Bundesamt deckt massenhaft Hygiene-Mängel in Lebensmitteln auf
27.10.2011
Hygiene-Mängel sind sowohl in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie als auch in der Gastronomie erschreckend weit verbreitet. So hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) bei seien Kontrollen im vergangenen Jahr in jedem vierten aufgesuchten Betrieb Mängel nachgewiesen.
Bei den beanstandeten Verstößen waren Missachtungen der Hygienevorschriften die häufigste Ursache. So seien rund 75 Prozent der Beanstandungen auf „Fehler in der Betriebshygiene und Mängel im Hygienemanagement“ zurückzuführen, erläuterte der Präsident des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, Dr. Helmut Tschiersky-Schöneburg, gestern in Berlin.
Alkoholika und Fleischprodukte werden am häufigsten beanstandet
Die Kontrolleure des BVL haben im Jahr 2010 insgesamt rund 921.000 Inspektionen in circa 538.000 Betrieben durchgeführt. 408.000 Proben aus Lebensmittelbetrieben und der Gastronomie wurden untersucht, wobei 13 Prozent der Proben aufgrund erheblicher Mängel zu beanstanden waren, so die aktuelle Mitteilung des BVL. Dabei waren Fehler in der Kennzeichnung bei rund der Hälfte der eingeschickten Proben Anlass zur Beanstandung, bei einem Fünftel stellten die Kontrolleure „mikrobiologische Verunreinigungen“ fest, die Ware war mit Keimen belastet oder bereits verdorben. Am besorgniserregendsten war die Situation in den kontrollierten Gaststätten ohne Vollküche (klassische Kneipen) wo 27,1 Prozent der Betriebe dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zufolge erhebliche Mängel aufwiesen. Bei den kontrollierten Waren bildeten laut Aussage von Dr. Helmut Tschiersky-Schöneburg alkoholische Getränke – ausgenommen den Weinen – am häufigsten Anlass zur Beanstandung. So wurden 19 Prozent der Alkoholika-Proben bemängelt. Dicht dahinter in Bezug auf die Beanstandungen lagen die Fleischprodukte, bei denen die kontrollierten Proben zu 18,9 Prozent nicht den Ansprüchen der Kontrolleure gerecht wurden. Zwar sei die Anzahl der Beanstandungen insgesamt im Jahr 2010 leicht zurückgegangen, doch immer noch bilden die Hygiene-Mängel viel zu häufig Anlass zur Beanstandung, zumal mit den Verstößen für die Verbraucher durchaus gravierende gesundheitliche Risiken einhergehen können, so die Einschätzung der Experten.
Verbesserung der technischen Ausstattung der Lebensmittelkontrolleure gefordert
Um die Kontrollen im Sinne der Verbraucher zu verbessern, ist laut Aussage des BVL-Präsidenten Dr. Helmut Tschiersky-Schöneburg auch auf technischer Ebene noch einiges zu tun. So seien die Lebensmittelkontrolleure bis heute technisch schlecht ausgestattet und verfügen über kein digitales Erfassungssystem an dem auch die Unternehmen beteiligt sind, bemängelte Tschiersky-Schöneburg. Nach Ansicht des Experten sollte dies umgehen eingeführt werden, um auch in Krisensituationen möglichst schnell reagieren zu können. Wie wichtig schnelles Handeln sein kann, habe sich zum Beispiel bei den Dioxin-Funden Anfang des Jahres und der EHEC-Epidemie gezeigt. So mussten die Kontrolleure nach dem Auftreten der EHEC-Symptome bei zahlreichen Personen erst langwierig die Lieferketten nachzeichnen, um dem Verursacher auf die Schliche zu kommen und die Bevölkerung vor den gesundheitlichen Risiken zu schützen, erläuterte der BVL-Präsident. Mit einem digitalen System an dem auch die Unternehmen beteiligt werden, wäre dies sehr viel einfacher gewesen, betonte Dr. Helmut Tschiersky-Schöneburg.
Hygiene-Ampel soll Kontrollergebnisse transparent machen
Um die Hygienesituation bei den Lebensmittelherstellern und in der Gastronomie auch für die Verbraucher transparent zu machen, fordern die Experten außerdem eine entsprechende öffentliche Kennzeichnung der Unternehmen. Auf diese Weise könnten die Kunden eindeutig nachvollziehen, welche Betriebe sauber arbeiten und welche nicht, so die Auffassung der Verbraucherschützer. Um dem ehrgeizigen Ziel ein Stück näher zu kommen, hatte sich die Verbraucherministerkonferenz bereits Mitte des Jahres darauf geeinigt, eine „Hygiene-Ampel“ einzuführen, die in einer dreistufigen Skala angeben soll, wie es um die Hygienesituation in den Betrieben bestellt ist. Einige Landeswirtschaftsministern haben sich jedoch gegen eine solche Regelung ausgesprochen, da sie erhebliche betriebswirtschaftliche Nachteile für zahlreiche Unternehmen befürchten. So sind seit der Einigung keine weiteren Schritte zur Einführung der Hygiene-Ampel erfolgt. Verbraucherschutzorganisationen wie Foodwatch fordern seit Jahren eine Kennzeichnung der Hygienesituation in den Betrieben in Form eine Hygiene-Barometers, das nach Ansicht der Experten sowohl als Ampel aber auch als Smiley-Systems funktionieren würde. Denn erst wenn die Ergebnisse der Lebensmittelkontrolleure „auch veröffentlicht werden, und zwar direkt am Eingang von Gaststätten, Bäckereien und Supermärkten, haben die Verbraucher die Wahl zwischen den guten und den schlechten Betrieben“, betonte Foodwatch-Sprecher Martin Rücker.
Ergebnisse der Lebensmittelkontrollen offen kommunizieren
Die Argumente der Landeswirtschaftsminister gegen die Einführung einer Hygiene-Ampel können nach Ansicht der Verbraucherschützer nicht gelten, denn wer mit der Hygiene schlampt, der muss auch mit finanziellen Nachteilen und Umsatzeinbrüchen rechnen. Das bei den Kontrollen in jeder vierten Kneipe erhebliche Mängel nachgewiesen wurden, spricht nach Einschätzung der Verbraucherschützer für sich und ist das beste Argument, die beschlossene Hygiene-Ampel endlich umzusetzen. Der aktuellen Mitteilung des BVL zufolge plädieren auch die Verbraucherschutzministerien der Bundesländer für eine solche Veröffentlichung der Kontrollergebnisse. So erklärte der stellvertretende Vorsitzende der Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz aus dem Verbraucherschutzministerium Brandenburg, Bernhard Remde, dass von einer derartige Veröffentlichung durchaus positive Effekte zu erwarten sind. Auch heute widmen die Vollzugsbehörden der Länder den Hygiene-Mängeln bereits „große Aufmerksamkeit“ insbesondere was „eine häufigere Kontrolle“ der Betriebe mit Beanstandungen „im Rahmen der Risikoorientierung sowie eine konsequente Durchsetzung ordnungsrechtlicher Maßnahmen“ betrifft, erklärte Remde. Doch im Sinne der Verbraucher müssen die Ergebnisse auch kommuniziert werden, so die Aussage des Experten. (fp)
Bild: Cornelia Menichelli / pixelio.de
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