnt sich der Versicherungswechsel, warnt die Stiftung Warentest in der aktuellen Ausgabe ihrer Zeitschrift „Finanztest“.
Im Rahmen der Gesundheitsreform hatte die schwarz-gelbe Bundesregierung im letzten Jahr beschlossen, den Wechsel zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung künftig deutlich zu vereinfachen. Welche Vorteil ein solcher Wechsel für die Versicherten mit sich bringt, hat nun die Stiftung Warentest genauer untersucht und ihre Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Finanztest“ veröffentlicht. Dabei machten die Tester vorab deutlich, dass ein Versicherungswechsel in jedem Fall gut überlegt sein sollte, das dieser meist eine Entscheidung fürs Leben ist. Wer das gesetzliche Krankenversicherungssystem verlässt, hat kaum eine Möglichkeit wieder aufgenommen zu werden. Eine Rückkehr ist nur möglich, wenn die Betroffenen in einem Angestelltenverhältnis als Arbeitnehmer mit ihrem Einkommen unter der Versicherungspflichtgrenze liegen. Für Personen im Alter über 55 Jahren ist die Rückkehr ins gesetzliche Versicherungssystem generell so gut wie unmöglich, berichtet „Finanztest“. Daher sollten sich Versicherungsnehmer nicht von möglichen kurzfristigen Vorteilen blenden lassen, sondern stets die langfristigen Perspektiven des jeweiligen Versicherungssystem im Auge behalten, so die Aussage der Tester.
Vorteile einer Privaten Krankenversicherung
Laut „Finanztest“ bieten die meisten Tarife der private Krankenversicherungen deutliche Vorteile wie höhere Ärztehonorare (entsprechend kürzere Wartezeiten beim Arzt), Behandlungen durch Heilpraktiker und die Übernahme der Kosten für rezeptfreie Medikamente sowie für die Behandlung durch den Chefarzt gegenüber der GKV. Auch seien die vertraglich zugesicherten Leistungen dauerhaft garantiert, so die Aussage in der aktuellen Ausgabe von „Finanztest“. Die Vorteile haben jedoch auch einen Preis: Die Beiträge der PKV werden regelmäßig angepasst und können dabei deutlich steigen. Während junge, gesunde, gut verdienende Versicherte in der PKV trotz der Zusatzleistungen nur relativ niedrige Beiträge zahlen, nehmen die Beiträge im Alter meist deutlich zu und können mit dem eintritt ins Rentenalter zu einer kaum finanzierbaren Belastung für die Versicherten werden. Auch der systemkritische Hausarzt und sowie SPD-Stadtrat aus Ingolstadt, Anton Böhm, hatte jüngst bezüglich der Kosten der PKV erklärt, er „kenne genügend Fälle, da reicht irgendwann die Rente gerade für die Versicherung.“ Denn wie auch „Finanztest“ jetzt zu bedenken gab, sind die Beiträge unabhängig vom Einkommen der Versicherten zu zahlen, so dass auch bei Einkommenseinbußen keine Reduzierung der Beiträge möglich ist. Daher empfiehlt „Finanztest“ den Versicherten monatlich Geld zur Seite zu legen, um auch im Rentenalter die Beiträge bezahlen zu können. Um nicht zu einen Tarifwechsel (inklusive Leistungseinbußen) gezwungen zu sein, sollten die Versicherten, die nicht verbeamtet sind und keine Beihilfe beziehen, im Monat zusätzlich zum Beitrag ungefähr 150 bis 250 Euro ansparen, rät „Finanztest“.
Vorteile für Beamte mit Beihilfe
Die deutlichsten Vorteile bietet die Private Krankenversicherung den Ergebnissen von „Finanztest“ zufolge für Beamte, da hier der Dienstherr für sie Beihilfe anstelle des Arbeitgeberzuschusses zahle. So müssen Beamte lediglich den verbleibenden Teil der Kosten für die private Versicherung übernehmen, was sich für sie günstiger darstelle, als wenn sie freiwillig gesetzlich versichert sind, erklärte „Finanztest“. Denn in der gesetzlichen Krankenversicherung müssten die Beamten den vollen Beitrag zahlen, der in Abhängigkeit ihres Einkommens berechnet und bei vielen Beamten dem Höchstsatz der GKV von rund 575 Euro entsprechen würde. Für Arbeitnehmer und Selbstständige die normalerweise keine Beihilfe erhalten und deren Einkommen nicht dauerhaft gesichert ist, stelle eine private Krankenversicherung indes ein deutliches finanzielles Risiko dar, so dass für sie in der Regel die gesetzliche Versicherung die bessere Wahl ist, berichtet „Finanztest“.
Gesundheitsleistungen sind bei der PKV garantiert
Während die Privaten Krankenversicherungen bei Schließung eines Vertrages eine Garantie für Gesundheitsleistungen abgibt, kann eine solche Garantie der gesetzlichen Krankenkasse nicht abverlangt werden. In der Vergangenheit wurden Leistungen immer wieder eingeschränkt bzw. neue Gebühren erhoben. Als Beispiel sei hier die Einführung der Praxisgebühr von 10 Euro genannt, die quartalsweise von den Patienten bei jedem Arztbesuch erhoben wird. Zudem wurde zum Jahreswechsel 2011 zahlreiche erstattungsfähige Medikamente gestrichen.
GKV berechnet Beitragssatz Einkommensabhängig
Dafür werden die Beiträge jedoch immer Einkommensabhängig berechnet. Zudem wird der Beitrag zu fast gleichen Anteilen (paritätisches Prinzip) von Arbeitgeber und Arbeitnehmer finanziert. Der Arbeitgeberanteil liegt derzeit bei 7,3 und der Anteil für Arbeitnehmer bei 8,2 Prozent. Im Zuge der Reformen zum Jahreswechsel wurde allerdings der Arbeitgeberanteil eingefroren. Das bedeutet, dass bei zukünftigen Erhöhungen der Kassenbeiträge allein die Versicherten selbst hiervon betroffen sind. Von Seiten der Sozialverbände und Gewerkschaften wird das als schrittweise Auflösung der paritätischen Finanzierung der Krankenversicherung bezeichnet. Hinzu kommt, dass auch die Zusatzbeiträge von Kassenpatienten allein getragen werden müssen. Schon in naher Zukunft erwarten zahlreiche Gesundheitsökonomen die flächendeckende Einführung von Zusatzbeiträgen. In diesem Jahr sind die Krankenkassen mit einem Zusatzbeitrag noch in der Minderzahl (13 von 160). Ein Kalkulieren der Kosten ist hier kaum möglich. Reichen die Zuwendungen aus dem Gesundheitsfonds nicht mehr aus, müssen die Kassen entweder die Beiträge grundsätzlich erhöhen oder höhere Zusatzbeiträge verlangen.
Familienversicherung Vorteil der Gesetzlichen
Ein entscheidender Vorteil des gesetzlichen Krankenschutzes ist die Familienversicherung. Kinder und Partner ohne eigenes Einkommen können automatisch mitversichert werden, ohne dass die Beiträge hierfür steigen. Die PKV hingegen kennt eine solche Mitversicherung nicht. Hier müssen Kinder und Partner extra mit einem eigenständigen Tarif krankenversichert werden. Auch bezahlen die Gesetzlichen Mutter-Kind-Kuren oder den Verdienstausfall bei einer lang anhaltenen Krankheit (nach sechs Wochen).
Es kommt also sehr auf die eigene familiäre Situation und auf das jeweilige Einkommen an. Wer wechselt, sollte sich zudem im Klaren sein, dass eine Rückkehr in die Gesetzlichen nahezu verschlossen bleibt. PKV Tarife sollten zudem nicht allein nach den Beiträge ausgewählt werden, sondern auch nach dem Leistungskatalog. Eine unabhängige Beratung bieten auch die Verbraucherzentralen an. (fp, sb)
Lesen Sie zum Thema Krankenversicherung:
Wechsel zur PKV oft nicht ratsam
Ab 2016351a2cc0b08c03Kosten für die Gesundheit
Die Gesundheitsreform tritt in Kraft
Private Krankenversicherungen: Das ändert sich
Bild: Gerd Altmann/ Gerold Meiners / pixelio.de
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.